21.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 197 / Tagesordnungspunkt 26

Clemens BinningerCDU/CSU - Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Parlamentarische Kontrollgremium ist eines der wenigen Gremien, die ausdrücklich in unserer Verfassung genannt sind. Die Mitglieder dieses Gremiums haben eine besondere Stellung, weil sie, anders als die Mitglieder in Fachausschüssen, nicht von ihren Fraktionen benannt und dorthin entsandt werden, sondern vom Parlament in geheimer Wahl mit Kanzlermehrheit gewählt werden. Das zeigt deutlich, dass dieses Gremium die Kontrolle der Nachrichtendienste ausübt anstelle des Parlamentes. Wir vertreten das ganze Parlament: nicht Parteipolitik, nicht in erster Linie Fraktionsinteressen, sondern die Interessen des Parlamentes.

Dieses Gremium, das es schon lange gibt und das sehr lange nur im Geheimen getagt hat – vielleicht sogar etwas über Gebühr –, hatte 2009 eine größere Reform erfahren und hat eine Reihe von Befugnissen bekommen. Das Parlamentarische Kontrollgremium darf die Nachrichtendienste aufsuchen, Mitarbeiter befragen, sich Akten herausgeben lassen und von der Regierung Informationen verlangen.

Aber in der Praxis war es schon so – als ehemaliges Mitglied und jetzt Vorsitzender dieses Gremiums muss ich das auch selbstkritisch sagen –: Wir hatten die Instrumente, aber wir hatten eigentlich nicht das Personal und schon gar nicht die Zeit, sie entsprechend anzuwenden. Wenn man aber eine wichtige Aufgabe erledigen will, muss man ihr auch im gebotenen Umfang nachkommen können.

Vielen von uns ist es bei manchen Themen, die die Nachrichtendienste betreffen, so gegangen, dass wir in unseren Gremiensitzungen – ich will es einmal so sagen – der Presseberichterstattung etwas hinterhergehinkt sind. Bei dem einen oder anderen Thema haben wir uns vielleicht auch angesehen und gefragt: Was steckt dahinter?

Das hat auch dazu geführt, dass manche Kritik, die man an den Nachrichtendiensten üben kann, und mancher Fehler in der Vergangenheit eine Art Skandalmelodie erfahren haben, was vielleicht gar nicht notwendig gewesen wäre, hätte vorher ein Gremium sagen können: Diesen Fall kennen wir. Wir haben ihn untersucht. Wir haben kontrolliert. Es mag Kritik geben, aber es ist kein Grund zur Skandalisierung.

Deshalb war unsere Überlegung: Wie können wir die Arbeit dieses Gremiums – nicht zuletzt auch als Reaktion auf die ganze Thematik im Zusammenhang mit NSA, Snowden, den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses, aber auch unseren eigenen Erkenntnissen, weil wir eine Taskforce eingesetzt und das untersucht haben – leistungsstärker machen und verbessern und die Kontrolle dauerhaft auf ein seriöses hohes Niveau heben?

Wir sind nicht – das sage ich als Vorsitzender immer wieder – der Durchlauferhitzer für Skandale. Wir sind nicht dazu da, Parteipolitik zu machen. Wir sind nicht dazu da, etwas hochzublasen, damit andere sich profilieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir kontrollieren seriös und kompetent. Damit leisten wir in zweierlei Hinsicht einen Beitrag. Ich bin sehr dafür – wir werden das nachher mit Blick auf den anderen Gesetzentwurf auch noch zu besprechen haben –: Wir brauchen leistungsfähige und starke Nachrichtendienste. Wir brauchen aber auch Nachrichtendienste, die konsequent kontrolliert werden – im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht durch die Exekutive, aber auch durch das Parlament.

Ich will mich vor die Nachrichtendienste stellen können. Das tue ich auch. Das kann ich aber nur, wenn ich weiß, dass ich sie gut, umfassend und seriös kontrolliere.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Deshalb beheben wir mit diesem Gesetzentwurf eine Reihe von Mängeln, die wir festgestellt haben.

