Margaret HorbCDU/CSU - Entlastung der Wirtschaft von Bürokratie
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie bauen sich daheim eine Garage. Das machen ja viele Leute, und die meisten stellen auch das Auto hinein. Das funktioniert in der Regel am Anfang ganz gut. Nur irgendwann steht dort nicht mehr allein das Auto, sondern auch noch die Werkbank, die Winterreifen, Fahrräder, Kinderwagen, der kaputte Rasenmäher und Omas alte Schrankwand.
(Marcus Held [SPD]: Und das Auto steht auf der Straße!)
In der Garage stehen dann nützliche Dinge, aber auch Gegenstände, die man nicht mehr braucht, oder solche, die man vielleicht noch brauchen könnte. Und wenn man Pech hat, stellt man irgendwann fest: Das Auto passt nicht mehr hinein.
Mit Gesetzen ist es so ähnlich. Wenn ein Gesetz verabschiedet wird, ist es am Anfang vergleichsweise schlank und einfach. Mit der Zeit kommen dann immer mehr Sonderregelungen und Ausnahmen dazu. Die Garage wird sozusagen immer voller.
Ein gutes Beispiel dafür ist unser Steuerrecht. Dessen wichtigste Gesetze, das Einkommensteuergesetz und die Abgabenordnung, sind schon sehr alt, und wir passen sie im Grunde immer wieder an, ja, wir müssen sie anpassen. Bundesverfassungsgerichts- und BFH-Urteile müssen umgesetzt, EU-Richtlinien müssen in nationales Recht gegossen werden. Manchmal sollen mit Steueranreizen bestimmte Lenkungsziele erreicht werden. Manchmal geht es darum, Steuerschlupflöcher zu stopfen, und manchmal führen wir Berichts- und Aufbewahrungspflichten ein, um gegen Finanz- und Steuerkriminalität vorzugehen.
Das Ergebnis ist ein immer detaillierteres, komplizierteres Rechtssystem, das immer höhere Anforderungen an die Steuerpflichtigen stellt. Genauso, wie man ab und zu mal die Garage aufräumt, sollten wir das auch mit unseren Gesetzen tun und sie von bürokratischem Gerümpel befreien. Genau das tun wir auch, und genau deshalb haben wir im Koalitionsvertrag deutlich festgeschrieben: „Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe“, und diesem Auftrag kommen wir nach.
In dieser Legislaturperiode haben wir hierzu bereits das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens mit vielen Erleichterungen für die Unternehmen, die Bürger und die steuerberatenden Berufe beschlossen. In diesem Gesetz haben wir auch den Grundstein für die Erhöhung der Summe bei der Kleinbetragsrechnung gelegt. Bei Rechnungen bis zu 150 Euro müssen bisher angegeben werden: Name des Rechnungsausstellers, Datum, Art und Menge der gelieferten Ware, der Preis und der Steuersatz. Dieser Betrag soll laut zuständigem Wirtschaftsministerium von 150 Euro auf 200 Euro angehoben werden. Wir als CDU/CSU-Fraktion plädieren weiterhin dafür, den Betrag auf 400 Euro anzuheben. Diese Erhöhung scheiterte bisher leider am politischen Willen unserer lieben SPD-Kollegen.
(Marcus Held [SPD]: Oh! – Matthias Ilgen [SPD]: Was?)
Ihr Argument „politischer Wille“ wird im Bürokratieentlastungsgesetz II jetzt hoffentlich ad acta gelegt, damit die Leistungsträger und Unternehmen unseres Landes stärker entlastet werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dass bei einer Erhöhung auf 400 Euro die Welt nicht zusammenbricht, beweist ein Blick in die Steuergesetzgebung unseres Nachbarlandes Österreich. Österreich hat nämlich erfolgreich den Betrag für die Kleinbetragsrechnung auf 400 Euro angehoben, und diese Maßnahme würde auch der Steuerharmonisierung in Europa dienen; denn sie ist durch die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie gesetzlich gedeckt.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir insbesondere die kleinen Handwerksbetriebe und Unternehmen von unnötigem Papierkram befreien. Durch die Gesetzesvorlage werden nach derzeitigem Stand Bürokratiekosten in Höhe von mehr als 360 Millionen Euro eingespart – Geld, das den Unternehmen für Innovationen, notwendige Investitionen sowie für die Aus- und Fortbildung ihrer Mitarbeiter zur Verfügung steht.
Wenn wir die Bürokratiegarage unseres Landes richtig aufräumen wollen, dann müssen wir gewissenhaft und sauber sortieren. Wir sollten gemeinsam prüfen und sagen, was zum Sperrmüll kommt und was nicht. Was wir brauchen, wird genutzt, und was wir nicht nutzen: Weg damit! Bei unseren Aufräumaktionen werden wir uns, bildlich gesprochen, nicht nur auf die Garage beschränken. Das bedeutet, dass alle Ministerien in der Pflicht sind, ihre Häuser zu durchforsten und vielleicht mehrmals zu durchforsten. Ich möchte damit nicht auf die nächste Legislaturperiode warten, sondern das können wir jetzt machen.
(Marcus Held [SPD]: Jawohl!)
Ein weiterer Punkt, der mir als CDU/CSU-Steuerpolitikerin besonders wichtig ist, ist der Vollverzinsungssatz, also der Zinssatz, den das Finanzamt nach einer Karenzzeit von 15 Monaten nach Ablauf des Veranlagungsjahres für Steuererstattungen und Steuernachforderungen bis zur Steuerfestsetzung erhebt, vor allem nach Änderungen und nach Betriebsprüfungen. Dieser Zinssatz beträgt bisher 0,5 Prozent pro Monat. Das entspricht einer Zinshöhe von 6 Prozent im Jahr. Das ist in Zeiten einer Nullzinspolitik unangemessen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Verständlicherweise wird gar die Verfassungsmäßigkeit bei Aufrechterhaltung dieser Zinshöhe infrage gestellt. Wir sollten deshalb diesen Zinssatz halbieren und nach fünf Jahren überprüfen, ob er noch zeitgemäß ist.
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sehr guter Vorschlag!)
Diese Forderung ins Gesetz aufzunehmen, würde zeigen, dass wir als Gesetzgeber zeitgemäß und verantwortungsbewusst handeln.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Beim Entrümpeln werden wir schneller vorankommen, wenn mehr Hände zupacken, wenn alle, Bund und Länder, zusammenarbeiten. Deswegen möchte ich Sie alle auffordern, nicht mit den Händen in den Hosentaschen danebenzustehen, wenn wir Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitiker aufräumen. Helfen Sie alle mit. Packen Sie mit an. Jeder profitiert davon, wenn alles sauber und aufgeräumt ist und alle, Wirtschaft, Verwaltung und Bürger, effizient arbeiten.
Unser Einsatz in der Regierungskoalition zum Bürokratieabbau zeigt Wirkung, gerade im Steuerrecht. Das liegt daran, dass wir darauf achten, dass bei der Erarbeitung neuer Gesetze bürokratische Zusatzbelastungen von Anfang an vermieden werden und dass wir die Digitalisierung insgesamt vorantreiben.
Herr Gambke, zu Ihrem Einwurf vorhin: Auch wir haben gestern sehr wohl gehört, was in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen gemacht wird. Wir haben jetzt im Bund mehr Kompetenz. Das müssen wir ausnutzen. Da hoffe ich und fordere auch Sie als Grüne auf, dass Sie uns hierbei in den Ländern unterstützen. Denn die Länder sind jetzt gefordert, hier voranzutreiben. Wenn wir den Bereich der Digitalisierung gemeinsam angehen, werden wir es schaffen, die Verwaltungsvorgänge in Deutschland unbürokratischer, schneller, geordneter und vor allem serviceorientierter zu machen.
Mit diesem Maßnahmenpaket werden wir mehr als 1 Milliarde Euro einsparen. Das ist eine Menge Papier. Aber es spart vor allem Zeit und Nerven. Wir sind da auf dem richtigen Weg. Aber wenn wir in der Garage, auf dem Dachboden und im Keller sind, müssen wir aufpassen, dass nicht gleichzeitig ein Lkw vorfährt und neue Gesetzeskisten, Verordnungen und Anweisungen vor unserer Haustür ablädt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Matthias Ilgen [SPD])
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Marcus Held für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7019748 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Entlastung der Wirtschaft von Bürokratie |