Philipp MurmannCDU/CSU - Steuerliche Verlustrechnung bei Körperschaften
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschichte dieses Gesetzes ist lang. Schon 2007 haben Kollegen, die jetzt auch noch hier sitzen, darauf hingearbeitet, Wachstumsfinanzierung möglich zu machen. Damals waren Klaus-Peter Flosbach und Heinz Riesenhuber mit dabei. Es ging dabei um das sogenannte MoRaKG, das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen. Das ging sogar durch Bundestag und Bundesrat, wurde dann aber von der EU gekippt – mit der wesentlichen Begründung, es sei zu schmal, es werde damit Beihilfe geleistet, die Wettbewerbsverzerrung durch die Beihilfe würde die positiven Aspekte dieses Gesetzes überlagern, insofern sei es nicht EU-konform. Das war das große Problem.
Seitdem haben viele Gehirne daran gearbeitet, um eine Lösung zu finden. Nun haben wir diese Lösung. Alle Bedenkenträger, die unterwegs sind bzw. waren, sind, denke ich, mit eingebunden worden. Insofern ist aus meiner Sicht mit diesem Gesetz jetzt schon ein Durchbruch geschafft worden. Insofern würde ich mich auch freuen, wenn wir das möglichst breit tragen würden. Für unseren Standort ist das – um das gleich einmal vorneweg zu sagen – wirklich ein super Gesetz.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])
Wir sollten auch denen Dank sagen, die daran mitgewirkt haben: Staatssekretär Meister für das BMF, Frau Zypries, denke ich, für das BMWi. Sie haben mit Helge Braun aus dem Bundeskanzleramt zusammengesessen, um das sozusagen von allen Seiten zu beleuchten. Natürlich gab es auch sanften Druck des Parlaments, aber nicht nur der Opposition. Auch die Regierungsfraktionen haben immer wieder gefragt: Wie weit seid ihr denn? Jetzt muss doch mal etwas kommen.
Jetzt aber haben wir etwas. Darüber diskutieren wir in der ersten Lesung. Wir haben den § 8c – er wurde schon beschrieben; insofern will ich nicht zu sehr darauf eingehen – mit zwei Ausnahmen, die nur für bestimmte Unternehmen gelten; nur dann können Verluste weiter vorgetragen werden.
Jetzt gibt es den neuen § 8d. Ich finde die Idee großartig. Zum § 8c hat man gesagt, es werde immer nur auf den Anteilseigner geschaut. Bei einem neuen Anteilseigner sind die nicht genutzten Verluste jeweils weg; der Geschäftsbetrieb ist völlig außen vor. Jetzt sagt man: Ihr müsst euch mit Antrag entscheiden, ob ihr nicht in ein anderes Regime wechseln wollt, und dann wird auf den Geschäftsbetrieb und nicht mehr darauf geguckt, ob es einen Anteilseignerwechsel gibt oder nicht. Das interessiert dann im Grunde nicht, sondern solange der Geschäftsbetrieb fortgeführt wird, bleiben die nicht genutzten Verluste erhalten.
Jetzt komme ich – das klang auch schon in einigen Reden an – zu der Frage, über die wir noch diskutieren werden: Was ist ein Geschäftsbetrieb? Da hat das Ministerium erst einmal in den Gesetzentwurf hineingeschrieben – ich möchte das kurz zitieren –:
Ein Geschäftsbetrieb umfasst die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragenen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft und bestimmt sich nach qualitativen Merkmalen einer Gesamtbetrachtung.
Ich denke, das wird nachher das Thema sein, um das es gehen wird.
Qualitative Merkmale sind insbesondere die angebotenen Dienstleistungen oder Produkte, der Kunden- und Lieferantenkreis, die bedienten Märkte und die Qualifikation der Arbeitnehmer.
Das ist – ich sage das einmal so – eine Definition, die den Rahmen sicherlich schon ganz gut absteckt.
Es gibt aber, wie gesagt, einige Eingrenzungen, was so ein Geschäftsbetrieb nicht machen darf. Ich denke, da sind wir auch in vielen Fragen einig. Er darf nicht einfach ruhend gestellt werden. Die Körperschaft darf sich nicht an einer Mitunternehmerschaft beteiligen und nicht Organträger werden. Es dürfen nicht unter gemeinem Wert angesetzte Wirtschaftsgüter übertragen werden. Ich denke, diese Themen sind wahrscheinlich konsensfähig, oder es besteht bei ihnen sowieso Konsens.
