Thomas HitschlerSPD - Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien und im Irak
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei den ganz vielen schrecklichen, traurigen und furchtbaren Bildern, die einen jeden Tag aus Aleppo erreichen, spürt man manchmal so ein Stück weit auch die eigene Hilflosigkeit als Abgeordneter. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass wir heute im Deutschen Bundestag noch einmal eine Debatte über die Lage dort führen können, um auch wieder darauf hinzuweisen, wie schrecklich es dort ist. Ich habe bei der Debatte, Kolleginnen und Kollegen, eines festgestellt: Uns eint tatsächlich alle eines, das ist der Wille auf Friede in diesem schlimm umkämpften Raum.
Die grauenvolle Situation in Syrien und im Irak zeigt sich dadurch, dass es nicht nur Kombattanten – Soldatinnen und Soldaten – sind, die in Kämpfe verwickelt sind, sondern auch Kinder und Alte – Menschen aus allen Schichten, deren Bilder wir jeden Tag über die Fernsehschirme flimmern sehen. Es ist ein schrecklicher Krieg, bei dem, so scheint es, alle Regeln des Völkerrechtes, so wie wir sie kennen, auch alle Regeln des Kriegsrechts aufgehoben zu sein scheinen. Es gibt und gab viele Versuche und Bemühungen, einen Friedensprozess einzuleiten. Wir stellen aber fest, dass viele dieser Versuche gescheitert sind. Wir stellen ferner fest, wenn wir auf Syrien blicken, dass wir – das ist für mich eine der furchtbaren Lektionen aus diesem Konflikt – eine Rückkehr zur Machtpolitik sehen. Kollegin Roth hat es gerade beschrieben. Wir sehen Einfluss aus vielen verschiedenen Ländern. Wir sehen, dass viele verschiedene Länder in einer Region um die Macht und um den Einfluss ringen. Das, Kolleginnen und Kollegen, macht die Situation so unfassbar komplex.
Viele Hoffnungen ruhen auch auf dem deutschen Außenminister. Ich will jetzt schon zum Ausdruck bringen, wie dankbar ich bin, dass Frank-Walter Steinmeier tagtäglich mit vielen Bemühungen unterwegs ist, um Frieden in diesem Raum zu schaffen. Meine guten Wünsche begleiten ihn – auch vom Deutschen Bundestag und aus dieser Sitzung, Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich habe für den heutigen Tag eine große Hoffnung, auch die hat Kollege Otte vorhin schon beschrieben. Wenn sich heute Merkel und Putin treffen, dann können wir eines feststellen: Der Schlüssel zur Lösung des Konflikts in Syrien liegt in Russland. Ich bin mir ganz sicher, dass die Lösung des Konflikts keine militärische Lösung sein kann, sondern nur eine politische sein darf. Deshalb lassen Sie uns von diesem Ort noch einmal ein starkes Signal in diese Richtung senden und sagen: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass es eine Lösung gibt.
Wenn ich, Kolleginnen und Kollegen, den Blick nach Mosul werfe, den Blick in den Irak werfe, dann stellt es sich mir so dar, als ob wir tatsächlich eine etwas andere Situation erleben. Wir merken, dass der „Islamische Staat“ bzw. Daesh stark geschwächt ist. Die finanziellen Strukturen sind aufgebrochen. Wir merken, dass die Ölverkäufe zurückgegangen sind. Wir merken, dass die Rekrutierung junger Kämpfer, die früher in großen Massen dorthin geströmt sind, weniger geworden ist. Wir stellen fest, dass unsere Anstrengungen und auch die Anstrengungen der internationalen Koalition Wirkung gezeigt haben.
An dieser Stelle will ich auch den deutschen Beitrag hervorheben. Kollege Otte hat vorhin kurz darauf rekurriert, dass wir den Peschmerga ausgebildet haben. Ich glaube, es hilft, die Zahlen noch einmal zu nennen. Wir haben 2 000 Peschmerga-Soldaten ausgebildet. Ich war im Juni vor Ort und habe bemerkt, dass es mittlerweile sehr viele sehr Junge und sehr viele sehr Alte sind, die dort in den Kampf geschickt werden. Es zeigt ein Stück weit den hohen Blutzoll, den der Peschmerga dort in seinem Freiheitskampf geleistet hat. Wenn wir heute dort ein Signal hinschicken wollen, dann ist es, glaube ich, ein Signal der Dankbarkeit, dass sie den Kampf angenommen haben und so erfolgreich Daesh, den „Islamischen Staat“, zurückgedrängt haben.
Ich will ein zweites Dankeschön schicken, Kolleginnen und Kollegen. Es geht an die Soldatinnen und Soldaten. Über 120 Mann leisten im Nordirak ihren Dienst neben den Pilotinnen und Piloten der Aufklärungsflugzeuge, neben den Besatzungen der Tanker, neben den Marinesoldatinnen und ‑soldaten auf der Fregatte. Ich glaube, sie haben ein großes Dankeschön von uns verdient.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Lage in Mosul ist allerdings wirklich schrecklich. Kollegin Roth hat vom zweiten Aleppo gesprochen. Das ist auch meine große Befürchtung. Wenn man sieht, mit welchen perfiden Maßnahmen sich der IS auf den Kampf vorbereitet – mit menschlichen Schutzschilden, mit Sprengfallen an allen Ecken und mit einer wirklich zermürbenden Häuserkampfstrategie –, dann werden wir alle gemeinsam darauf drängen müssen, dass die humanitäre Situation in Mosul nicht gleichzeitig die humanitäre Situation in Aleppo dupliziert. Wir werden dafür sorgen müssen, dass die Flüchtlinge, die aus Mosul herausströmen werden, eine gute Auffangsituation in den umgebenden Ländern haben werden. Ich habe mir bei Erbil ein Flüchtlingslager im Irak angesehen und habe bemerkt, wie schwierig es für die Region geworden ist, die großen Massen an Flüchtlingen aufzunehmen. Auch da ist eine Herausforderung für Deutschland, die Länder dabei zu unterstützen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir uns darüber Gedanken machen, was politische Lösungen sein könnten – das ist heute schon mehrfach gesagt worden –, dann wissen wir, dass es ausschließlich politische Lösungen sein werden, die gegen Ideologien wie die des IS beispielsweise helfen. Wir können militärisch dafür sorgen, dass aus einem symmetrisch agierenden Konflikt und aus einem symmetrisch agierenden Gegner ein asymmetrischer wird. Aber im Endeffekt wird die Ideologie nur darin bekämpft werden können, dass man eine Verbindung und eine politische Lösung zwischen Sunniten und Schiiten anstrebt.
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich mit einem Wunsch enden: Das ist meine Hoffnung für Frieden für diese ganze Region. Ich bin mir sicher, sie hat es verdient. Aber ich bin mir auch sicher, dass es objektiv in sehr weiter Ferne liegt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als nächster Redner hat Dr. Johann Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7018992 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 195 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Lage in Syrien und im Irak |