Michael HennrichCDU/CSU - Krankenkassenbeiträge für Selbständige
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute zwei Anträge zum Thema „Krankenkassenbeiträge für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte“.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Zwei gute Anträge!)
Es geht um Selbstständige, und es geht um Menschen, die nicht pflichtversichert sind und keinen anderweitigen Anspruch auf Krankenversicherung haben. Beiden Gruppen ist gemeinsam – Sie sprachen es an –, dass es um Menschen mit niedrigem Einkommen geht.
Frau Klein-Schmeink, dieses Thema ist viel zu ernst, als dass man es wieder für Schaufensterreden oder sonst etwas benutzen darf; vielmehr sollte man sich der eigentlichen Thematik nähern.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch keine Schaufensterrede!)
– Stopp, lassen Sie mich doch ausreden. – Es geht um die Frage der individuellen Bezahlbarkeit; es geht aber auch um die Frage, wie wir das Gesundheitssystem insgesamt bezahlbar halten, also um die Frage der gerechten Finanzierbarkeit eines solchen Systems.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Genau!)
Beides – individuelle Bezahlbarkeit und gerechte Finanzierbarkeit – ist eng miteinander verknüpft, und wir suchen alle nach vernünftigen und praktikablen Lösungen.
Was ich am Antrag der Linken schade finde, ist – ich sage es ganz offen –, dass die Linken sich auf das Thema „niedrige Einkommen“ beschränkt haben und dass sie nicht dargelegt haben, wie ein fairer Interessensausgleich stattfinden kann,
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Steht drin!)
weil zu hohe Krankenversicherungsbeiträge Menschen mit niedrigem Einkommen, aber mittlerweile auch Menschen mit höherem Einkommen extrem belasten können. Frau Baehrens, Sie haben es vollkommen zu Recht angesprochen: Auch in der privaten Krankenversicherung gibt es solche Fälle, denen wir uns stellen müssen.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Richtig!)
Die Frage ist: Kann die Bürgerversicherung das Allheilmittel sein?
(Mechthild Rawert [SPD]: Auf jeden Fall eine sehr gute Medizin!)
– Stopp! – Ich glaube – das sage ich ganz offen –, dass wir bisher eine gute Lösung hatten.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Nein! Sie haben gar keine Lösung!)
Wir haben für die Privatversicherten eine Lösung, wir haben für die gesetzlich Versicherten eine Lösung, die vom Bundesverfassungsgericht übrigens abgesegnet wurde; über sie wurde verlautbart, dass sie richtig ist. Es wurde ja heute schon im Einzelnen dargelegt, wie die Mechanismen funktionieren, wie die Mindestbemessung bei schlechter Einkommenssituation auf 265 Euro bzw. 177 Euro reduziert wird.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Nicht alles, was nicht verfassungswidrig ist, ist auch richtig, Herr Kollege!)
– Stopp! Jetzt lassen Sie mich doch ausreden.
In § 240 SGB V ist geregelt, wie die Bemessung des Beitrags freiwillig versicherter Mitglieder erfolgt und wie er gegebenenfalls abgestaffelt wird. Wir haben da berücksichtigt, dass der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nicht angerechnet werden darf. Wir haben berücksichtigt, dass das an eine Pflegeperson weitergereichte Pflegegeld nicht herangezogen werden soll. Aber – das sage auch ich noch einmal – es geht auch darum, dass wir die, die dieses System heute mit ihren hohen Beiträgen stützen, nicht überfordern und dass wir auch da einen fairen Ausgleich schaffen.
Ich möchte einmal ein ganz spezielles Thema aufgreifen. Wenn wir Ihrem Antrag folgen würden, den Mindestbeitrag für freiwillig Versicherte auf 70 Euro zu reduzieren –
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Erst einmal!)
– 70 Euro; das steht in Ihrem Antrag –, dann haben wir dergestalt ein Problem, dass wir in einem gewissen Wertungswiderspruch stehen, da die Zuweisung des Bundes pro Arbeitslosengeld-II-Empfänger und pro Flüchtling 90 Euro monatlich beträgt. Wir Gesundheitspolitiker haben momentan alle ein Interesse daran, dass der Steuerzuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung für Arbeitslosengeld-II-Empfänger und Flüchtlinge erhöht wird. Wie soll ich das rechtfertigen, wenn dann der Eigenbeitrag bei 70 Euro für Solo-Selbstständige, für Rentnerinnen und Rentner – –
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Völliger Blödsinn!)
– Das ist nicht völliger Blödsinn.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Natürlich ist das völliger Blödsinn!)
Setzen Sie sich doch einmal ernsthaft mit dem Thema auseinander. Diese Frage bekommen Sie an diesem Punkt nicht gelöst.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Sie können auch 90 Euro nehmen! Aber jetzt ist es mehr!)
Im Kern geht es darum, dass wir das nur über Steuern lösen können. Wir müssen vernünftig schauen, dass wir das nicht nur sozusagen über das Krankenversicherungssystem regeln. Das steht für mich für solidarischen Ausgleich zwischen Gesund und Krank. Der Ausgleich zwischen Einkommensstarken und Einkommensschwachen findet im Steuersystem statt. Deswegen wäre eigentlich der richtige Ansatz – das haben Sie in Ihrem Antrag überhaupt nicht berücksichtigt –, dass wir schauen: Wie kriegen wir das über die Steuer vernünftig geregelt?
Ich möchte einen Punkt zum Schluss erwähnen, und zwar noch einmal zum Thema Bürgerversicherung. Mir kommen da die Worte der Bundeskanzlerin von vor, ich glaube, zehn Tagen in Erinnerung. Sie hat im Zusammenhang mit dem Satz „Wir schaffen das“ von einer Leerformel gesprochen. Beim Stichwort „Bürgerversicherung“
(Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
– den Eindruck habe ich – arbeiten und hantieren wir auch nur noch mit einer Leerformel.
(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Baehrens [SPD]: Wir schicken Ihnen das Konzept!)
Der Punkt, den ich erwähnen möchte, ist: Gestern wurde ein Gutachten vom Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums – ein SPD-geführtes Haus – veröffentlicht, und dieses hat nicht eine Bürgerversicherung favorisiert,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
sondern eine Prämie mit Steuerausgleich.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon vor Jahren gescheitert und vor allem abgewählt worden!)
Vielleicht wäre es an der Zeit, dass wir uns einfach mal von diesen Floskeln wegbewegen würden und versuchen, uns den Themen inhaltlich zu nähern.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7010643 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 194 |
Tagesordnungspunkt | Krankenkassenbeiträge für Selbständige |