20.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 196 / Tagesordnungspunkt 4

Sylvia JörrißenCDU/CSU - Bezahlbares Wohnen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir alle hier wollen bezahlbares Wohnen, und im Gegensatz zu Ihnen, werte Kollegen der Grünen, arbeiten wir an ganzheitlichen Lösungen. Wir haben bereits vieles im Hinblick auf bezahlbares Wohnen auf den Weg gebracht und sind noch lange nicht fertig damit.

Man kann die Sache natürlich schlechter reden, als sie ist. Nur bringt uns das keinen Millimeter weiter.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das mal den Mietern!)

Das ist schade, weil das Thema viel zu wichtig ist: für Familien, die eine stadtnahe Wohnung in der Nähe von Versorgungs- und Bildungseinrichtungen oder in der Nähe vom Arbeitsplatz brauchen, für Studierende und Auszubildende, die mit wenig Geld zentral wohnen müssen, für Senioren, die dort, wo sie schon immer leben, altersgerechten Wohnraum suchen, und auch für Schutzsuchende, für die Wohnen ein Schlüssel zur erfolgreichen Integration ist. Deshalb setzt sich die Union weiterhin dafür ein, bezahlbaren und zielgruppengerechten Wohnraum zu schaffen. Das gilt sowohl für den Neubau als auch für die Modernisierung des vorhandenen Bestandes. Wir brauchen beides.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Uns fehlen 350 000 bis 400 000 neue Wohnungen jährlich. Das kann der Bund nicht allein anschieben. Hier müssen alle an einem Strang ziehen, auch die Länder und Kommunen. Es sind im Übrigen nicht nur Wohnungen im sozialen Wohnungsbau, die wir brauchen, sondern es sind Wohnungen für alle, die in unserem Land leben. Es ist sowohl geförderter als auch frei finanzierter Wohnungsbau durch kommunale und private Investoren oder auch durch Genossenschaften.

Die Große Koalition ist die Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt längst angegangen. Es ist richtig, dass in bestimmten Ballungsgebieten die Märkte überhitzt sind und wir dort zu wenig Wohnraum für jene haben, die über geringe und mittlere Einkommen verfügen.

Um die Symptome in den überhitzten Märkten abzumildern, haben wir die Mietpreisbremse eingeführt. Auch wir als Union wollen nicht, dass Menschen aus ihren angestammten Quartieren verdrängt werden. Deshalb haben wir den Mietern Rechte an die Hand gegeben, die sie jetzt auch tatsächlich wahrnehmen müssen.

Aber die Mietpreisbremse allein löst das Problem des Wohnungsmangels nicht. Deshalb war uns immer die Verknüpfung mit Maßnahmen für den Wohnungsbau wichtig. Aus diesem Grund haben wir die Mittel für die soziale Wohnraumförderung bereits verdoppelt. Die bis 2019 vorgesehenen Kompensationsmittel in Höhe von ursprünglich 518 Millionen Euro haben wir um 500 Millionen Euro jährlich aufgestockt, und der aktuelle Haushaltsentwurf sieht sogar eine weitere Erhöhung auf über 1,5 Milliarden Euro jährlich vor.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist nach 2019?)

Mit diesen Mitteln ist es den Ländern möglich, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Aber die Länder geben das Geld anscheinend nach wie vor für anderes aus.

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Genau!)

Die Zahlen der neu geschaffenen Sozialwohnungen steigen nicht in dem Maße, in dem es erforderlich und bei ordnungsgemäßer Verwendung der Mittel auch möglich wäre. Tatsächlich reicht in einigen Ländern der Neubau nicht einmal, um die Anzahl der aus der Sozialbindung fallenden Wohnungen auszugleichen. Deshalb lautet mein erneuter Appell an die Länder, die üppigen Bundesmittel vollumfänglich einzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hierfür müssen die Förderprogramme so attraktiv ausgestattet sein, dass die Fördermittel auch abgerufen werden. Die Angebote großer Kredite sind langweilige Schaufensterdekorationen. Wir brauchen Kassenschlager, die die Investoren den Ländern aus den Händen reißen.

Sie fragten gerade, was nach 2019 ist.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Aktuell liegen die Ergebnisse der Bund-Länder-Finanzverhandlungen vor. Die Ministerpräsidenten haben sich mit der Bundeskanzlerin und dem Finanzminister darauf geeinigt, dass ab 2020 eine Neuordnung in Kraft tritt. 2020 werden damit die Kompensationsmittel enden. Dann müssen die Länder ihre Verpflichtungen im sozialen Wohnungsbau aus einer höheren Beteiligung an der Umsatzsteuer finanzieren. Ich bin gespannt, wie die Prioritätendiskussion in den Ländern künftig verlaufen wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ich auch!)

