Eckhardt RehbergCDU/CSU - Bundesbeteiligung an den Kosten der Integration
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Bund entlastet Länder und Kommunen in einem historischen Ausmaß. All denjenigen, die heute den Bund kritisiert haben, empfehle ich, den Bericht des Bundesrechnungshofs zum Haushalt 2017, und zwar die Seiten 24 und 25, zu lesen. Dort hat der Bundesrechnungshof unter der Überschrift „Entlastung von Ländern und Kommunen“ aufgelistet, dass diese um 73 Milliarden Euro entlastet werden, allein in diesem Jahr um zusätzlich über 10 Milliarden Euro. Frau Kollegin Haßelmann, auch im Jahr 2015 gab es eine Soforthilfe des Bundes für die Integration der Flüchtlinge in Höhe von 2 Milliarden Euro. Das heißt, der Bund hat an dieser Stelle sofort gehandelt. Ihren Vorwurf weise ich zurück.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lassen Sie mich einen zweiten Punkt ansprechen. Bundesfinanzminister Schäuble und auch Ralph Brinkhaus haben darauf hingewiesen – ich will das noch einmal kontrastieren –: Aktuell sieht die gesamtstaatliche Steuerverteilung beim Mischsteuersatz so aus: 44 Prozent bekommt der Bund und 56 Prozent bekommen die Länder und Gemeinden. Aufgrund der in den nächsten vier Jahren zu erwartenden Steuermehreinnahmen verschiebt sich die Verteilung hin zu 40 Prozent für den Bund und 60 Prozent für die Länder und Gemeinden. Das heißt, die Anteile an den Steuereinnahmen – ich war nie ein großer Freund davon, das über Umsatzsteuerpunkte zu regeln; darauf gehe ich noch ein – werden sich in den nächsten Jahren massiv weiter zugunsten der Länder und der Kommunen verschieben. Das muss auch bei diesem 5-Milliarden-Euro-Paket und bei den Integrationsleistungen, die der Bund für die Länder und Kommunen bezahlen will, berücksichtigt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in dieser Legislaturperiode – Herr Kollege Daldrup, 20 Milliarden Euro sind es in diesem Paket; das ist richtig – den Ländern und Kommunen 80 bis 90 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stellen als in der letzten Legislaturperiode. Insgesamt sind es in diesem Jahrzehnt fast 200 Milliarden Euro, wenn ich das Jahr 2010 zum Vergleich heranziehe. Es gibt kein Jahrzehnt, in dem der Bund die Länder und Kommunen so stark entlastet hat wie in dieser und der letzten Legislaturperiode. Wir stehen aber vor einer ganz gravierenden Herausforderung; mehrere Redner haben darauf hingewiesen. Deshalb muss das Geld, das politisch für Kindertagesstätten, den sozialen Wohnungsbau und für die Integration von Flüchtlingen vereinbart worden ist, auch in den Kommunen ankommen. Das ist sachlich geboten. Dort gehört es hin.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich bin mir mit meinen Vorrednern darüber einig, dass für uns – ich meine damit den gesamten Bundestag – viel Arbeit ansteht, wenn wir im Rahmen der Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen das vereinbaren – ich nenne das einmal eine „Liste B“ –, worüber wir am Donnerstag und Freitag der vergangenen Woche gesprochen haben. Ich glaube, wir müssen alle ein Interesse daran haben, dass der Bundesrechnungshof wieder kontrollieren kann. Frau Kollegin Hajduk, es war übrigens das Bundesverfassungsgericht, das mit einem Beschluss aus dem Jahr 2010 dem Bundesrechnungshof die Werkzeuge aus der Hand geschlagen hat, nachdem fünf Länder geklagt haben. Das heißt, wir müssen eine Grundgesetzänderung vornehmen, damit wieder kontrolliert werden kann.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Ich halte eine Steuerung und eine Kontrolle der Mittel, die der Bund an die Länder durchreicht, für zwingend geboten – die Länder haben bei den Finanzen die Verantwortung, die Zuständigkeit für die Kommunen –, damit die Bund-Länder-Beziehungen wieder in die Waage gebracht werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Gottschalck [SPD] – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da unterstützen wir Sie!)
