20.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 196 / Tagesordnungspunkt 4

Georg NüßleinCDU/CSU - Bezahlbares Wohnen

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Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Frau Katrin Göring-Eckardt, wenn man Ihren Antrag an dieser Stelle bewerten soll, dann ist das Wort „würdigen“ dafür ein zu positives Wort. Positiv fällt mir zu diesem Antrag immerhin ein, dass uns alle hier im Haus die Sorge eint, wie wir zu mehr, bezahlbarem und, wenn Sie so wollen, gern auch zu klimafreundlichem Wohnraum kommen. Das halte ich für einen ganz wichtigen und ganz breiten Ansatz. Wenn nun der Regierende Bürgermeister von Berlin meint, er müsse sich die Anregungen dazu in Ecuador holen, dann ist das schön, und wir nehmen das zur Kenntnis.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich hoffe aber, meine Damen und Herren, dass der Lösungsansatz, den er mitbringt, ein bisschen breiter ist als das, was Sie in Ihrem Antrag als Perspektive eröffnen. Sie verengen nämlich die Sichtweise sehr stark. Das geht los mit der Frage: Wo soll gebaut werden? Da beziehen Sie sich ausschließlich auf die Metropolen, auf die Megastädte, wie Sie sie vorhin genannt haben. Diese sind in Deutschland nicht ganz so zahlreich. Tatsächlich haben wir auch ein Wohnungsproblem in den kleineren Städten und teilweise im ländlichen Raum. Auch das wollen wir an dieser Stelle einmal direkt ansprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, so ist es! Aber Sie müssen ja was dagegen machen!)

Sie verengen Ihre Sichtweise auch in der Frage: Wer soll bauen? In Ihrem Antrag gibt es zwei Akteure. Vorrangig ist das der Staat, und an zweiter Stelle sind das die Genossenschaften.

(Klaus Mindrup [SPD]: Richtig!)

Nun muss ich Ihnen sagen: Was den Staat angeht, haben wir bereits – Stichwort „sozialer Wohnungsbau“ – ein massives Staatsversagen hinter uns. Wir haben gesehen, was der Staat macht: Die Länder haben Geld für den Wohnungsbau bekommen, dieses aber für etwas ganz anderes eingesetzt als dafür, wofür wir es uns vorgestellt haben.

Nun tragen Sie das Thema Gemeinnützigkeitsbindung quasi als Monstranz vor sich her. Mir stellt sich die Frage, wer unter dieser Voraussetzung tatsächlich investieren soll. Am Schluss braucht ein Bau Investoren; das ist absolut klar. Da sind aus unserer Sicht gerade private Investoren notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit Jahren sagen Sie das!)

– Ich komme gleich darauf.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja zwölf Minuten!)

Selbst der altruistischste Investor wird am Schluss von Zinsen und von einer Abschreibung profitieren wollen. Nun ist die Situation bei den Zinsen momentan ein bisschen einfacher. Aber dieser Niedrigzins wird durch steigende Baupreise überkompensiert. Auch das mit der Abschreibung ist so eine Sache. Der tatsächliche Abschreibungssatz müsste angesichts dessen, was wir momentan an Technik verlangen – darauf komme ich nachher beim Stichwort „Klimaschutz“ zu sprechen –, erheblich höher als das sein, was man den Anlegern mit 2 Prozent momentan steuerlich zubilligt.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Fraktion stellt denn den Finanzminister?)

Dann geht es mit der Frage weiter: Unter welchen Bedingungen soll investiert werden? Das ist gerade Ihr Einwand gewesen. Da geht es mit dem Thema „teures Bauland“ los. Ich sage Ihnen ganz offen: Meine Erfahrung ist, dass der Aufschrei vieler Beteiligten, insbesondere auch von den Grünen, groß sein wird, sobald wir über Arrondierungen im Innenbereich bzw. über die Frage reden, wie wir mehr Bauland ausweisen können.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das Thema nicht verstanden!)

Da sind Sie nämlich in einem Konflikt, meine Damen und Herren. Natürlich ist das letztlich auch Landschaftsverbrauch. Das wird doch gar nicht anders gehen. Wenn Sie mehr Bauland ausweisen, müssen Sie natürlich auch in Teilen in den Außenbereich gehen. Wohlgemerkt: Wir wollen das tun. Allerdings ist das angesichts derjenigen, die uns aus Gründen des Umweltschutzes daran hindern wollen, ein schwieriges Unterfangen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bauland ist auch deshalb teurer, weil die Grunderwerbsteuern hoch sind. Auch da könnten Sie fragen, wer daran schuld ist, in welchen Ländern sie besonders hoch sind und ob Sie vielleicht in der jeweiligen Landesregierung dieser Länder vertreten sind. Ich empfehle Ihnen dringend, sich das einmal anzuschauen; dann können Sie an der Stelle etwas ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal zu den Vorschlägen in unserem Antrag! Zu den Einzelpunkten in unserem Antrag, zum Beispiel zur Wohnungsgemeinnützigkeit! Sagen Sie doch mal, wie die CDU dazu steht!)

