Kai WegnerCDU/CSU - Bezahlbares Wohnen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Staatssekretär hat zur Verantwortung von Bund und Ländern bereits das Richtige gesagt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, der Bund hat Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung übernommen. Ich würde mir wünschen, dass wir – auch Sie –, statt wohlfeile Anträge an den Deutschen Bundestag zu formulieren, gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die Länder – auch die Länder, in denen Sie Verantwortung tragen – dieses Geld zielgerichtet für die soziale Wohnraumförderung verwenden, statt es in Haushaltslöchern versickern zu lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Frau Lay, Sie sprachen von Jahrhundertfehlern. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auch den Fehler als Jahrhundertfehler bezeichnet hätten, den Ihre Partei, als sie in Berlin in Regierungsverantwortung war, zu verantworten hat. Sie waren es nämlich, die die größte staatliche Wohnungsbaugesellschaft in Berlin privatisiert haben. Da das noch nicht reichte, haben Sie sie gleich noch an die Börse gebracht, Frau Lay. Das ist Praxispolitik der Linken in den Ländern, und es ist unredlich, wenn Sie das hier anders darstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Kollege Wegner, darf ich Sie kurz unterbrechen? Die Kollegin Lay hätte eine Zwischenfrage an Sie. Gestatten Sie diese?
Sehr gerne. Vielleicht bezeichnet sie das dann ja auch als Fehler.
Bitte schön.
Herr Kollege, selbstverständlich. Das habe ich immer gesagt. Das haben auch andere Rednerinnen und Redner dieser Fraktion hier immer wieder gesagt. Dieser Verkauf in Berlin war ein Riesenfehler. Das muss man unumwunden zugeben. Da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren. Ich muss mich, ehrlich gesagt, aber etwas wundern, warum Sie als Vertreter der Union das hier jetzt so hochziehen. Geben Sie mir erstens darin recht, dass die extreme Haushaltsnotlage des Landes Berlin damals vorwiegend durch die Große Koalition, vor allen Dingen durch das Agieren der Union, verschuldet war? Geben Sie mir zweitens recht, dass es die Union war – damals in der Opposition –, die die rot-rote Regierung wegen des Haushalts verklagt hat? Geben Sie mir drittens recht, dass es Ihre Partei war, die in Berlin gefordert hat, sämtliche staatlichen Wohnungsunternehmen zu privatisieren? Finden Sie nicht auch, dass derjenige, der im Glashaus sitzt, nicht Steine auf andere werfen sollte?
(Beifall bei der LINKEN)
Dann habe ich ja Glück, dass ich nicht im Glashaus sitze. Glauben Sie es mir: Ich bin seit vielen Jahren Mitglied der Berliner CDU und war in unterschiedlichen Funktionen tätig. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem die Berliner CDU die komplette Privatisierung aller staatlichen Wohnungsbaugesellschaften gefordert hat, Frau Lay.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Dann kann ich Ihnen das noch mal vorlesen! Das war Ihre Position!)
Ganz im Gegenteil: Die Privatisierung der größten staatlichen Wohnungsbaugesellschaft in Berlin ist in Ihrer Regierungszeit beschlossen und vollzogen worden.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Sie haben gesagt, dass es nicht reicht!)
Das haben wir als Union im Übrigen sogar kritisiert, Frau Lay.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Sie haben gesagt: Es reicht nicht aus!)
Das gehört zur Wahrheit, und es ist unredlich, etwas anderes zu behaupten.
(Caren Lay [DIE LINKE]: „Es reicht nicht aus“ war Ihre Position! Auch die der Grünen!)
– Man ist halt getroffen, wenn man den Spiegel vorgehalten bekommt und der Wahrheit ins Auge sehen muss, nämlich wie man in den Ländern Verantwortung trägt und hier andere Anträge formuliert. Von daher, Frau Lay, nehme ich das so zur Kenntnis.
