Bernhard DaldrupSPD - Bundesbeteiligung an den Kosten der Integration
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will die richtige Bilanz, die der Bundesfinanzminister eben vorgetragen hat, nicht wiederholen, sondern noch einmal darauf aufmerksam machen, dass das Wichtigste an diesem Gesetz zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Tatsache ist, dass wir in den nächsten drei Jahren ungefähr 20 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Hier den Eindruck zu erwecken, als wäre das nichts, ist schon eine ziemliche Dreistigkeit, wie ich finde. Das ist eine wichtige, notwendige und gute Entscheidung gewesen, die wir getroffen haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der zweite wichtige Punkt an diesem Gesetz ist – ich unterstreiche ausdrücklich das, was die Kollegin Gottschalck gesagt hat –, dass wir Wort gehalten haben – ich komme darauf zurück, Britta Haßelmann –, das heißt mit anderen Worten: Wir haben uns in dieser Großen Koalition als Anwalt der Kommunen verstanden, und wir haben die Maßnahmen gemeinsam auf den Weg gebracht. Das ist gut für die Kommunen und gut für die Länder, gut für Deutschland insgesamt. Das ist ein Erfolg unserer Arbeit, den wir uns nicht ohne Weiteres zerreden lassen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will noch einmal auf folgende Frage aufmerksam machen: Was war eigentlich unser Ausgangspunkt, und weshalb wollten wir den Kommunen helfen? Der Ausgangspunkt war Bedürftigkeit. Wir haben gesagt: Wir müssen Kommunen, die sich in einer finanziell prekären Situation befinden, helfen. Das ist nicht bei allen Kommunen in Deutschland so, sondern nur bei einem bestimmten Teil. Wir haben mittlerweile – das ist relativ unstreitig – in diesem Bereich eine Art Zweiklassengesellschaft.
Wir haben weiterhin drei Probleme: Wir haben zu hohe Sozialausgaben; meistens bundesgesetzlich verursacht. Wir haben eine Investitionsschwäche, Infrastrukturdefizite in erheblichem Umfang. Und wir haben ein Schuldenproblem bei den Kommunen mit gefährlich hohen Kassenkrediten. Das alles zusammen führt dazu, dass wir die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland insgesamt nicht so gewährleisten können, wie wir das wollen. Deshalb war Bedürftigkeit unser Ausgangspunkt, um Kommunen in prekären Finanzsituationen zu helfen. Das haben wir in der Vergangenheit mit einer großen Zahl von Maßnahmen gemacht, wie das eben vorgetragen worden ist. Es kann sein, dass Mittel nicht schnell genug abfließen; darauf hat der Finanzminister hingewiesen. Wenn wir Hilfestellungen zum Beispiel im Personalbereich geben können, dann ist das gut.
Ich will an dieser Stelle noch einmal auf den Kernpunkt unserer Koalitionsvereinbarung eingehen, nämlich die 5 Milliarden Euro Entlastung, und darauf aufmerksam machen, dass wir zusätzlich eine Integrationspauschale in Höhe von dreimal 2 Milliarden Euro eingeführt haben, die die Länder so verwenden können, wie sie es für richtig halten. Es wäre besser, wenn in der Vereinbarung zwischen Ländern und Bundesregierung stehen würde, dass daran auch die Kommunen beteiligt werden müssen, Herr Brinkhaus, als wenn dort stehen würde, es stünde den Länderhaushalten zur Verfügung. Das nur einmal am Rande. Aber ich finde, diese pauschale Unterstützung, Britta, ist ein vernünftiger Ansatzpunkt, weil die Kommunen selber immer nach einer solchen Integrationspauschale gerufen haben.
Das, was Frau Dağdelen vorgetragen hat, finde ich, ehrlich gesagt, völlig grotesk. Vor dem Hintergrund der Kosten in Höhe von 18 Milliarden Euro für diesen gesamten Bereich in 2016, aufsteigend in den kommenden Jahren, vor dem Hintergrund, dass die Mittel für die Integrationskurse von 204 Millionen Euro auf über 500 Millionen Euro aufgestockt worden sind, zu sagen, man würde in diesem Bereich nichts tun, ist einfach nicht richtig; es ist einfach falsch.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Die Tatsache, dass wir 2,6 Milliarden Euro flüchtlingsbedingte KdU übernehmen, die Tatsache, dass wir zweimal 500 Millionen Euro für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen, das alles macht in der Summe 20 Milliarden Euro aus. Wir stehen zu unserem Wort.
