29.09.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 193 / Zusatzpunkt 3

Klaus BarthelSPD - Investition in den Breitbandausbau

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon gut, dass wir heute über den Antrag der Grünen diskutieren; denn ich stelle fest, dass der Vorschlag für viele sehr populär ist. Selbst die Linken finden diesen Ansatz überdenkenswert. Mich überrascht das etwas. Als ich das gelesen habe, habe ich gedacht: Wo sind die Grünen mit dieser Mischung aus neoliberaler Ideologie, Widersprüchlichkeiten, geweckten falschen Erwartungen und vor allen Dingen Nichtrealisierbarkeit plötzlich gelandet?

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts verstanden!)

Also, ich muss sagen: Seitdem die FDP nicht mehr in diesem Haus ist, habe ich einen solchen telekommunikationspolitischen Unfug nicht mehr gelesen.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja wirklich billig!)

Auch machen Sie eine 180-Grad-Kehrtwende.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten den Antrag mal lesen!)

– Ich werde das darstellen. – Bisher haben Sie in Ihren Anträgen, Anfragen und Reden immer gefordert, dass der Staat seine Rolle als Eigentümer bei der Telekom ernster nehmen und verantwortungsvoller sein sollte.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht er ja nicht!)

Denken Sie an die Debatte über die Standorte, die Callcenter und auch über den Infrastrukturausbau. Dafür hätte ich ja noch Verständnis. Aber das, was Sie hier vorlegen, würde zu geplantem und organisiertem Staatsversagen führen.

Ich will das erklären. Fangen wir bei der Realisierbarkeit an. Sie wollen mit den Verkaufserlösen von 10 Milliarden Euro eine Breitbandinfrastrukturgesellschaft schaffen. Sie fordern die Bundesregierung – ich zitiere wörtlich – auf, „mit der Breitbandinfrastrukturgesellschaft in Zusammenarbeit mit den Kommunen europarechtskonform“ in die flächendeckende Breitbandversorgung zu investieren.

Erstens ist die Frage, wie das europarechtskonform gehen soll. Darüber gehen Sie souverän hinweg, obwohl man schon aus der Debatte über die von Ihnen ja zu Recht als schwer umsetzbar bezeichneten Förderprogramme wissen müsste, wie kompliziert das Ganze europarechtlich gesehen ist. Kompliziert sind ja schon die Zuschussprogramme. Wenn man das weiß, bekommt man erst den Hauch einer Ahnung, was es bedeuten würde, wenn der Staat jetzt selber in diesem Bereich unternehmerisch tätig werden würde.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur da, wo es Staatsversagen gibt!)

Zweitens sind – das muss man doch auch wissen – 10 Milliarden Euro für Glasfaserbreitbandausbau ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Jetzt rufen Sie auch noch dazwischen, Herr Kindler. Sie wollen ja die 10 Milliarden Euro gar nicht auf einmal, sondern auch noch stückweise; denn man kann die Aktien ja nicht in einem Schwung auf den Markt bringen.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die gehen erst zur KfW! Das haben Sie falsch verstanden!)

Das bringt also nicht mehr als den Tropfen auf den heißen Stein.

Drittens können Sie – man muss sich doch einmal vorstellen, wie das praktisch gehen könnte – überhaupt nicht darstellen, wie diese Breitbandgesellschaft flächendeckend arbeiten soll. Denn wir haben doch heute schon für viele Haushalte viel mehr als 50 Megabit oder 100 Megabit Geschwindigkeit. Da brauchen wir die Breitbandgesellschaft nicht.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht im ländlichen Raum!)

Selbst in Teilen des ländlichen Raums brauchen wir sie nicht.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so! Wer sagt das?)

Im Rest der Republik aber ist der Breitbandausbau gerade nicht rentabel. Wenn Sie dann fordern, die geschaffene Breitbandinfrastruktur durch Verpachtung zu refinanzieren, dann scheinen Sie zu glauben, dass hier plötzlich das Geld vom Himmel regnet, obwohl es sich bisher für die privaten Investoren gerade nicht rentiert, weil das keine Erträge abwirft.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bisher rentiert sich der Ausbau!)

Viertens komme ich, was die Realisierbarkeit betrifft, zu den Kommunen. Das Problem für die Kommunen ist doch gerade, dass sie gar nicht über die entsprechenden Komplementärmittel verfügen. Dort, wo der höchste Bedarf an Breitbandausbau besteht, sind die Finanzierungsmöglichkeiten, nämlich die Kofinanzierungsmöglichkeiten der Kommunen, am schlechtesten. Das heißt, dass uns nach einem Bruchteil der notwendigen Investitionen die Puste ausgehen würde. Es gäbe dann keine Erlöse, sondern nur Kosten. Und die Gelder würden dann auch nicht dahin fließen, wo man sie wirklich braucht.

