Tobias ZechCDU/CSU - Völkerstrafrechtliche Sühnung von Verbrechen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erleben zurzeit in Syrien die größte humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Ich habe gestern mit Christian Springer telefoniert. Er ist der Vorsitzende einer NGO, die nicht nur für die Länder um Syrien, sondern auch immer noch in Syrien aktiv ist und sich um die Menschen vor Ort kümmert. Er hat mir live geschildert, was passiert: Es gibt keine Nahrung, keine Medikamente und keine medizinische Versorgung mehr. Menschen, die in Aleppo versuchen, zum Arzt zu kommen, werden von Snipern, von Scharfschützen, anvisiert und angegriffen, wenn sie den Stadtteil verlassen. Bis Dienstag gab es ein Dauerbombardement nicht nur von Fassbomben, sondern mittlerweile auch von bunkerbrechender Munition, die jegliches Leben auch in Kellern, wo man sich mit seiner Familie versteckt, zerstört: ein unheimliches Leid, und das direkt vor unserer Haustür.
Somit ist es ganz klar, dass es unser gemeinsames Ziel in diesem Haus sein muss, dieses Leid, diese Katastrophe, diesen Wahnsinn in Syrien zu beenden, und zwar nachhaltig zu beenden.
Jetzt liegt uns ein Antrag vor. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, wie man sich mit so etwas beschäftigen kann. Herr Nouripour, Sie erlauben mir jetzt schon – –
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich erlaube Ihnen alles! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
– Sie erlauben mir alles. – Ich habe diesen Antrag gelesen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon mal gut!)
Das sind ja auch nur zwei Seiten.
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist ein Schaufensterantrag. Ich kann es nicht anders sagen. Allein zum Beispiel Deir al-Sor, das Sie im Zusammenhang mit der Luftbrücke nennen, muss ich sagen: In Deir al-Sor gibt es keine Luftbrücke, sondern dort werden Airdrops verwendet. Es sind High Altitude Airdrops, Ladungen mit Medikamenten und Nahrung. Wissen Sie, Herr Nouripour, das können Sie im Feld machen.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Im urbanen Gelände geht das nicht. Es funktioniert nicht. Sie fordern eine Luftbrücke. Sie funktioniert dort nicht. Airdrops können Sie in Aleppo nicht verwenden.
Das Zweite. Sie sprechen in Ihrem Antrag wiederum Deir al-Sor und die Sicherung des Luftraums durch das syrische Regime an. Das ist genau der Fall. Sie haben einfach die Beispiele verwechselt.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein, nein!)
Es gibt eine diametral andere Situation. Sie erwecken Hoffnungen für die Menschen, die Sie niemals erfüllen können.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie denn nicht zu?)
Das ist Schaufensterpolitik und hat mit der Situation vor Ort nichts zu tun, vor allem nicht mit der Ernsthaftigkeit der Lage.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben die Hoffnung aufgegeben!)
Dritter Punkt. Sie fordern in Ihrem Antrag – ich zitiere, Frau Präsidentin –:
Die Staaten der ISSG müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Vereinten Nationen und das WFP unterstützen, eine Luftbrücke … einzurichten.
Lieber Wolfgang Gehrcke, ihr unterstützt diesen Antrag.
(Zustimmung des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
Ich finde es gut, wenn ihr euch hier produktiv beteiligt. Aber ich habe die Linke in den letzten drei Jahren im Parlament immer gegen Militäreinsätze erlebt. Wenn im Antrag „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ steht, so ist das kein Ausschluss von Militär. Das ist der Bundeswehreinsatz in Syrien, der hier unter der Hand gefordert wird. Dafür sind wir nicht zu haben. Es wundert mich sehr, dass ihr dem zustimmt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Satz: „Lesen bildet“, hilft manchmal doch nicht!)
– Ich habe ihn gelesen.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie jetzt der Herr Gehrcke?)
– Ich bin noch gar nicht fertig mit Ihrem Antrag.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Wie gesagt: Es steht nicht viel drin. Aber alles, was drinsteht, ist falsch.