– Ich sage etwas zu der nächsten Frage, nämlich wie man weiteres Bauland gewinnen kann. – Wir haben derzeit die Problematik, dass aufgrund von fehlenden Reinvestitionsmöglichkeiten die Eigentümer von Bauland nicht verkaufen. Denen muten wir zu, dass, wenn sie es tatsächlich tun, erst einmal der Fiskus kassiert, und zum Schluss haben sie das Geld, können es aber nicht reinvestieren.

Deshalb meinen wir, dass es eine intelligente Variante wäre, darüber nachzudenken, ob man den Grundstücksbesitzern nicht die Chance eröffnen sollte, steuerfrei in Mietobjekte zu investieren, wenn sie Bauland verkaufen. Das halte ich für einen zielführenden Ansatz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie uns über solche Dinge reden statt über theoretische Gedankenspiele zur Gemeinnützigkeit. Es gab schließlich einen Grund, warum man sie abgeschafft hat, nämlich die Tatsache, dass die Fehlbelegung zum Schluss ein hohes Ausmaß angenommen hatte und dass sie bei weitem nicht den erwünschten Erfolg gebracht hat.

Es ist sinnvoller, zur Subjektförderung via Wohngeld überzugehen und diejenigen, die Miete zahlen müssen, so zu fördern, dass sie dies tun können, statt den von Ihnen vorgeschlagenen Weg zu gehen, jetzt wieder ein neues Etikett zu vergeben und Gemeinnützigkeit einzuführen, wenn am Ende ganz andere in diesen Wohnungen wohnen, als eigentlich beabsichtigt war. Wem hilft denn das, meine Damen und Herren? Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Katrin Göring-Eckardt hat vorhin die Baukostensenkungskommission angesprochen. Sie haben recht: Kommissionen sind das eine, und das, was wir dann in der Politik diskutieren, ist das andere. Dabei spielt das Thema Klimaschutz eine ganz hervorragende Rolle, allerdings nicht im positiven Sinne.

Klimaschutz ist ein eminent wichtiges Thema. Aber wir sind auf dem besten Wege, ihn zu nichts anderem als zu einem Kostentreiber zu machen. Das ist mir zu wenig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Weil diese Bundesregierung nichts dazu tut!)

– Hören Sie einmal zu! Das ist viel wichtiger; dann lernen Sie etwas.

Nehmen wir die Zusammenführung von EnEV und EE-Wärmegesetz.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Wann kommt denn das?)

– Hören Sie zu! Schauen Sie sich die derzeitige Realität im Neubau an! Wir bauen massiv isolierte, faktisch luftdichte Gebäude. À la bonne heure: Dagegen ist nichts einzuwenden. Dann sagt man aber: Du musst eine immens teure aufwendige Heizung installieren, um an den wenigen Tagen, an denen du sie wirklich brauchst, dieses Gebäude heizen zu können. – Wie passt denn das zusammen?

Beim Thema Sanierung sind wir an demselben Punkt. Auch dazu gibt es Forderungen, die Standards weiter anzuheben. 120-Prozent-Sanierung sage ich dazu. Dem Klima würde man mehr helfen, wenn viele Wohnungen teilsaniert würden, statt nur einige wenige nach allerhöchstem Standard sozusagen zu 120 Prozent zu sanieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diesen Weg muss man gehen, und so muss man aus meiner Sicht den Klimaschutz sehen. Angesichts der komischen Diskussion über das Thema „angemessene Wirtschaftlichkeit“, die viele Ihrer grünen Länderminister an dieser Stelle beginnen, frage ich mich: Was soll das? Wenn man erst einmal über die Frage diskutieren muss, was „angemessen“ ist, muss man das Ganze letztlich gar nicht diskutieren.

Das Allerschönste ist, dass Sie schreiben: Wenn es nicht wirtschaftlich ist, soll der Staat einspringen und das Ganze fördern. – Wer diskutiert denn dann? Wer denkt denn an der Stelle überhaupt noch über die Frage der Wirtschaftlichkeit nach?

Ich glaube, dass das ein falscher Ansatz ist, meine Damen und Herren. So wird Klimaschutz nicht funktionieren. Klimaschutz muss etwas sein, das wir mit Technologieoffenheit und Innovationsfreude angehen und bei dem wir bereit sind, etwas zu bewegen, gerne auch im Baubereich. Wir müssen aber aufhören, die Trauben immer höher zu hängen, bis keiner mehr hochspringt. Das ist doch der Weg, den wir zurzeit beschreiten. Bei jeder Gelegenheit – bei der Zielsetzung angefangen bis hin zu den Maßnahmen – hängen wir die Trauben ein Stück höher und wundern uns, wenn sich zum Schluss keiner mehr bemühen wird, überhaupt noch daranzukommen. Investitionsattentismus werden Sie am Schluss mit solchen Anträgen erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie die Sanierung?)

– Eng? Ich merke doch, dass sie eng sind. Sie hören nicht zu.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das, was Sie erzählt haben, hat nichts mit der Realität zu tun!)

– Sie hören nicht zu. Wir diskutieren dann über die Frage: Was soll oder – ich sage das in Ihrem Jargon – was darf denn gebaut werden?

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie doch mal ein Beispiel!)

Auch da sind Sie eng. Sie sagen: nur der Niedrigstandard im Mietwohnungsbau, allerdings bei hohem Klimaschutzstandard – billig, billig, billig.

Ich sage Ihnen: Auch der Bezug einer besser ausgestatteten Mietwohnung sorgt am Schluss dafür, dass eine andere Mietwohnung frei wird. Die Leute haben doch vorher auch irgendwo gewohnt.

Das Gleiche gilt für das Eigenheim. Kein einziger Satz findet sich in Ihrem Antrag zum Thema Eigenheim, obwohl Deutschland dabei einen immensen Nachholbedarf hat. Wir haben eine Eigenheimquote von 53 Prozent. Frankreich liegt bei 65 Prozent, Italien bei 73 Prozent. Wir täten gut daran, uns auch mit Blick auf das Thema Alterssicherung darüber Gedanken zu machen, wie mehr Menschen zu eigenen vier Wänden kommen. Das ist, meine Damen und Herren, ein Grundbedürfnis der Menschen. Wir sollten etwas dafür tun, dass sie das befriedigen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Stattdessen – da nehme ich die Schuld durchaus auf uns – haben wir in der letzten Großen Koalition die Eigenheimzulage abgeschafft. Das war aus meiner Sicht ein fataler Fehler. Wir müssen jetzt wenigstens darüber reden, wie man mit der Wohnungsbauprämie verfährt, die auf Uraltdaten basiert. Wir sollten auch darüber reden, ob man gezielt mit Baukindergeld einen Beitrag dazu leisten kann, dass sich junge Familien wenigstens im ländlichen Raum, wo es geht, ein eigenes Heim leisten können. Das sollten wir tun.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer stellt denn den Finanzminister? Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)

– Jetzt brüllen Sie doch nicht die ganze Zeit. Wer die ganze Zeit brüllt, hat Unrecht, Herr Kollege.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist ein Zwischenruf! Das ist parlamentarischer Brauch! – Gegenruf von der CDU/CSU: „Pöbeln“ heißt das!)

Fazit der Geschichte ist: Staatliche Regulierung gibt es in Deutschland genug. Anträge, die nur staatliche Regulierung fordern, sind überflüssig. Denn daran haben wir, meine Damen und Herren, in diesem Land nun wirklich keinerlei Mangel.

Auch Markteingriffe machen das nicht besser. Frau Katrin Göring-Eckardt hat vorhin das Thema Mietpreisbremse angesprochen, die sich aus ihrer Sicht nicht rentiert. Ich habe sie – das sage ich ganz offen – nicht gewollt und nicht gebraucht.

(Sören Bartol [SPD]: Dass Sie das noch einmal sagen! Wer ist schuld an der Verzögerung?)

Ich bin eher in Sorge gewesen, dass aus der Mietpreisbremse eine Investitionsbremse wird. Das haben wir immerhin an der Stelle verhindern können.

(Sören Bartol [SPD]: Genau!)

Es wird tatsächlich gebaut – auch in den Metropolen.

(Sören Bartol [SPD]: Das wird im Protokoll so ausgedruckt!)

Wir brauchen – da werden wir in der Tat mit dem Finanzminister reden müssen – steuerliche Rahmenbedingungen, wie ich sie angemahnt habe, beim Thema Bauland und bei den Abschreibungen. Dort sind 2 Prozent zu wenig. Man braucht mindestens 3 Prozent, um die ökonomische Realität abbilden zu können.

Mir geht es darum, das Thema nicht auf Brennpunkte zu verengen – auch nicht bei steuerlichen Förderungen. Denn wäre dies der Fall, würden wir Feuer mit Öl bekämpfen. Das wäre falsch. Klimaschutz ist wichtig, lässt sich aber nur mit guter Technik und mit dem Blick fürs Ganze machen. Der fehlt Ihnen, meine Damen und Herren. Deshalb wird uns dieser Antrag ebenso wenig wie Sie weiterbringen.

In diesem Sinne sage ich vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rede hat uns auch nicht weitergebracht! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Caren Lay das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7019348
Wahlperiode 18
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Bezahlbares Wohnen
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