Lothar BindingSPD - Steuerliche Verlustrechnung bei Körperschaften
Schönen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Stichwort „Kinder“ ist mir eingefallen, dass es heute irgendwie auch um Kinder geht. Denn die Bedeutung neuer erfindungsreicher Unternehmen, Start-Ups und Gründungen sind eigentlich die Kinder der Unternehmen, die unsere Wirtschaft und unser Land zukunftsfähig machen. Sie haben eine ganz wichtige Bedeutung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Sigmar Gabriel wird nicht müde, allen zu erklären, welche Bedeutung diese Unternehmen haben. Trotzdem haben wir ein Problem: Wie wollen wir diese von uns allen gewünschten Firmen fördern, ohne in wettbewerbsrechtliche Probleme in Europa zu geraten?
Fördere ich ein innovatives Unternehmen, sagt jedes andere: Ich bin auch innovativ. – Schon handele ich wettbewerbsverletzend und europarechtswidrig. Deshalb war der Gesetzentwurf relativ kompliziert zu machen. An einigen Stellen müssen sicherlich Nachsteuerungen vorgenommen werden.
Nun steht da: Wir wollen die steuerliche Verlustverrechnungsbeschränkung bei Körperschaften neu regeln. Ich frage mich, ob irgendein Bürger weiß, was „Verlustverrechnungsbeschränkung bei Körperschaften“ bedeutet.
(Heiterkeit bei der SPD)
Ich erkläre das an einem einfachen Bespiel. Ein Unternehmen, das 10 Millionen Euro Gewinn macht, müsste 3 Millionen Euro bezahlen. Davon fließen 1,5 Millionen Euro an die Gemeinde und 1,5 Millionen Euro an den Bund. Aber bei diesem Unternehmen gab es möglicherweise schon längst vergessene Verluste. Wenn es diese Verluste in Höhe von vielleicht 5 Millionen Euro entsprechend geltend macht, sagt das Unternehmen: Ich habe 10 Millionen Euro Gewinn, kann aber 5 Millionen Euro Verlust geltend machen. Dann habe ich nur 5 Millionen Euro Gewinn, auf den ich nur 1,5 Millionen Euro Steuern bezahlen muss. – So sieht man: Alte Verluste sparen Steuern in der Zukunft. Das wollen wir nicht. Deshalb brauchen wir ein Gesetz, das diesen Effekt verhindert.
Wir reden jetzt über § 8d im Körperschaftsteuergesetz, was bedeutet, dass es auch einen § 8c gibt. Die gute Sache bei diesem Gesetzentwurf ist, dass § 8c erhalten bleibt.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja super!)
– Ganz super ist er nicht. Der Zwischenruf war nur bedingt richtig.
(Heiterkeit bei der SPD)
Denn wir haben einen guten § 8c im Jahr 2008 gemacht. Jedoch gibt es dabei einen Wermutstropfen: Schwarz-Gelb hat diesen guten § 8c aus dem Jahr 2008 dummerweise abgemildert, abgeschwächt und verwässert. Da wurde ein Schlupfloch aufgemacht, indem der Verlustvortrag in Höhe der stillen Reserven erhalten bleiben konnte. Das war schlecht.
Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, ist gut. Man muss sagen: Wir haben lange danach gesucht, eine Förderung einzurichten, die europarechtstauglich und trotzdem einigermaßen zielgenau ist.
Wie funktioniert das nun eigentlich? Eigentlich soll nicht der Staat, sondern es sollen Business Angels die Unternehmen fördern. Was macht ein Business Angel? Er gibt Geld und seinen guten Namen und trägt das Risiko. Das alles macht er total selbstlos. Aber ein Business Angel will auch Business machen; das ist klar. Er schätzt also das Risiko ab. Bei Verkauf von Beteiligungen oder Aufnahme neuer Gesellschafter sind bisher alle Verluste quotal bzw. total untergegangen. Es ist klar, dass das eine Investitionsbremse für jeden ist, der darüber nachdenkt, einem Unternehmen Geld zu geben, obwohl er nicht genau weiß, ob die Innovation, über die das Unternehmen verfügt, funktioniert, ob das ein tolles Unternehmen wird oder ob das Unternehmen in Konkurs geht, weil die Geschäftsidee nicht funktioniert. Deshalb ist es gut, im Körperschaftsteuergesetz den neuen § 8d hinzuzufügen. Er erlaubt teilweise, Verluste mit zukünftigen Gewinnen zu verrechnen, um Business Angels und ihr Geld anzulocken. Aber im Gegensatz zu § 8c wird nicht jedem diese Möglichkeit eröffnet. Eine ganz wichtige Voraussetzung ist, dass der Betrieb fortgeführt wird.
Nun gibt es noch ein paar andere harte Bedingungen, die nicht jedes Unternehmen so einfach erfüllt. Der betreffende Betrieb muss schon drei Jahre vor dem Antrag existiert haben. Er darf keine weiteren Geschäftsbetriebe aufnehmen. Er darf keine Beteiligungen an Mitunternehmerschaften haben. Er darf kein Organträger sein. Organschaften haben in der Vergangenheit immer zur Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen gedient. Zudem darf der Betrieb keine Wirtschaftsgüter unter dem Marktwert aufnehmen. Das sind vier oder fünf relativ klare Bedingungen, unter denen überhaupt ein Antrag, wie Herr Dr. Meister ausgeführt hat, gestellt werden kann, wenn der Betrieb unter § 8d fallen soll. Wie man sieht, bleibt § 8c erhalten. Mit § 8d sind wir auf einem guten Weg, unser Ziel zu erreichen. Es stimmt, dass es auch einen Wermutstropfen gibt. Schließlich können alle Unternehmen, nicht nur die innovativen, einen entsprechenden Antrag stellen. Das schwächt die Zielgenauigkeit; das ist ein Nachteil. Ich hoffe, dass die Start-ups, die diese Neuerung gefordert haben, wissen, dass von 100 Euro Förderung möglicherweise nur 10 bis 15 Euro bei ihnen ankommen. Aber das lässt sich aus europarechtlichen Gründen nicht anders machen.
Es gibt allerdings einen Fall, auf den wir achtgeben müssen. Ich nenne als Beispiel einen Betrieb, der bis vor fünf Jahren Röhren produziert hat. Der Unternehmer hat mit seinem Röhrenunternehmen einige Millionen Euro Verluste gemacht. Wenn dieses Unternehmen unter Bezugnahme auf § 8d drei Jahre lang – so lange dauert gewissermaßen die Wohlverhaltensphase – Schraubenzieher produziert – wie wir alle wissen, werden Schraubenzieher überall gebraucht –, kann dieses Unternehmen seine Altschulden in beliebiger Höhe mit zukünftigen Gewinnen verrechnen. Das ist der alte Mantelkauf, den wir mit dem § 8c verhindern wollten. Die Brücke in die Welt vor dem alten § 8c müssen wir zerstören. Wir werden sicherlich einen entsprechenden Antrag stellen müssen, um nicht eine ganz gefährliche Verlustverrechnungskarawane im Land auszulösen, die in fiskalischer Hinsicht gravierende Folgen hat.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit und Gratulation zu diesem Gesetz.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Kollege Binding, auch vielen Dank von uns für die erklärenden Beispiele. Manchmal ist es gar nicht so einfach, Ihren klugen Ausführungen zu lauschen und sie nachzuvollziehen. Das liegt aber am Metier.
(Zuruf von der SPD: Auch am Redner! Aber das freut uns!)
Nächster Redner: Dr. Thomas Gambke für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019615 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Steuerliche Verlustrechnung bei Körperschaften |