Herr Nouripour, das World Food Programme soll diese Luftbrücke machen. Ich habe mich mit dem Chef vom World Food Programme zufällig am Dienstag unterhalten.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das nicht zufällig gemacht! Wir haben es geplant!)
Wissen Sie, was der zu mir sagt? Er sagt: Wir halten überhaupt nichts von der Idee. Wir können das gar nicht. Wir möchten das in Aleppo so gar nicht machen, weil wir keine Sicherung haben und weil wir die Airdrops, die wir anwenden, gar nicht durchführen könnten.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, dass Sie sich, bevor Sie solche Anträge stellen, mit denen unterhalten, die das durchführen müssen, und auf sie hören. Denn Sprechen hilft auch, Lösungen zu generieren.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie eigentlich gelesen?)
Nächster Punkt: Sprechen hilft, Lösungen zu generieren – das haben wir gestern erlebt. Gestern gab es eine Konferenz in Berlin mit François Hollande, Angela Merkel und Wladimir Putin, die sich nach der Normandie-Runde auch darüber unterhalten haben. Sie haben auch darüber gesprochen – da können wir der Bundeskanzlerin dankbar sein –, wie wir in Syrien diplomatisch vorgehen. Darum geht es.
Herr Kollege Zech, die Kollegin Brantner hat eine Zwischenfrage.
(Zuruf von der SPD: Ach, Franziska!)
Wir machen es kurz. – Herr Zech, Sie haben darauf hingewiesen, dass das World Food Programme sagt: Wir brauchen Sicherheit. – Das ist alles gut.
Uns geht es darum, Assad und Russland damit zu konfrontieren und zu sagen: Wir sind bereit, Hilfe zu liefern. Dann müssen wir schauen, wie die Reaktion ist. Uns geht es nur darum, wenigstens diesen Schritt zu machen und zu sagen, dass wir bereit sind, das zu tun. Dann werden wir sehen, wie die Reaktion ist.
Frau Brantner, vielen Dank für die Frage. Ich sage Ihnen nur – darf ich zweimal zitieren, Frau Präsidentin? – als Antwort – ich zitiere aus Ihrem Antrag –:
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
… Die Staaten der ISSG müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Vereinten Nationen und das WFP unterstützen, eine Luftbrücke für alle notleidenden Menschen in Syrien einzurichten.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aus Ihrem eigenen Beschluss! Da hat Ihre eigene Bundesregierung zugestimmt! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre eigene Regierung hat zugestimmt!)
E-Mail des World Food Programme heute an mich – ich zitiere –:
Zu Ihrer Anfrage habe ich nochmals Rücksprache mit unserem Landesbüro in Syrien gehalten, was darauf hingewiesen hat, dass eine Luftbrücke oder Airdrops für Aleppo keine Option darstellen.
Das, Frau Brantner, ist die Antwort auf Ihre Frage. Machen Sie Ihre Hausaufgaben richtig,
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie richtig Anträge, und nicht irgendwas, was Sie sich ausgedacht haben!)
machen Sie hier vernünftig Politik,
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Zitat Ihrer Regierung!)
unterhalten Sie sich mit den Menschen, die das umsetzen müssen,
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie zitieren aus den Beschlüssen der Bundesregierung!)
und kommen Sie sonst nicht daher und stellen Anträge!
Ich darf fortführen: Wir haben seit dieser Woche wieder ein bisschen Hoffnung. Vielen Dank noch einmal an die Bundeskanzlerin für das Format gestern. Seit Dienstag gibt es kein Bombardement mehr. Wir haben bis Samstag – wenn auch nur kurz, aber immerhin jeden Tag – elf Stunden Waffenruhe in Aleppo. Ab morgen werden die ersten Menschen über acht Flucht- bzw. Rettungswege evakuiert. Das ist angesichts der Tragik der Situation ein Lichtblick. Lassen Sie uns doch gemeinsam dafür kämpfen, dass aus der Waffenruhe ein Waffenstillstand und aus dem Waffenstillstand irgendwann Frieden wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Gehrcke erhält das Wort für eine Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7020135 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 196 |
Tagesordnungspunkt | Völkerstrafrechtliche Sühnung von Verbrechen |