Meine Damen und Herren, diese Große Koalition wird sich mit Nachdruck weiter dafür einsetzen, dass für alle Menschen Wohnraum in Deutschland zur Verfügung steht – für alle Menschen, in allen Stadtvierteln, auch bezahlbarer Wohnraum. Wir haben da einiges erreicht und einiges erledigt. Ich sage nicht, dass wir schon fertig sind. Wir haben noch vieles vor uns. Aber wir haben die Mittel für die soziale Wohnraumförderung deutlich erhöht und diskutieren, sie in den nächsten beiden Jahren nochmals um 500 Millionen Euro zusätzlich zu erhöhen. Das ist eine Kraftanstrengung. Diese Regierung, diese Koalition sieht aber die Verantwortung, die wir haben. Aber noch einmal: Ich erwarte von den Ländern, dass sie nicht immer nur nach Geld rufen, sondern diese Mittel dann auch passgenau einsetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben das Leistungsniveau des Wohngeldes deutlich angehoben, um einkommensschwache Haushalte bei den Wohnkosten schnell, wirkungsvoll und treffsicher zu entlasten.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vollkommen verpufft!)
Ja, wir haben das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen ins Leben gerufen und die Maßnahmen identifiziert, die zu mehr Wohnungsbau führen sollen.
Ja, wir haben auch die Mietpreisbremse eingeführt, damit Menschen nicht aus ihren angestammten Wohnvierteln verdrängt werden. Wir haben aber schon immer gesagt – auch ich habe das schon immer gesagt –: Eine Mietpreisbremse, so sinnvoll sie auch sein mag, schafft keine einzige neue bezahlbare Wohnung, meine Damen und Herren. Auch das gehört zur Wahrheit.
Wir werden einen Investitionspakt für die soziale Integration im Quartier auflegen und die Fördermittel für die Stadtentwicklung noch einmal deutlich erhöhen.
All diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, sind richtig und wichtig; denn insbesondere in den Ballungszentren steigen die Mieten weiter. Auch die Preise für Wohneigentum schießen in die Höhe. Je größer die Stadt, desto stärker die Preissteigerung. Die Gründe dafür sind klar; sie liegen auf der Hand. Deutschlands Städte sind attraktiv, sie ziehen viele Menschen an, und sie wachsen. Wo eine steigende Nachfrage auf ein nur gemächlich wachsendes Angebot trifft, steigen die Preise. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die erste und wichtigste Antwort auf die steigende Nachfrage ist, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, um mehr, um neuen Wohnraum zu schaffen. Deshalb ist die Devise völlig richtig, dass wir auf Bauen, Bauen und nochmals Bauen setzen müssen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist schon oft meine Heimatstadt Berlin erwähnt worden. Wir haben in Berlin derzeit eine Leerstandsquote von 1,7 Prozent. Wir alle wissen, wie die Stadt in den nächsten Jahren wächst. Wer meint, bei einer Leerstandsquote von 1,7 Prozent können wir weiter mit Regularien vorgehen, weitere Gesetze schaffen und damit einen stabilen Mietmarkt entstehen lassen, der irrt, meine Damen und Herren. Auch in Berlin gilt es, mehr Wohnungen zu bauen und auf die steigende Nachfrage zu reagieren.
Ja, zur Wahrheit gehört auch – es wird immer wie ein Dogma hier vorgetragen, dass staatliche Gesellschaften für alles zuständig sind –: Wir brauchen die staatlichen Gesellschaften, um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Wir brauchen auch die Genossenschaften. Auch das gehört zur Wahrheit. Wir werden dieser großen Herausforderung nur gerecht, wenn wir auch auf private Investitionen, private Investoren setzen. Nur in diesem Dreiklang – staatliche Gesellschaften, Genossenschaften und private Bauherren – werden wir dieser Herausforderung gerecht werden können.
Nach allen Schätzungen benötigen wir in Deutschland jährlich mindestens 350 000 neue Wohnungen – 350 000 neue Wohnungen! Ja, ich bin sehr für eine behutsame Nachverdichtung in bestehenden Stadtquartieren. Aber zur Wahrheit gehört: Auch bei der Verdichtung gibt es Grenzen. Wer glaubt, dass wir diese große Zahl von neuen Wohnungen allein durch Geschossaufstockung und das Schließen von Baulücken im Innenbereich schließen können, der, meine ich, irrt. Zwischen Gründerzeithaus und Platte kann man nicht 350 000 neue Wohnungen errichten, meine Damen und Herren.
