Fritz FelgentreuSPD - Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Frau wird verfolgt. In diesem Fall erleidet sie Stalking durch eine andere Frau. Die Täterin bedient sich einer breiten Palette von Belästigungen: beleidigende Anrufe und SMS, Anspucken auf der Straße, Verfolgung bis vor die eigene Haustür, Belagerung der Wohnung. Die Betroffene muss sich in psychiatrische Behandlung begeben. Sie kann nicht mehr schlafen. Sie lässt die Rollläden herunter. Sie geht nur noch vor die Tür, wenn es nicht anders geht. Schließlich lässt sie sich vom Weißen Ring beraten und entscheidet sich, das Stalking zu ignorieren. Diese Strategie ist irgendwann erfolgreich. Nach ein paar Monaten lässt die Täterin von ihr ab. Dies ist ein Fall aus der Praxis, berichtet im Februar dieses Jahres in der Zeit.
Lieber Kollege Ullrich, die Geschichte dieser Frau ist ein Beispiel dafür, warum wir den Stalkingparagrafen im Strafgesetzbuch ändern wollen, und zwar nicht nur aus der Sicht der Rechtspolitik, sondern auch aus der Sicht der Familien- und Frauenpolitik. Ich spreche hier heute als Mitglied des Familienausschusses. Uns geht es natürlich besonders darum, häuslicher Gewalt und der Gewalt gegen Frauen vorzubeugen. Prävention ist aus diesem Blickwinkel fast noch wichtiger als Strafverfolgung. Strafverfolgung muss immer auch der Prävention dienen. Deshalb war es ein dringend gebotenes und ein richtiges Signal, das der Bundestag 2007 Tätern wie Opfern gegeben hat. Damals wurde ganz klar: Stalking ist Unrecht. Stalking ist Gewalt. Der Rechtsstaat stellt Stalking unter Strafe.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass die präventive Wirkung von Strafgesetzen begrenzt ist, gerade auch in Stalkingfällen. Denn Stalker haben nur selten ein Unrechtsbewusstsein. Im Gegenteil: Meistens fühlen sie sich von der Person ungerecht behandelt, der sie nachstellen. Dennoch hat die gesellschaftliche und strafrechtliche Ächtung der Tat einen hohen Wert. Sie wirkt langfristig. Denn wenn wir in allen Köpfen verankert haben, dass Stalking Unrecht ist, dann wächst allmählich auch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Stalking ist auch immer ein Kontrollverlust des Täters. Wer merkt, dass er dabei ist, zum Stalker zu werden, der kann im selben Moment damit aufhören. Tut er es dennoch nicht, dann entscheidet er sich bewusst dafür, ein Verbrechen zu begehen.
Um aber das Unrecht zu bestrafen, das der Frau angetan wurde, von der ich eben erzählt habe, ist der Stalkingparagraf in seiner jetzigen Form nicht geeignet; denn sie hat sich letztlich durchgesetzt. Mit einer großen Kraftanstrengung hat sie die Nerven behalten und ihr Leben weitergelebt. Unser Recht bestraft aber bisher, wie wir gehört haben, nicht die Tat, sondern deren Auswirkungen. Nur wenn das Opfer sein Leben nicht so weiterleben kann wie bisher, dann muss der Täter mit Strafe und sogar mit Gefängnisstrafe rechnen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn ein Fall wie dieser angezeigt wird, dann wird das Ermittlungsverfahren wahrscheinlich eingestellt mit dem völlig inakzeptablen Ergebnis, dass der Täter oder hier die Täterin sich auch noch bestätigt fühlen kann. Denn nach geltendem Recht hat sie scheinbar nichts Verbotenes getan.
Die SPD-Fraktion begrüßt deshalb die vorgeschlagene Neufassung. Auch die Geeignetheit zur Bestrafung finden wir richtig. Diese juristische Formulierung bedeutet aus unserer Sicht: Die Tat soll bestraft werden und nicht ihre Wirkung.
(Beifall bei der SPD)
Wir schärfen damit auch das Bewusstsein dafür, dass Stalking Unrecht ist. Dieses Bewusstsein ist der bestmögliche Schutz für die meistens weiblichen potenziellen Opfer eines Delikts mit hoher Dunkelziffer.
Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft. Die geplanten Gesetzesänderungen werden dafür sorgen, dass das Strafrecht in Zukunft in einem Punkt wirkungsvoller zum Schutz gegen Gewalt beitragen kann. Das finden wir gut, das finden wir richtig. Wir freuen uns auf die Debatte, die vor uns liegt.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und begrüße Sie von meiner Seite. Erlauben Sie mir bitte, die Elisabethschule aus Aichach recht herzlich zu begrüßen.
Das ist bei uns ums Eck; manche werden es wissen.
(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Ja!)
– Kollege Ullrich weiß das.
Nächste und letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Iris Ripsam für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019554 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen |