20.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 196 / Tagesordnungspunkt 5

Dirk WieseSPD - Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung des Stalkingparagrafen unter der sozialdemokratischen Justizministerin Brigitte Zypries im Jahr 2006 war aus meiner Sicht ein bedeutender Schritt für den Opferschutz und ein wichtiges Signal des Gesetzgebers. Denn – Sie gestatten mir, dass ich aus der damaligen Debatte zitiere –:

Stalking ist keine Privatsache, keine Sache von verschmähten Liebhabern, sondern strafwürdiges Unrecht.

Dieser Satz, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat leider an Aktualität nichts verloren.

Über die vergangenen Jahre haben sich in der Praxis Anwendungsdefizite gezeigt, die nun eine Nachbesserung erforderlich machen. Denn auch bei Gesetzen, die bei der Verabschiedung richtig waren, muss man nach einem gewissen Zeitablauf und einer gewissen Beobachtung manchmal nachjustieren.

Wie wichtig dieser Schritt ist, den wir hier heute angehen, belegt übrigens auch ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik: 2014 wurden bundesweit noch rund 21 000 Fälle erfasst, 2015 waren es nur 19 000. Allerdings geben Experten, die in den Beratungsstellen tätig sind, für den gleichen Zeitraum an, dass sie mit immer mehr Fällen zu tun bekommen. Wir sehen also, dass trotz steigender Fallzahlen immer weniger Fälle zur Anzeige gebracht werden. Einer der Gründe liegt leider auf der Hand: Die Opfer gehen nicht mehr zur Polizei; denn sie haben das Gefühl, dass das nichts bringt und ihnen dort nicht geholfen werden kann.

Wenn Bürgerinnen und Bürger Straftaten erst gar nicht zur Anzeige bringen, weil sie kein Vertrauen in die Bestrafung der Täter haben, dann muss das für uns alle ein Weckruf sein, der deutlicher nicht sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb haben wir von der SPD dafür Sorge getragen, dass die Verbesserung des Schutzes vor Stalking, Nachstellung, in dieser Wahlperiode angegangen wird. Ich danke Herrn Bundesjustizminister Heiko Maas und Herrn Staatssekretär Christian Lange für die Vorlage des Gesetzentwurfs. Frau Winkelmeier-Becker, Sie haben gerade in einem Nebensatz erwähnt, dass es etwas gedauert hat, bis der Gesetzentwurf vorlag. Leider wurden unter Schwarz-Gelb keine Verbesserungen in Angriff genommen. Es zeigt sich an dieser Stelle: Es bedarf eines sozialdemokratischen Justizministers, damit dieses Problem wieder angegangen wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich gebe auch zu bedenken – da möchte ich meiner Kollegin Wawzyniak recht geben –, dass es mehr bedarf. Es bedarf einer Sensibilisierung der Gesellschaft im präventiven Bereich. Aber so wichtig der präventive Bereich auch ist: Wir müssen im Strafrecht Tatbestände reaktiv erfassen. Darum ist es richtig, dass es den § 238 im Strafgesetzbuch gibt und dass wir ihn an dieser Stelle noch einmal anpassen.

Lassen Sie mich auf zwei Kernpunkte eingehen, die aus meiner Sicht die Verurteilung von Stalkern bisher erschwert haben. Erstens – Staatssekretär Lange hat es angesprochen –: Die Strafbarkeit von Stalking war bisher als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein Stalker, der jahrelang seine Exfreundin verfolgt, ihr womöglich ständig auflauert, ihr Umfeld kontaktiert und sie mit Geschenken und Bestellungen bombardiert, kurzum: ihr gesamtes privates Leben, ihren Alltag zur Hölle macht, konnte nicht verurteilt werden, wenn das Opfer standhaft blieb, nicht dem enormen Druck nachgegeben hat, nicht wegzog oder möglicherweise nicht den Arbeitsplatz gewechselt hat. Solche Konstellationen sind keine Seltenheit.

In meinem Wahlkreis im Sauerland gibt es einen Fall, wo ein Pfarrer seit 15 Jahren gestalkt wird, aber die Bestrafung der Stalkerin mangels schwerwiegender Beeinträchtigungen bis zum heutigen Tage nicht möglich gewesen ist. Das kann aus meiner Sicht nicht sein. Darum ist es richtig, dass wir hier nachjustieren. Die Ausgestaltung als Eignungsdelikt ist daher ein richtiger Weg, um Opfer besser zu schützen. Es ist gut, dass wir das an dieser Stelle auf den Weg bringen.

Der zweite wichtige Punkt ist, dass der Straftatbestand der Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagedelikte gestrichen wird. Wir haben heute fraktionsübergreifend Zustimmung dazu vernommen. Ich denke, es ist wichtig, dass wir die entsprechenden Regelungen auf den Weg bringen.

Abschließend möchte ich sagen: Ich halte den vorliegenden Gesetzentwurf für wichtig, um Stalkingopfer besser zu schützen und eine Verurteilung der Täter zu erleichtern. Ich bin gespannt auf die Fachanhörung. Falls es an der einen oder anderen Stelle notwendig ist – der ein oder andere Kollege hat darauf hingewiesen, Frau Wawzyniak auch –, dann kann durchaus das Struck’sche Gesetz noch zur Anwendung kommen; denn wir wollen die Opfer wirklich schützen. Das soll mit diesem Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Jetzt hat Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7019547
Wahlperiode 18
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen
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