Punkt eins: mehr Personal. Wir schaffen einen Arbeitsstab mit einem Ständigen Bevollmächtigten an der Spitze. Das ist nicht – das sage ich deutlich – der Nachrichtendienstbeauftragte des Parlaments – das sind wir, die neun gewählten Parlamentarier –, das ist vielmehr unser Arbeitsstab. Der Bevollmächtigte ist der Chef dieses Arbeitsstabes. Er arbeitet in unserem Auftrag dauerhaft an dieser Aufgabe und berichtet ausschließlich uns. Damit wird eine wichtige Lücke geschlossen.

Wir fügen öffentliche Elemente ein. Manches bei den Diensten ist zu Unrecht, wie ich finde, in einer Grauzone. Die Dienste können sich mehr öffnen. Wir leisten dazu einen Beitrag – unsere Sitzungen sind grundsätzlich geheim; daran wird sich nichts ändern –: Einmal im Jahr wird es eine öffentliche Anhörung mit den Präsidenten der Nachrichtendienste wie in den USA geben. Das ist für beide Seiten eine Chance, ihre Arbeit darzustellen. Dadurch tragen wir zur Akzeptanz unserer Arbeit, aber auch der Arbeit der Dienste bei. Damit tun wir den Diensten – das glaube ich schon – einen großen Gefallen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir führen eine Regelung ein, nach der Mitarbeiter uns, das PKGr, mit Informationen über Missstände versorgen können. Wir schützen diese – der Begriff gefällt mir zwar nicht – Whistleblower. Wir können sie aber nicht beliebig schützen. Wir sagen: Wer uns Missstände mitzuteilen hat, wird geschützt. Sein Name wird nicht an die Exekutive gegeben. Solange wir ihn nicht für die Aufklärung brauchen, bleibt der Name bei uns.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn  [DIE LINKE])

Aber ich habe schon die Erwartung, dass, wer Missstände anprangert und weiß, dass er geschützt wird, seinen Namen nennt. Für anonyme Mitteilungen ist dieses Gremium nicht zuständig. Deshalb haben wir eine gute Regelung gefunden: Schutz der Hinweisgeber bei klarer Benennung und Schutz des Namens, solange wir ihn nicht unbedingt weitergeben müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich komme zu meinem letzten Punkt; das wurde häufig kritisiert. Kollege Ströbele wird es gleich in seiner Rede auch wieder sagen: Er wird unvollständig informiert. – Er findet oft drastischere Worte, die meistens etwas übertrieben sein mögen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na! Jetzt geht es aber los!)

Wir hatten in der Vergangenheit das Grundproblem: Welche Fälle von besonderer Bedeutung teilt uns die Bundesregierung mit? Der Streit war immer der gleiche. Es hieß: Das kommt darauf an.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Deshalb haben wir im Gesetzentwurf eine Regelung vorgesehen, in der wir definieren, was Fälle von besonderer Bedeutung sind. Diese muss uns die Regierung mitteilen. Damit haben wir Rechtssicherheit und Klarheit auf beiden Seiten. Damit ist die Zeit der Ausreden vorbei. Deshalb kommen wir damit auch in dieser Hinsicht auf ein neues Informations- und ein neues Qualitätsniveau der Kontrolle.

Ich kann in Summe sagen: mehr Personal für die Aufgabe, mehr Öffentlichkeitselemente, klare Definitionen, Schutz von Hinweisgebern. Wir stärken dieses Gremium. Es ist das Gremium des ganzen Parlaments. Das sollten wir nie vergessen. Es leistet einen wichtigen Beitrag.

Ich hoffe sehr, dass die Zustimmung zu diesem guten Gesetzentwurf breit ausfällt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Hahn, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7020273
Wahlperiode 18
Sitzung 197
Tagesordnungspunkt Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste
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