Liebe Kollegen der Grünen, in Ihrem Antrag erscheint die Einführung der Wohnungsgemeinnützigkeit als Allheilmittel der Probleme. Sie verkennen aber, dass diese den Wohnungsmangel nicht lösen wird, und zwar aus vielen Gründen nicht. In der Zeit nach den beiden Weltkriegen war die Wohnungsgemeinnützigkeit ein wichtiger Baustein der Wohnungspolitik. Schließlich fehlte es damals an funktionsfähigen Kapitalmärkten und Investoren, die Wohnungen finanzieren konnten. Aber heute haben wir andere Rahmenbedingungen. Die Probleme entstehen nicht durch eine mangelnde Zahl an Investoren, sondern beispielsweise dadurch, dass zu wenig Bauland zur Verfügung steht oder die Baukosten zu hoch sind. Wie will Ihre Gemeinnützigkeitsidee das lösen?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das wird schwierig!)

Es ist doch ein Irrglaube, wenn Sie annehmen, dass gewinnorientierte Unternehmen keine soziale Verantwortung für ihre Mieter und ihre Quartiere wahrnehmen. Der Erfolg eines Wohnungsunternehmens hängt doch maßgeblich davon ab, dass ein Stadtviertel prosperiert. Kommunale Unternehmen leisten wichtige Beiträge durch die Gewinnabführung zur Finanzierung der Kommunen.

Herr Kühn, Sie haben gerade das Stichwort „Neue Heimat“ selbst ins Spiel gebracht. Vielleicht sollten wir der Öffentlichkeit den gigantischen Skandal des Gewerkschaftswohnungsbauunternehmens „Neue Heimat“ wieder in Erinnerung rufen: Mehrere Vorstandsmitglieder des gewerkschaftseigenen gemeinnützigen Unternehmens hatten sich persönlich bereichert, und der Gewerkschaftskonzern war erheblich verschuldet. Der ehemalige Vorstandschef hatte dem Unternehmen durch Privatgeschäfte einen Verlust in Höhe von 105 Millionen D-Mark beschert. Die Verbindlichkeiten der übernommenen Neuen Heimat betrugen etwa 16 Milliarden D-Mark. Der Verkauf platzte dann auch noch aufgrund dieser Überschuldung. Am Ende musste alles aufgelöst und verkauft werden. – Der Gemeinnützigkeitsstatus hatte das Unternehmen der natürlichen Kontrolle aller Geschäfte durch eine Gewinnorientierung entzogen. Die Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau war der fruchtbare Boden für millionenschweren Betrug und milliardenschwere Verluste,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In einem Unternehmen von über 3 000 in Deutschland!)

frei nach dem Motto: Gewinne darf ich nicht machen, meinen Bonus organisiere ich mir trotzdem, und für Verluste kommen die anderen auf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine Generation weiter hoffen einige, dass sich die Öffentlichkeit nicht mehr daran erinnert. Aber das werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)

Lassen Sie mich zu einem wichtigen Förderprogramm kommen: „Altersgerecht Umbauen“. Aufgrund des demografischen Wandels und höherer Lebenserwartung ist es wichtig, dass wir in den kommenden Jahren ausreichend altersgerechten Wohnraum schaffen; denn die Menschen wollen so lange wie möglich selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben. Hier muss ich meine Verwunderung ausdrücken, dass der Haushaltsentwurf für alle möglichen zusätzlichen Projekte Hunderte Millionen Euro vorsieht, aber bei diesem Programm offensichtlich erst wir Parlamentarier das Eisen aus dem Feuer holen sollen. Die Mittel für dieses Jahr sind bei der KfW längst aufgebraucht.

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Genau!)

Da ich schon bei einem Appell an die Bauministerin bin, werte Frau Hendricks, möchte ich auf eine weitere Sache hinweisen, die mir sehr am Herzen liegt. Anfang des Jahres wurden die Ergebnisse des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen vorgelegt. Die Erhöhung der Kompensationsmittel und die Erhöhung des Wohngeldes können ja nicht alles der Umsetzung gewesen sein. Insbesondere bei den Ergebnissen der Baukostensenkungskommission und den zusätzlichen Investitionsanreizen müssen nun Taten folgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden unsere Herausforderungen in der Baupolitik nur bewältigen, wenn mehr gebaut wird. Wir können das Problem des Wohnungsmangels nicht mit den Stellschrauben des Mietrechts lösen, sondern müssen bauen, bauen und nochmals bauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn nur durch mehr Wohnungsneubau werden die Ursachen steigender Mieten langfristig bekämpft.