Um den Menschen die Wohnungen bereitzustellen, die sie benötigen, müssen wir auch neues Bauland am Siedlungsrand erschließen. Wir brauchen im Bauplanungsrecht folglich mehr beschleunigtes Planen am Ortsrand. Frau Ministerin Hendricks, lieber Herr Staatssekretär Pronold, die Baurechtsnovelle hat leider immer noch keine Kabinettsreife, weil dort das so dringend benötigte Signal für den siedlungsnahen Außenbereich fehlt. Wir haben inzwischen folgende absurde Situation: Baulandeigentümer lassen nicht bauen, sondern lehnen sich zurück und erfreuen sich an den immer weiter steigenden Preisen. Dieses spekulative Verhalten müssen wir endlich unterbinden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der beste Weg, um den Baulandspekulanten den Garaus zu machen, wäre die spürbare Ausweitung weiterer bebaubarer Flächen; denn dann hätte das Spekulieren auf immer weiter steigende Preise ganz schnell ein Ende.
Ja, liebe Frau Ministerin, lieber Herr Pronold, damit wir die Kabinettsreife schnell erreichen: Machen Sie den Weg frei, damit wir schnell zu mehr Bauland in unserem Land kommen können. Wir brauchen dieses Instrument, mit dem wir planungsrechtlich zügig auf den derzeitigen Wohnungsmangel reagieren können. Keiner sollte sich hinter diffusen europäischen Regelungen verstecken. Das klärt sich. Beim Bauland entscheidet sich am Ende des Tages, wer sich wirklich diesem Problem stellen und es lösen will.
Meine Damen und Herren, ja, wir müssen bei der Städtebaurechtsnovelle auch mit Blick auf die Innenentwicklung das eine oder andere verändern. Ich begrüße, dass es einen neuen Baugebietstypus „Urbanes Gebiet“ geben wird. Wir wollen ein besseres Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe und damit auch den Bau zusätzlicher Wohnungen in urbanen Zentren. Urbane Gebiete sollen zudem die funktionale Durchmischung in unseren Städten stärken; denn gemischte Quartiere sind ein Garant für Lebensqualität, für Wohnzufriedenheit, für Standortbindung und für Identitätsbildung. Auch das ist ein wichtiger Baustein für lebenswerte Wohnverhältnisse in starken Stadtteilen.
Meine Damen und Herren, das Thema Wohneigentum wurde angesprochen. Ich glaube, auch hier brauchen wir verstärkte Anstrengungen; das Thema Wohneigentum braucht eine höhere Wertschätzung, auch vonseiten der Bundesregierung und der Bundesministerin. Denn wer den Mut und die Möglichkeit hat, sich letztlich für die eigenen vier Wände zu entscheiden, der schafft am Ende des Tages Freiräume bei den Mietwohnungen, und es ist die beste Altersvorsorge für die Menschen. Von daher müssen wir größere Kraftanstrengungen unternehmen, um Wohneigentum weiter zu fördern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir bei der Frage des bezahlbaren Wohnraums in lebenswerten Städten auch vor manchen Herausforderungen stehen, stehen wir doch im europäischen und erst recht im globalen Maßstab verhältnismäßig gut da. Urbanisierung ist ein weltweites Phänomen. Beim UN-Weltsiedlungsgipfel diskutieren deshalb 40 000 Menschen, wie die vielen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem starken Zuzug in große Städte gemeistert werden können. Es ist sicher kein Zufall, dass wir Deutschen bei der Habitat‑III-Konferenz ein gefragter Ratgeber sind, wenn es darum geht, wie die großen Metropolen dieser Welt nachhaltiger, sicherer und lebenswerter gemacht werden können. Das deutsche Modell der Städtebauförderung kann für andere Länder beispielgebend sein; denn die Städtebauförderung hat sich bei uns in Deutschland in viereinhalb Jahrzehnten außerordentlich bewährt.
Meine Damen und Herren, wir als Union glauben an die Kraft des Marktes. Wir bekennen uns aber auch zur staatlichen Verantwortung für alle, die auf den regulären Wohnungsmärkten aus verschiedenen Gründen keine Chance haben. Die soziale Balance ist ein hohes Gut. Wir wollen nicht nebeneinander leben, sondern wir wollen miteinander leben – Geringverdiener und Menschen mit höherem Einkommen, Ortsansässige und neu Hinzugezogene, Junge und Alte, Familien, Alleinlebende. Wir als Koalition werden weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, damit alle Menschen in Deutschland eine bezahlbare Wohnung finden und die soziale Balance erhalten bleibt oder wiedergewonnen wird.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt mal konkret!)
Denn auch in den Wohnvierteln entscheidet sich am Ende des Tages die Zukunft unseres Landes.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Klaus Ernst, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019352 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Bezahlbares Wohnen |