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
– Die Bundeswehr ist nicht Teil der Kommunalpolitik, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf. Nur weil wir etwas für die Bundeswehr tun, soll das, was wir für die Länder tun, nicht in Ordnung sein? Was ist das denn für eine Auffassung? Das, was Sie sagen, ist doch absurd.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die haben keine anderen Argumente! Das ist das Problem!)
Ich will an dieser Stelle noch einmal auf den Verteilungsmechanismus zu sprechen kommen. Es ist mir auch wichtig, dass die 1 Milliarde Euro, die über die Länderhaushalte verteilt werden soll, im weiteren Gesetzgebungsverfahren hinterfragt werden soll. Wir sollten nicht eine Erwartung an die Länder formulieren, die nicht eingelöst werden kann. Das sollten wir ändern. Ich glaube, wir können das auch ändern. Das ist ein vernünftiger Gesichtspunkt.
Wir sollten uns tatsächlich die Frage stellen: Warum werden 2,4 Milliarden Euro über den Umsatzsteueranteil und nur 1,6 Milliarden Euro über erhöhte KdU, also über den Sozialindikator, verteilt? Die Wirkungen entsprechen nämlich nicht unserem Ziel „Hilfe nach Bedürftigkeit“. Das kann ich Ihnen gerne nachweisen. Wir stärken auf diese Art und Weise diejenigen mit hohen Gewerbesteuereinnahmen, die Schwächeren werden geschwächt. Frankfurt beispielsweise bekommt auf der Grundlage des derzeitigen Schlüssels von den 4 Milliarden Euro 127 Euro pro Einwohner, Oberhausen 64 Euro, Düsseldorf 102 Euro, Trier – eine der zehn höchstverschuldeten Städte in Deutschland – gerade einmal 48 Euro. Das heißt mit anderen Worten: Das ist nicht in Ordnung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen hier nicht auf die Länder gucken, sondern auf die Kommunen, und wir müssen diesen Sachverhalt ändern. Einen wirklichen Nutzen erfahren die Menschen erst, wenn sich die Situation bei den Kitas und der sonstigen Infrastruktur verändert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Hier stellt sich also die Frage, warum wir diesen Verteilungsschlüssel eigentlich wählen.
Wollten Sie sich bei mir vergewissern, Herr Kollege, ob ich bemerkt habe, dass Ihre Redezeit überschritten ist?
Nein, ich wollte das selbstverständlich nicht, sondern wollte vorbeugend darauf aufmerksam machen, dass ich es schon selber wahrgenommen habe.
(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Noch schöner wäre, wenn Sie es berücksichtigen könnten.
(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich verfolge jetzt ganz zielgerichtet die Absicht, das zu berücksichtigen,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wenn Sie mir freundlicherweise gestatten, noch einen Satz zu sagen, der bei der Angelegenheit, bei dem Thema wichtig ist.
Diesen Verteilungsschlüssel gibt es deshalb, weil wir bei einer stärkeren Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit in Konflikt mit einer verfassungsrechtlich gebotenen Verwaltungszuständigkeit kommen. Es darf eigentlich nicht sein, meine Damen und Herren, dass die Hilfe für Kommunen in einer Notsituation daran scheitert, dass wir eine Verfahrensgrenze – Bundesauftragsverwaltung – erreichen. Da muss der Maßstab sein, die Hilfe für die Betroffenen zu stärken. Leider kann ich das jetzt nicht mehr im Einzelnen ausführen, ohne mich der Gefahr auszusetzen, dass der Präsident noch einmal eingreift.
Völlig richtig.
Insofern bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich will damit abschließen, zu sagen: Wir zeigen Verantwortung, wir nehmen sie wahr, wir halten in dieser Angelegenheit Wort, und ich glaube, wir haben genug Selbstbewusstsein, sie auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu zeigen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Anja Hajduk erhält nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019333 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Bundesbeteiligung an den Kosten der Integration |