Es ist nicht nur die Schaffung von Sozialwohnraum nötig, sondern wir müssen auch den frei finanzierten privaten und den genossenschaftlichen Wohnraum fördern. Das geht am besten durch eine steuerliche Förderung.

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Ja!)

Diese kann, richtig eingesetzt, schnell und genau dort wirken, wo der Druck auf die Wohnungsmärkte am größten ist. Insofern bin ich sehr enttäuscht, dass die steuerliche Förderung nun nicht realisiert werden soll.

(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])

In meinen Augen ist sie bitter notwendig. Dieses Mittel war auch eine Empfehlung des Bündnisses und ein Projekt des Bundesfinanzministers und der Bundesbauministerin.

Doch was hilft die beste Baupolitik, wenn kein Raum zum Bauen vorhanden ist? Das höre ich immer wieder in Gesprächen im Wahlkreis. Ich erwarte daher von den Kommunen, dass Bauland ausgewiesen wird und die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Um den erhöhten Wohnraumbedarf zu decken, brauchen wir heute zusätzliche, neue Siedlungsgebiete und schnell mehr Bauland an den Ortsrändern. Um den Wohnraumbedarf zu decken, liebe Kollegen, müssen wir auch mit Maß an der baulichen Dichte ansetzen. Hierzu muss die Baunutzungsverordnung überarbeitet werden.

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Genau!)

Wir wollen einen neuen Baugebietstyp schaffen, der mehr Nachverdichtung und eine flexiblere Nutzungsmischung aus Wohnen und Gewerbe ermöglicht. Aber gerade beim Bauen müssen wir auch für Innovation und Kreativität offen sein und mit der Zeit gehen. Modulares und serielles Bauen wird in Zukunft wichtiger werden. Hier ist schon heute vieles möglich.

Meine Damen und Herren, wir dürfen uns nicht nur um Mietwohnungen, sondern müssen uns darüber hinaus auch um selbstgenutztes Wohneigentum kümmern. Das ist uns als Union sehr wichtig. Der Bau von Eigentumswohnungen hat die gleiche Wirkung wie der Bau von Mietwohnungen.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

– Doch.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, hat er nicht!)

Durch Umzugsketten und Sickereffekte wird am Ende auch hierbei Mietwohnraum frei.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Welche Studie belegt denn diese Sickerungseffekte? – Gegenruf des Abg. Christian Haase [CDU/CSU]: Der gesunde Menschenverstand!)

Als Nebeneffekt, Herr Kühn, hat dies auch eine soziale Komponente. Wohneigentum ist nämlich die wichtigste Form der privaten Altersvorsorge.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist die einzige Form der Altersvorsorge, von der man sogar im jungen Alter schon etwas hat.

Konkret geht es mir um die Wohnungsbauprämie. Junge Menschen und Familien müssen einen Anreiz haben, schon frühzeitig für Wohneigentum zu sparen. Hier müssen wir Anreize schaffen, die attraktiv sind. Die Wohnungsbauprämie im jetzigen Zustand ist es nicht. Wir müssen sie so verändern, dass sie wieder attraktiv wird, gerade für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Wir müssen hier Anpassungen an die Einkommens- und Preisentwicklung vornehmen; denn aufgrund inflationsbedingter Lohnerhöhungen sind viele Arbeitnehmer aus der Förderung herausgefallen. Hier besteht Handlungsbedarf.

(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU] – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wer stellt denn den Finanzminister?)

Ein Thema, das der Kollege Nüßlein schon angesprochen hat, unterstütze auch ich – die nordrhein-westfälische CDU hat hierzu noch weitergehende Ideen, für die auch ich mich starkmache und die beim nächsten Bundesparteitag eingebracht werden –, nämlich die bundesweite Einführung eines Baukindergeldes für alle Familien mit Kindern, die selbstgenutztes Wohneigentum erwerben.

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Eine gute Idee!)

Viele Familien fühlen sich heute mit den Kosten für die Kinder alleingelassen. Das Baukindergeld würde hier die notwendige Unterstützung bieten und für viele aus der Mitte unserer Gesellschaft einen Anreiz schaffen, zu bauen oder eigenen Wohnraum zu kaufen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kollegen, Wohnungsbaupolitik erfordert ein ganzheitliches Konzept. Nur durch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, die Sie in Ihrem Antrag fordern, liebe Grüne, sind die Herausforderungen nicht zu bewältigen. Wir setzen auf nachhaltige Lösungskonzepte und auf wirkliche Problemlösungen und sind hierbei auf einem guten Weg.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Detlev Pilger, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7019420
Wahlperiode 18
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Bezahlbares Wohnen
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