20.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 196 / Tagesordnungspunkt 14 + ZP 7

Heribert HirteCDU/CSU - Nichtfinanzielle Berichterstattung der Unternehmen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Corporate Social Responsibility – wir haben es gerade schon vom Staatssekretär gehört – beschreibt die Tatsache, dass Unternehmen nicht nur ihren Eigentümern gehören, sondern in vielfältiger Weise auch zu anderen Bezugsgruppen in intensiver Beziehung stehen. Zu nennen sind erst einmal die Arbeitnehmer; aber die Unternehmen haben auch – positiven oder negativen – Einfluss auf die Umwelt, und sie können durch ihre Zulieferketten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen auch in anderen Ländern haben.

All das sind wichtige Faktoren, die den Wert eines Unternehmens nicht zwingend für die Eigentümer, wohl aber für uns, für die Gesellschaft, ausmachen. Hierüber mehr zu wissen, ist deshalb ein berechtigtes Anliegen eben dieser unserer Gesellschaft, das man verfassungsrechtlich als Teil der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ansehen kann. Die bislang fehlende Offenlegung ist aber sicher auch der Tatsache geschuldet, dass es hier um Faktoren geht, die man bilanziell – ich sage das bewusst – als „weiche“ Faktoren bezeichnet.

Die Europäische Union unternimmt deshalb mit der Richtlinie, die durch das Gesetz umgesetzt werden soll, zu Recht den Versuch, die Art und Weise der Berichterstattung über diese Informationen europaweit anzuordnen und zu harmonisieren. Sie tut das, indem sie die Offenlegung der maßgeblichen Informationen als Teil des Jahresabschlusses verlangt, was insoweit durchaus richtig ist, als aus den genannten Sachverhalten Risiken aber eben auch Chancen für die Unternehmen resultieren können, die auch heute schon Gegenstand des Lageberichts im Jahresabschluss sind.

Deshalb sieht der Regierungsentwurf vor – Herr Kelber hat das eben schon gesagt –, dass kapitalmarkt­orientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern bestimmte, sogenannte nichtfinanzielle Angaben in die Bilanz aufnehmen müssen. Es gibt die Möglichkeit, in bestimmten Fällen auf diese Angaben zu verzichten, wenn entweder diese zu erheblichen Nachteilen führen könnten oder man das konzernweit zusammenfasst.

Bei alledem sollte aber nicht übersehen werden, dass wir in Deutschland mit der unternehmerischen Mitbestimmung schon heute Stakeholder-Interessen in einem Maße einbeziehen, das im internationalen Vergleich keineswegs selbstverständlich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu erinnern ist zudem daran, dass der Aufsichtsrat nach § 171 Aktiengesetz den Jahresabschluss einschließlich der jetzt neu einzuführenden Angaben zu prüfen hat und dass auch auf diesem Wege Stakeholder – bei mitbestimmten Unternehmen vor allen Dingen die Arbeitnehmer – ihre Sicht der Dinge transparent in die erweiterte Berichterstattung des Jahresabschlusses einfließen lassen können und müssen.

Bei allem Verständnis für das Interesse an zusätzlichen Informationen darf nicht übersehen werden,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Interesse?)

dass deren Beschaffung und Zurverfügungstellung für die Unternehmen einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand darstellt.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was!)

– Frau Künast, auf Ihren Antrag komme ich gleich noch zu sprechen. – Deshalb ist es richtig, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht von der Berichtspflicht umfasst werden, dass keine weiteren Themen – jedenfalls im Augenblick; Herr Kelber hat das angesprochen – in den Gesetzentwurf aufgenommen werden, insbesondere nicht die Frage des Verbraucherschutzes, und dass die Angaben zur Corporate Social Responsibility nicht von einem externen Prüfer auf inhaltliche Richtigkeit überprüft werden müssen.

Dieser zutreffende Ansatz hinsichtlich der Einschränkungen muss aber noch ein bisschen nachgezeichnet werden. Denn zunächst fehlt die entsprechende Konkretisierung bzw. Einschränkung im sogenannten Enforcement-Verfahren. Zudem wird diese Beschränkung derzeit noch dadurch konterkariert, dass bei einer freiwilligen externen Überprüfung des Berichts das Ergebnis dennoch offenzulegen ist. Auch darüber müssen wir nachdenken. Schließlich ist es möglich, dass über eine Anfechtungsklage eine Prüfung erzwungen wird. Damit wird der Ansatz im Ergebnis konterkariert. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob das wirklich so gewollt ist.

Was die teilweise geforderten Angaben zum Verbraucherschutz anbelangt, kann man nur sagen, dass ihre Verortung im Jahresabschluss systemfremd wäre. Denn von einem Unternehmen kann nicht gleichzeitig die Gewinnerzielung verlangt werden – denn das ist es, wofür Gesellschaften da sind – und auf der anderen Seite die Berücksichtigung der Interessen der Marktgegenseite.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Was ist das denn für ein Unsinn? Du kannst doch nicht die Kunden vergiften!)

Ein richtiger Ansatz ist hier vielmehr, dass diese Aufgabe wie bisher durch unabhängige dritte Institutionen wie die Stiftung Warentest oder durch Gütesiegelgemeinschaften wahrgenommen wird. Auch darüber haben wir schon einiges gehört.

Dass die Kosten im Übrigen zu gering angesetzt sind, hat der BDI zu Recht angeführt.

Jetzt, Frau Künast, zu Ihrem Antrag: Mit den in ihm enthaltenen Forderungen – Sie werden diese sicher gleich vortragen – nach einer deutlichen Ausweitung des Anwendungsbereichs des Gesetzes und vor allem einer erheblichen Zahl weiterer Vorgaben für den Inhalt der Berichtspflicht einschließlich der Notwendigkeit einer externen Prüfung zeigen Sie völliges Unverständnis für die Belange der kleinen und mittleren Unternehmen. Ich würde mich fragen, ob Ihre Kollegen in Hessen und Baden-Württemberg das genauso sehen. Wir werden diesen Antrag jedenfalls ablehnen, und ich freue mich auf die weiteren Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Dr. Hirte. – In der Tat, die nächste Rednerin: Renate Künast für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7020205
Wahlperiode 18
Sitzung 196
Tagesordnungspunkt Nichtfinanzielle Berichterstattung der Unternehmen
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