Susanne MittagSPD - Änderung des Vereinsgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Liste der verbotenen Motorradklubs der vergangenen Jahre ansieht, dann fühlt man sich leicht an den Geografieunterricht erinnert. Hier nur ein kleiner Auszug: 2012 Hells Angels MC Cologne, 2012 Hells Angels MC Berlin City, 2013 Hells Angels Bremen, 2016 Hells Angels MC Bonn. Es ginge beliebig so weiter. In den vergangenen 15 Jahren haben Landesinnenminister insgesamt zwölf sogenannte Charter der Hells Angels verboten. Und das sind nur die Fälle der Hells Angels. Es gibt noch ein paar andere; Bandidos, Gremium MC, Mongols MC, Satudarah MC habe ich noch nicht einmal erwähnt. Da gibt es jede Menge.
Was auffällt, ist, dass der anscheinend größte Unterschied zwischen den nun verbotenen Gruppierungen allenfalls der angehängte Ort ist. Ansonsten sind sie sich ähnlich. Aber Hells Angels nennen sich viele; die Strukturen sind identisch. Genau das ist das Problem, dem wir mit dem nun vorliegenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes begegnen wollen. Bisher musste gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung die Polizei im Bund und in den Ländern nachweisen, dass zum Beispiel die Bonner Hells Angels die gleiche Zielrichtung verfolgten wie die Rocker des bereits verbotenen Hells-Angels-Charter in Berlin. Das war für die Behörden äußerst schwierig und für die Rocker äußerst günstig.
Wir dürfen uns hier nicht von den Namen der Motorradklubs täuschen lassen. Das hat nichts mit Freiheit und Abenteuer zu tun. Das sind einfach nur knallharte Strukturen der organisierten Kriminalität. Ob Rotlicht, Drogen, Waffen oder Schutzgeld – es ist schon erwähnt worden –, überall sind diese kriminellen Vereinigungen dabei, und das seit Jahrzehnten. Einige der Mitglieder der angeblichen Motorradklubs haben nicht einmal einen Führerschein oder ein Motorrad – aber das nur nebenbei. Das macht sie nicht weniger gefährlich, zeigt aber deutlich auf, dass das Motorradfahren nicht im Fokus dieser vermeintlichen Vereine steht. Das angeblich so coole Image, das diesen Vereinen oft in der Öffentlichkeit zugeschrieben wird, trifft nicht einmal ansatzweise zu.
Im Jahr 2015 hat Innenminister de Maizière dem aus den Niederlanden stammenden Satudarah MC jede Tätigkeit in Deutschland untersagt und die deutschen Teilorganisationen des Vereins komplett verboten. Das war das erste Mal, dass ein Rockerklub als Ganzes in Deutschland verboten wurde. Das war ein sehr guter und wichtiger Schritt; denn Satudarah agierte nicht im luftleeren Raum, sondern versuchte ganz massiv, andere Reviere zu übernehmen. Daraus resultierten zum Teil sehr gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Gruppen, teilweise mit Todesfällen, aber das ist auch bei anderen Rockergruppen der Fall.
Die Leidtragenden – das möchte ich noch einmal erwähnen – sind oftmals die Polizisten, die zu diesen Auseinandersetzungen gerufen werden und sich dann dazwischenwerfen dürfen. Das führt oftmals zu sehr schwer Verletzten. Aber auch unbeteiligte Menschen, die zufällig getroffen werden, und Menschen im Umfeld dieser angeblichen Vereine, die das kriminelle Verhalten ertragen müssen, gehören zu den Leidtragenden. Das wird völlig unterschätzt. Das wollen wir nicht mehr.
Wir nehmen gerne die Anregungen des Bundesrates in unsere Beratungen auf. Wir werden prüfen, inwieweit wir den Gesetzentwurf mit Blick auf den Fall, dass ein Verein in Organisation und Tätigkeit über Bundesländergrenzen hinaus in Erscheinung tritt, noch konkreter ausgestalten können.
Auch wenn Verbote dieser Klubs nach Vereinsrecht wichtig und richtig sind, lösen sie natürlich nur die wahrnehmbaren Probleme. Man sieht den Schutzgelderpressern, Türstehern und Waffenschiebern dann natürlich nicht mehr an, dass sie von einem bestimmten Rockerverein kommen. Die Machtdemonstration findet dann nicht länger derart öffentlich statt, aber die Kriminellen verschwinden natürlich nicht einfach und ihre Netzwerke lösen sich auch nicht automatisch auf. Straftaten werden weiter begangen – das wissen wir –, aber eben nicht in Kutte, sondern in normaler Kleidung. Ein Allheilmittel ist das Verbot nicht, aber ein wichtiger und richtiger Schritt zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Da muss es mehrere Maßnahmen geben.
Gerade die Zahl der Straftaten in diesem Deliktsfeld der organisierten Kriminalität steigt seit Jahren an. Es ist richtig, dass wir die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr mit einem deutlichen Stellenaufwuchs zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus versehen haben. Wir haben Bundespolizei, BKA und die Nachrichtendienste gestärkt und werden das auch im Haushalt für das kommende Jahr tun. Leider bleibt dabei die Bekämpfung der organisierten Kriminalität immer ein klein wenig auf der Strecke, vor allem die Bekämpfung der sogenannten Alltags-OK, die es schon seit Jahren gibt. Dabei geht es um genau die Kriminalitätsfelder, in denen die Rockergruppen Straftaten begehen. Ich wünsche mir – das hat die Bundestagsfraktion der SPD im Innenausschuss schon sehr deutlich gesagt –, dass wir die Zahl der Stellen im BKA zur Bekämpfung dieser Alltags-OK endlich deutlich anheben.
(Beifall bei der SPD)
– Das ist nett. – Die Koordinierungsstelle OK braucht mehr Personal- und Sachmittel. Das muss ein ganz massiver Aufwuchs sein. Ich hoffe auf die Unterstützung.
Wir müssen und wollen das BKA in seiner Koordinierungsfunktion stärken, um in Zusammenarbeit mit den Ländern, die wir dann unterstützen können, gegen diese kriminellen Strukturen vorzugehen. Nur so schaffen wir es zum Beispiel in Flensburg, Kiel, Köln, Berlin, Bremen, Frankfurt, Bonn und sehr vielen anderen Städten in Deutschland, der organisierten Kriminalität entgegenzutreten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Kollegin Andrea Lindholz hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7010613 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Vereinsgesetzes |