Kai GehringDIE GRÜNEN - Berufsausbildungsförderung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht hier um das BAföG,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
um eines der größten Sozialgesetze dieser Republik. Mein Vorredner, Herr Kaufmann, hat sich in der Debatte offensichtlich zum Teil verlaufen bzw. vergaloppiert.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Schade!)
Ich möchte Sie als Koalition daran erinnern, dass durch Ihre BAföG-Novelle der Bund seit zwei Jahren für die Berufsausbildungsförderung allein zuständig ist. Das heißt, man braucht hier auch keine Bund-Länder-Debatte oder Bildungsfinanzierungsdebatte zu führen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Vielmehr geht es um die Zukunft des BAföG in dieser Republik. Das BAföG ist das Bildungsgerechtigkeitsgesetz Nummer eins, und es ist das Finanzierungsinstrument für Bildungsaufstieg und Zugangschancen. Es ist ein Rechtsanspruch, kein Almosen. Es geht nicht um Bund-Länder-Debatten, sondern um die Frage, wie die Zukunft der jungen Generation gestaltet wird. Wir wollen das BAföG beherzt ausbauen, damit es nichts an Attraktivität einbüßt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Dem BAföG durch sechs Nullrunden eine Schrumpfkur zu verpassen, war eine eklatante Fehlentscheidung von Union und SPD. Diese wollen wir Grüne gemeinsam mit der Linksfraktion korrigieren. Unsere Alternative ist klar: Auch 2017 muss es mehr BAföG für Schüler, Schülerinnen und Studierende geben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Die sechs Jahre ohne BAföG-Erhöhung haben die Bildungsfinanzierung geschwächt. Ganze zwei Studierendengenerationen mussten zuschauen, wie ihre finanzielle Situation von Semester zu Semester immer schlechter geworden ist. Ungefähr 130 000 Schüler und Studierende sind seit 2011 aus dem Kreis der Berechtigten herausgerutscht. Das ist die traurige Bilanz unionsgeführter BAföG-Politik. Das ist nicht gut für unser Land der Dichter und Denker.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])
Zwar bekommen Studierende und Schüler ab diesem Semester mehr Geld; aber die Anpassung hielt mit der Preis- und Einkommensentwicklung nicht Schritt. Trotz Anpassung ist das BAföG 2016 weniger wert als das 2010. Das ist schlechte Politik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Diese schlechte Politik hat konkrete Folgen. Nehmen wir eine Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ganz konservativ gedacht! Gefällt mir gut!)
Gerade gab es glücklicherweise eine Lohnerhöhung. Auf die Freude folgt schnell der Kater: höhere Steuern. Dann fällt wegen der Freibetragsgrenzen auch noch das BAföG für die Kids weg. Aber gerade mit der Aussicht auf eine verlässliche Studienfinanzierung steht oder fällt die Entscheidung für oder gegen ein Studium.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Es sind immer mehr junge Leute, die studieren! Das ist doch völliger Quatsch, was Sie hier sagen!)
Wir sagen: Gerecht geht es in Deutschland erst dann zu, wenn Zugangs- und Bildungschancen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Auch hier im Bundestag gibt es viele Arbeiterkinder; ich gehöre dazu. Es ist für unsereins nicht völlig selbstverständlich, sich für ein Studium zu entscheiden. Die soziale Öffnung der Hochschulen für Kinder von Nichtakademikern muss endlich bundesweit selbstverständlich werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Ist es doch!)
Deshalb ist es so wichtig, zum Studium zu motivieren und für eine Studienfinanzierung zu sorgen, die zum Leben ausreicht. Das BAföG muss substanziell verbessert werden. Deshalb fordern wir unter anderem:
Erstens. Die Fördersätze und die Freibeträge vom Einkommen der Eltern müssen um jeweils 10 Prozent steigen.
(Beifall der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])
Damit würden endlich mehr Schüler und mehr Studierende BAföG-berechtigt.
Zweitens. Wir wollen, dass Wohnkosten angemessen erstattet werden. Wir wollen die Mietkostenpauschale staffeln und sie an regionale Durchschnitte anpassen; denn Wohnen ist in München, Köln und Chemnitz unterschiedlich teuer.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Drittens. Statt jahrelanger Hängepartien und Regierungswillkür in Serie
(Lachen des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU])
wollen wir im BAföG-Gesetz Indizes für eine dynamische, regelmäßige und automatische Erhöhung von Fördersätzen und Freibeträgen einführen. Das ist doch nicht so schwer.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das geht beim Arbeitslosengeld, bei der Rente und auch bei den Abgeordnetendiäten. Warum also nicht bei den Studierenden? Die automatische Anpassung bringt Berechenbarkeit ins BAföG. Das ist uns wichtig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Der Bund finanziert das BAföG nun zu 100 Prozent. Darum hat der Bundestag die Freiheit, jede künftige BAföG-Reform alleine auf den Weg zu bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, diese Wahlperiode ist weiß Gott noch nicht zu Ende – man muss fast sagen: leider –; Sie haben noch ein Jahr Zeit. Dieses Jahr sollten Sie für ein weiteres BAföG-Plus nutzen. Wir wollen mehr derjenigen zum Studium ermuntern, deren Eltern wenig verdienen, deren Eltern nicht studiert haben oder die eingewandert sind. All das könnten wir zügig beschließen. Union und SPD müssten sich nur einen Ruck geben.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Nächster Redner ist der Kollege Oliver Kaczmarek, SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019644 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Berufsausbildungsförderung |