Dann gibt es noch zwei Themen, über die wir sicherlich noch diskutieren müssen. Einmal geht es um den Fall, dass ein Geschäftsbetrieb einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt wird. Dabei geht es so ein bisschen um das Beispiel, das Lothar Binding angeführt hat: von Röhren auf Schraubenzieher umgestellt. Die Frage ist aber natürlich auch, wie weit das geht.
Zum anderen gibt es den Fall, dass ein zusätzlicher Geschäftsbetrieb aufgenommen wird. Das ist natürlich gerade bei Start-up-Unternehmen häufig das Problem. Sie fangen meinetwegen an, mit einem Wirkstoff zu arbeiten, weil sie Schnupfen bekämpfen wollen. Im Laufe der Zeit stellt sich dann aber heraus, dass der Wirkstoff nicht bei Schnupfen wirkt, dafür aber beispielsweise für die Haut gut ist. Damit ändert sich natürlich etwas. Das kann natürlich auch der Auslöser dafür sein, dass ein neuer Anteilseigner sagt: Jetzt ist das für mich interessant. Ich gehe da hinein und gebe auch Kapital dazu.
Wenn wir das zu eng fassen, sind bestimmte Veränderungen, die bei wachsenden Unternehmen natürlich immer vorhanden sind, gar nicht mehr möglich. Dann kommen wir wieder auf das alte Verlustthema zurück.
Also, an der Stelle müssen wir, denke ich, schon noch ein bisschen darüber diskutieren, wie wir das so ausgestalten, dass wir nachher auch wirklich die Wirkung haben, die wir haben wollen. Es ist ja schon klar geworden: Es gilt grundsätzlich für alle Unternehmen. Denn sonst kriegen wir das mit der EU auch gar nicht übereinander. Insofern ist der Ansatz aus meiner Sicht auch ganz genau richtig.
Ich würde zum Schluss gern noch drei Punkte ansprechen.
Der erste Punkt – es wurde schon angesprochen – ist der Name. Der Name „Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften“ ist natürlich etwas für Technikfreaks. Wir sollten noch einmal darüber nachdenken, ob wir nicht einen etwas schöneren Namen finden, der das Ziel besser beschreibt und trotzdem EU-konform ist, ich sage jetzt mal: „Gesetz zur Verbesserung der Wachstumsfinanzierung von Körperschaften“ oder „... von Geschäftsbetrieben“, wenn man das nun unbedingt noch haben will, oder so ähnlich. Das wäre, glaube ich, schon der Mühe wert, um auch nach außen zu zeigen, dass es ein gutes Gesetz ist.
Der zweite Punkt. Es gibt eine Rückwirkung zum 1. Januar 2016. Das heißt: Auch Anteilsübertragungen, die in diesem Jahr erfolgt sind, wären noch durch das Gesetz abgedeckt. Das ist natürlich positiv.
Der dritte Punkt, der auch schon angesprochen wurde, sind die finanziellen Auswirkungen. Ich denke, wir sollten noch einmal genau hinterfragen, wo eigentlich diese 600 Millionen Euro Steuermindereinnahmen herkommen. Das kann ja nur ein Drittel sein, weil es um die steuerlichen Wirkungen geht. Das heißt, es müssten 1,8 Milliarden Euro Verluste innerhalb von einem Jahr plötzlich durch dieses Gesetz Wirkung entfalten und diese 600 Millionen Euro auslösen. Das scheint aus meiner Sicht doch sehr hoch gegriffen zu sein. Natürlich müssen sich Bund, Länder und Gemeinden, die über die Gewerbesteuer in der Tat am meisten betroffen sind, wenn man so sagen will, daran auch beteiligen. Aber ich denke, für jede Kommune ist es natürlich auch eine Investition in den Standort, wenn man ein Unternehmen hat, das mit neuem Anteilseigner wachsen kann, Arbeitsplätze schaffen kann und dann vor Ort weiterhin bleibt und eben nicht in die USA oder in andere Länder abwandert, wo die Verluste sowieso verrechnet werden können. Insofern ist das ein sehr guter Ansatz.
Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und danke noch einmal für diesen guten Entwurf.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die SPD spricht jetzt der Kollege Dr. Jens Zimmermann.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019619 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Steuerliche Verlustrechnung bei Körperschaften |