André HahnDIE LINKE - Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Beste am Gesetzentwurf der Koalition ist der Titel: Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes. Die ist auch dringend nötig. Der Inhalt des Gesetzes erfüllt den Anspruch einer effektiveren und vor allem einer besseren Kontrolle jedoch definitiv nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe schon in der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass in diesem Gesetzentwurf wichtige Punkte fehlen. Andere sollen zwar Eingang finden, werden jedoch nur halbherzig geregelt. In einer ganz zentralen Frage wird das Parlamentarische Kontrollgremium eher geschwächt als gestärkt. Ich komme im Einzelnen noch darauf zurück.
Ich muss leider feststellen, dass sich die Koalition auch in den Ausschussberatungen wieder einmal völlig beratungsresistent gezeigt hat. Bis auf eine klitzekleine Ergänzung gab es nicht eine einzige substanzielle Änderung am ursprünglichen Gesetzentwurf. Das wäre aber mit Blick auf den nächsten Tagesordnungspunkt dringend erforderlich gewesen. Wer der Massenüberwachung durch den BND Tür und Tor öffnen,
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
den Auslandsgeheimdienst auch im Inland einsetzen und das Ausspähen unter Freunden nun ganz offiziell erlauben will, müsste wenigstens die parlamentarische Kontrolle stärken. Doch genau das passiert nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb werden und können wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Eigentlich wollte ich die Koalition zumindest in einem Punkt loben
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Dann mach doch! – Burkhard Lischka [SPD]: Jetzt gib dir einen Ruck!)
– ich hätte es gern getan –, weil, wie von uns seit langem gefordert, den PKGr-Mitgliedern endlich erlaubt werden sollte, zumindest den eigenen Fraktionsvorsitzenden über wichtige Themen aus dem Gremium zu informieren. So stand es ursprünglich in einer von netzpolitik.org geleakten Arbeitsfassung der Koalition. Im Gesetzentwurf findet sich darüber kein Wort mehr.
Dass sich Mitarbeiter der Dienste künftig – Herr Binninger hat darauf hingewiesen – bei Missständen oder Problemen zunächst auch ohne Unterrichtung ihrer Vorgesetzten an das PKGr wenden können, klingt vernünftig.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das war schon immer so!)
Wenn deren Namen im Zweifel auf Verlangen der Bundesregierung aber dann doch wieder bekannt gegeben werden sollen, ist das mit Sicherheit kein wirksamer Whistleblower-Schutz.
(Beifall bei der LINKEN)
Dass das PKGr von ihm in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten künftig an andere Gremien des Bundestages und an Untersuchungsausschüsse der Landtage weitergeben kann, ist eigentlich selbstverständlich. Hier wird eine bislang vorhandene Regelungslücke geschlossen.
Völlig in die falsche Richtung geht die geplante Schaffung eines Ständigen Bevollmächtigten des PKGr. Diese Stelle samt Stellvertreter kostet Millionen und bringt wenig bis gar nichts.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das denn? – Burkhard Lischka [SPD]: Vorher haben Sie was ganz anderes gefordert!)
Vielmehr besteht die ernste Gefahr, dass besonders sensible Vorgänge oder Akten künftig allein dem Bevollmächtigten vorgelegt werden und nicht mehr den gewählten Abgeordneten; ich erinnere an den Sonderbeauftragten Graulich und die NSA-Selektoren. Damit würde die parlamentarische Kontrolle nicht unterstützt, sondern letztlich ausgehebelt. Auf den Mitarbeiterstab des sogenannten Bevollmächtigten wird die Opposition keinerlei Einfluss haben.
(Burkhard Lischka [SPD]: Wo steht denn das? Ich habe diese Fundstelle im Gesetz gar nicht gefunden!)
Ich finde es im Übrigen ziemlich perfide, dass, bevor das Gesetz überhaupt beschlossen worden ist, die personelle Besetzung für das noch gar nicht existierende Amt in der Koalition schon ausgedealt wurde. So viel zum Respekt gegenüber dem Parlament.
(Beifall bei der LINKEN)
Dass in der Union allen Ernstes erwogen worden ist, den derzeitigen Vizechef des BND zum neuen Geheimdienstkontrolleur umzufunktionieren, setzt dem Ganzen noch die Krone auf.
(Burkhard Lischka [SPD]: Davon weiß ich gar nichts! Das ist Bild -Zeitungs-Wissen! – Dr. Eva Högl [SPD]: Das sind Bild -Zeitungs-Gerüchte!)
Wer so agiert, braucht sich über Politikverdrossenheit wahrlich nicht zu wundern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schließlich fehlen im Entwurf der Koalition wichtige Punkte, so eine Stellvertreterregelung für die Mitglieder des PKGr, die Schaffung der Möglichkeit zur Einsicht in die elektronischen Daten und Netzwerke der Dienste – genauso wie sie die Kollegen in den Niederlanden oder in Norwegen haben – sowie die Anfertigung eines Tonbandmitschnitts der gesamten Sitzung des PKGr, um später bei Bedarf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben von Bundesregierung bzw. Geheimdiensten prüfen zu können.
(Burkhard Lischka [SPD]: Das haben wir doch alles schon gemacht!)
Nach dem Willen von CDU/CSU und SPD gibt es trotz erdrückender Übermacht im Parlament auch keinerlei Stärkung der Minderheitenrechte im Kontrollgremium. Der künftige Ständige Bevollmächtigte kommt wohl aus dem Bundesinnenministerium. Wer glaubt denn ernsthaft, dass der im Zweifel seinen jetzigen Chef in Schwierigkeiten bringen wird, wenn es um den Verfassungsschutz geht?
Ich habe bereits in der ersten Lesung BND-Präsident Kahl hier zitiert, der bei seiner Amtseinführung erklärte: Geheimer Nachrichtendienst und vollständige Transparenz schließen sich aus. – Ja, das ist wohl so, und genau daraus resultiert unsere grundsätzliche Skepsis gegenüber Geheimdiensten. Solange es für deren Überwindung aber keine realistische Mehrheit hier im Parlament gibt, müssen wir sie wenigstens halbwegs vernünftig kontrollieren. Der Gesetzentwurf der Koalition leistet dazu keinen Beitrag. Der Entwurf der Linken gibt die eindeutig besseren Antworten, selbst wenn die Mehrheit ihn heute wieder ablehnen wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Seid ihr jetzt dafür, sie zu behalten? Ich denke, ihr wollt sie abschaffen!)
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Dr. Eva Högl das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7020275 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste |