Wilhelm PriesmeierSPD - Antibiotikaminimierung in der Medizin
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Tierarzt und auch als Abgeordneter habe ich mich Zeit meines Berufslebens immer mit Antibiotika auseinandersetzen und beschäftigen müssen. Während meiner Dissertation und besonders in der Praxis hat das angefangen. Ich glaube, es gibt niemanden in diesem Hause, der mehr Antibiotika verordnet und abgegeben hat, als mich. Aus dem Grunde, glaube ich, bin ich kompetent, zu diesem Thema vorzutragen und Vorschläge zu machen.
Als ich als Berufspraktiker angefangen habe, war das Verhältnis des Berufsstandes und auch der Landwirte zu dem Einsatz von Antibiotika wesentlich anders als heute. Damals hat man Antibiotika noch häufig als Produktionsmittel betrachtet. Es gab Einstallungsprophylaxe, links gab es Stresnil, rechts gab es CTP, und sieben Tage lang gab es eine Arzneimittelvormischung, die eingemischt wurde. Das hat dann in der Folge zu den Entwicklungen von Resistenzen geführt, wie wir sie heute beobachten. Denn Resistenzen, die sich einmal entwickelt haben, verschwinden nicht über Nacht wieder.
Als ich in den Bundestag gekommen bin, hatten wir gerade die 11. AMG-Novelle in einer Frist von sieben Tagen umzusetzen. Hintergrund war damals der große Arzneimittelskandal in Bayern. Es war zum Rücktritt der damaligen stellvertretenden Ministerpräsidentin und Gesundheitsministerin gekommen, die Hinweise mehr als zwei Jahre lang in ihrer Schublade aufbewahrt und nicht verfolgt hatte. Das hat schon damals gezeigt, wie groß der Handlungsdruck war. Dieser Handlungsdruck hat nie nachgelassen.
Heute verschreiben wir Antibiotika nicht mehr so sorglos. Ein Umdenken hat eingesetzt. Die Zusammenhänge zwischen Betriebsmanagement und Stallhygiene und auch den betrieblichen Managementvoraussetzungen sind heute jedem Landwirt klar. Er kann an und für sich wirtschaftlich nur überleben, wenn er das berücksichtigt. Die Zeit der Schuldzuweisungen in der Debatte um Resistenzen ist Gott sei Dank hoffentlich vorbei.
Das Stichwort „One Health“ ist gerade schon erwähnt worden. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei Gitta Connemann bedanken, die in ganz besonderer Weise dazu beigetragen hat, dass der Antrag gemeinsam mit den Kollegen aus dem Gesundheitsbereich zustande gekommen ist. Ich glaube, das macht deutlich, dass wir an dieser Stelle auch für unser politisches Handeln hier im Bundestag einen neuen Ansatz hinsichtlich der Umsetzung der notwendigen Vorgaben finden wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
G 7 und OECD haben die Folgekosten hochgerechnet. Wenn wir nichts tun würden, würden die Kosten bis 2050 auf 2,9 Billionen Dollar ansteigen. Das ist eine Größenordnung, die bestimmte Wohlstandsentwicklungen in unseren Ländern im Grundsatz infrage stellen dürfte. Sie sehen daran, wie groß der Handlungsdruck ist.
(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Die Forderung, die Abgabemenge von Antibiotika in einem kurzen Zeitraum zu halbieren, gibt es. Wir sind auf einem guten Wege, aber noch nicht am Ziel. Die Zahlen sind hier eben schon erwähnt worden; ich möchte sie nicht wiederholen. Beunruhigend angesichts all der Zahlen ist natürlich der Anstieg des Einsatzes von Reserveantibiotika. Das lässt sich nicht aus einer reinen Mengenbetrachtung heraus beurteilen. Auf Reserveantibiotika, zumindest auf die Wirkstoffgruppen Cephalosporine und Fluorchinolone, werden wir in der Veterinärbehandlung und in der Veterinärpraxis nicht ohne Weiteres verzichten können. Aber ihr Einsatz muss entsprechenden Regelungen und Beschränkungen unterworfen werden.
An sich haben wir schon mit der 16. AMG-Novelle die Voraussetzungen dafür geschaffen. Im Rahmen der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken, die die ordnungsgemäße Behandlung regelt, hätten wir damit schon beginnen können. Der Prozess ist zwar fortgeschritten; aber irgendwie scheint mir die Umsetzung zwischen den Bundesländern und dem Bund festgefahren zu sein. Deshalb kann ich nur appellieren, dieses Vorhaben schleunigst anzugehen und umzusetzen, um weiteren Schaden im Hinblick auf die Resistenzentwicklung zu vermeiden.
Wir stärken mit unserem Antrag auch die Position des Tierarztes.
(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD])
Wir möchten regeln, dass jeder Bestand nur noch einen einzigen Bestandstierarzt hat, der ausschließlich autorisiert ist, Medikamente zu verschreiben und abzugeben, und der sich hinterher auch vom Behandlungserfolg überzeugen muss. Dazu ist es notwendig, dass wir die noch bestehenden Defizite in der Antibiotikadatenbank beseitigen und für alle Nutztierarten und alle Haltungsformen eine verpflichtende Regelung treffen. Gleichzeitig muss es unsere Aufgabe sein, Impfungen als Präventionsmaßnahme grundsätzlich dann vorzuschreiben, wenn durch sie der Einsatz von Antibiotika vermieden werden kann.
(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Wir wollen die Rabattierung von Antibiotika unterbinden und den Internethandel am besten ganz verbieten. Die Entscheidungen auf europäischer Ebene sind noch im Fluss. Aber ich hoffe, dass durch den Einsatz der deutschen Europaabgeordneten und durch unseren dortigen Einfluss einiges zu bewirken ist. Damit sind die Instrumente des Arzneimittelrechts allerdings schon erschöpft.
Wenn wir weitergehen wollen, brauchen wir das, was wir in den Koalitionsvertrag geschrieben haben: einen einheitlichen Rechtsrahmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Ursachen des Problems sind der Tiergesundheitsstatus, die Produktionshygiene, Hygiene und Infektionsprophylaxe, angepasste Tierzucht und im Besonderen das eigenverantwortliche Betriebsmanagement des jeweiligen Tierhalters. Wenn wir weiter vorankommen und über die Instrumente des Arzneimittelrechts hinausgehen wollen, dann müssen wir diesen Rechtsrahmen konsequent fortentwickeln. Wir sollten diesen Versuch noch in der laufenden Legislatur unternehmen. Ich glaube, das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung, wenn wir hier Fortschritte erzielen wollen.
Die Abgabe und Anwendung von Antibiotika mit restriktiven Vorgaben zu versehen, ist die eine Seite. Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Tiere erst gar nicht krank werden, ist die andere Seite. Ich glaube, hier haben wir noch viel zu tun. Beratung und eine risikoorientierte Überwachung durch eine Tiergesundheitsdatenbank, in der wir alle Befunde, die wir schon jetzt verbindlich erfassen müssen, zusammenführen, sind weitere Grundlagen. Die wichtigsten Aspekte für alle Beteiligten, auch in den Betrieben, sind allerdings Vertrauen und Transparenz. Damit gewinnen wir letztendlich auch das Vertrauen der Bevölkerung und der Konsumenten zurück, wenn es, wie ich es zum gegenwärtigen Zeitpunkt beurteile, infrage gestellt ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Kordula Schulz-Asche für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7010554 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Antibiotikaminimierung in der Medizin |