Man kann die Verteilung der 4 Milliarden Euro kritisieren. Mecklenburg-Vorpommern ist bekanntlich kein finanzstarkes Land, hat dennoch im Gegensatz zu anderen im Koalitionsvertrag vereinbart, dass von den Überschüssen drei Viertel zur Schuldentilgung genutzt werden und ein Viertel für die Kommunen verwendet werden. Mecklenburg-Vorpommern tilgt übrigens seit zehn Jahren Schulden. Gelegentlich sollten sich andere Länder ein Beispiel daran nehmen und das Geld nicht für irgendwelche Dinge verpulvern, die nicht nachhaltig und vernünftig sind. Wer hier sagt: „Ich will einen höheren Anteil an den Mitteln für die Kosten der Unterkunft haben“, der muss auch sagen: Ich will eine Grundgesetzänderung. – Anders geht das nicht. Wer das will, muss an dieser Stelle auch sagen, dass dieser Grundgesetzänderung auch zwei Drittel des Bundesrates zustimmen müssen. – Das ist die Konsequenz. Dabei wünsche ich viel Vergnügen. Ich bin da durchaus dabei.
Für mein Bundesland bedeutet die Verteilung von 1 Milliarde Euro nach KdU 30 Millionen Euro, von 1 Milliarde Euro nach Umsatzsteuer 14 Millionen Euro, und nach dem Königsteiner Schlüssel – darauf will ich noch einmal eingehen – heißt 1 Milliarde Euro 20 Millionen Euro. Auch der Königsteiner Schlüssel ist nicht zwingend dazu geeignet, finanzschwache Kommunen und finanzschwache Länder hinsichtlich des Ziels der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ausgleichend zu behandeln, so sage ich es einmal.
Ich persönlich versperre mich da keiner Diskussion. Im Zusammenhang mit dem Kommunalinvestitionsprogramm ist mancher Kollege zu mir gekommen und hat gefragt: Eckhardt, warum kriegen die Steuerstarken mehr als die Steuerschwachen? – Für mich sind aber Kassenkredite – ich wiederhole das, was ich gestern im Haushaltsausschuss gesagt habe – kein Maßstab für die Finanzschwäche von Kommunen.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht alle!)
Sie können nämlich zwei wesentliche Gründe haben: Es kann sein, dass die Rechtsaufsicht – sprich: das Innenministerium – versagt hat und die Zügel zu locker gelassen hat. Es kann aber auch anders sein. Das hat der Kollege Mattfeldt in einem Zwischenruf deutlich gemacht: Nicht immer liegt die Ursache für eine Finanzschwäche der Kommunen in der Strukturschwäche, sondern manchmal auch in falschem kommunalpolitischen Handeln.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber das hilft doch nichts!)
Dafür kann, sollte und darf man den Bund nicht in Haftung nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist es aber nicht allein, und das wissen Sie auch!)
Das können wir aus meiner Sicht nicht machen.
Ich will noch auf einen weiteren Punkt eingehen, den ich mit Blick auf die Anhörung zu diesem Gesetzespaket für wichtig halte. Wir können uns im Bund so viel bemühen, wie wir wollen, möglicherweise auch die Rechte des Bundesrechnungshofes stärken, aber es gibt einen Punkt, bei dem wir alle in allen 16 Ländern gefordert sind: Es gibt heute kommunale Finanzausgleichssysteme, bei denen per Gesetz die zusätzlichen Finanzmittel, die die Kommunen erhalten, über Vorwegabzüge wieder in die Landeskasse fließen. Ich habe dabei drei Länder im Kopf – ich behalte sie einmal für mich –, von denen ich es definitiv weiß, mit ganz unterschiedlichen parteipolitischen Farben.
(Zuruf von der SPD: Nennen Sie sie!)
Deshalb ist es, Kollege Daldrup – auch Ingbert Liebing spreche ich ganz direkt an –, auch eine Aufgabe der Kommunalpolitik, dafür zu sorgen, dass diese Mechanismen aufgelöst werden.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So ist es!)
Denn wenn wir sie nicht auflösen, haben wir im Bund nichts gewonnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Steffen [SPD])
Eine letzte Bemerkung an dieser Stelle: Es geht mir nicht darum, dass Bundestagsabgeordnete nicht zu Kita- oder Schuleröffnungen nach erfolgter Sanierung eingeladen werden; das ist überhaupt nicht mein Thema. Aber ich erlebe fast nie, egal ob das bei mir zu Hause ein CDU- oder ein SPD-Minister ist, dass darauf hingewiesen wird, dass der Bund zu 90 Prozent, zu 50 Prozent oder zu 10 Prozent Geld dazugegeben hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Josip Juratovic [SPD]: Sehr richtig!)
Das Dreisteste, das ich erlebt habe – die Wahlen sind bei uns vorbei –, war, dass der jetzige Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Brodkorb, in Rostock groß plakatiert hat, der Hochschulbau sei seine ganz eigene Finanzierungssache gewesen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die SPD-Fraktion erhält der Kollege Martin Gerster das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019336 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Bundesbeteiligung an den Kosten der Integration |