Ich komme dann zu den Widersprüchen Ihres Antrags. Sie geißeln ja zuerst einmal die Interessenkonflikte, in denen sich der Staat als Miteigentümer des Unternehmens Telekom befinden würde. Ich frage Sie erst einmal: Wie stellen Sie sich denn Netzzugangsregulierungen bei der – das wird von Ihnen gefordert – zu 100 Prozent staatlichen Breitbandgesellschaft vor, wo Sie ja Geld bzw. Einnahmen zur Refinanzierung sehen wollen, wenn Sie schon den 14-prozentigen Anteil an der Deutschen Telekom als große Gefahr für die Unabhängigkeit des Staates und die Regulierung proklamieren?

Wenn man Ihren Hypothesen folgt, hätte ja in den Ausbauregionen Ihre Breitbandgesellschaft ein hundertprozentiges Monopol. Da würde es dann – das ist doch komisch – nach Ihrer Ansicht keinen Interessenkonflikt geben.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber das Marktversagen!)

Das muss aber auch irgendwie reguliert werden.

Damit sind wir bei der Ideologie, die Sie neuerdings vertreten. Mir kommt das bekannt vor. Wir hatten vor 2009 gefühlt jeden Monat einen FDP-Antrag auf dem Tisch, in dem auch immer von Ordnungspolitik die Rede war. Das steht auch in Ihrem Antrag.

Jetzt kommen wir zur Ordnungspolitik. Sie verstricken sich schon im Text Ihres Antrags – ich verstehe nicht, wie einem so etwas nicht auffallen kann – innerhalb weniger Zeilen in Widersprüche. Innerhalb dieser Zeilen kommen drei Bezeichnungen für die Rolle der Telekom vor. Einmal sagen Sie, das ist ein marktbeherrschendes Unternehmen. Zwei Zeilen weiter sprechen Sie von einem staatsnahen Oligopolisten. Und auf der nächsten Seite bezeichnen Sie die Telekom dann als Monopolisten. Also, was ist sie nun?

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind verschiedene Bereiche!)

Realität ist: Die Telekom ist allerhöchstens auf wenigen Teilmärkten noch marktbeherrschend. Das kann man alles nachlesen. Dort unterliegt sie einer rigiden Regulierung. Dies führt dazu, dass die Telekom von Jahr zu Jahr Marktanteile verliert. Wir haben auch beim Vectoring-Genehmigungsprozess gesehen, wie schwierig die Regulierung europarechtlich ist. Das heißt, Sie gehen von falschen Grundannahmen aus. In Ihren Reden findet die Digitalisierung gar nicht statt; denn die Digitalisierung führt dazu, dass es eine Konvergenz all dieser Bereiche in der Internetwirtschaft gibt: Kabel, Glasfaser, Kupfer, Mobilkommunikation usw. In dieser Gesamtlandschaft ist die Telekom nur noch ein Player von ganz vielen, und deshalb kann von Monopol oder Ähnlichem überhaupt nicht mehr die Rede sein.

Dann kommt die Krönung. Sie wollen diese Breitbandgesellschaft im Eigentum der KfW sehen.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das haben Sie nicht verstanden!)

Wem gehört denn bitte die KfW? Die KfW gehört zu vier Fünfteln dem Bund und zu einem Fünftel den Ländern, sie ist also ein reiner Staatsbetrieb. Warum soll es dann diese Interessenkonflikte nicht mehr geben, zumal der Staatsmonopolist Deutsche Telekom – Sie beklagen doch das Staatsmonopol – zu einem privaten Monopolisten würde? Wie passt das ordnungspolitisch zusammen?

Es wäre in der Tat sinnvoll, sich daran zu erinnern, warum die Liberalisierung und Privatisierung im Telekombereich stattfinden sollte. Man hat es gemacht, um private Investitionen in diesen Bereich zu locken. Da muss es andere Hebel geben, zum Beispiel in der Regulierungspolitik, zum Beispiel aber auch in der Umsetzung des Auftrags des Grundgesetzes zu einer flächendeckenden Versorgung. Da sage ich nur: Ein Blick in das Telekommunikationsgesetz wirkt Wunder. Da findet man eine Universaldienstmöglichkeit, die auch eine Finanzierung ohne Steuergelder vorsieht.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollten Sie doch nie!)

Im Übrigen, wenn Ihr Ansatz sein sollte, 10 Milliarden Euro für schnelles Internet zu mobilisieren, dann sage ich Ihnen: Diesen Weg muss ich doch gar nicht gehen in Zeiten, in denen so eine Geldschwemme auf den Finanzmärkten ist. Ich muss doch nicht auch noch das staatliche Tafelsilber verscheuern, um zu Investitionen in die Infrastruktur zu kommen.

Darf ich Sie auf die Redezeit aufmerksam machen?

Mein letzter Satz, Frau Präsidentin.

Gut, danke schön.

Vielen Dank. – Ich bin gespannt auf die Beratungen im Ausschuss und darauf, ob Nachbesserungen kommen oder der Unfug so stehen bleibt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen herzlichen Dank. – Ich weise noch einmal darauf hin: Wenn die Lampe dort vorne leuchtet, dann bedeutet das etwas. Das ist jetzt blöde; denn es betrifft Herrn Holmeier. – Der letzte Redner in der Debatte: Karl Holmeier für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7010457
Wahlperiode 18
Sitzung 193
Tagesordnungspunkt Investition in den Breitbandausbau
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