Peter WeißCDU/CSU - Flexi-Rentengesetz
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der Kollege Kurth hat vorhin eine politische Bewertung verlangt. Ich finde, die politische Bewertung ist: Wir verabschieden heute ein Gesetz, bei dem – das gibt es selten – alle gewinnen. Es ist ein Gewinnergesetz, und zwar für jeden in unserer Gesellschaft, vor allen Dingen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es war vielleicht früher etwas anders, aber heute ist die überwiegende Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht an starren Grenzen und Regeln interessiert, sondern daran, das eigene Leben und damit auch das eigene Arbeitsleben selber zu regeln, also die Fragen, wann man aufhört, zu arbeiten, und ob man sein Arbeitsleben vielleicht langsam ausklingen lässt, selber zu beantworten. Die Möglichkeit einer solchen Entscheidung in individueller Freiheit setzen wir heute in gesetzgeberischer Form um. Deswegen ist es ein großer Gewinn für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land, was wir an Flexibilisierung ins Rentenrecht neu hineinschreiben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist für mich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, schon bezeichnend, dass die Linke im Ausschuss mit Nein gestimmt hat.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)
– Doch!
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir haben uns im Ausschuss enthalten! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich enthalten!)
– Ihr habt euch auch enthalten.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, selbstverständlich!)
Die Linke jedenfalls kritisiert dieses Gesetz sehr und will mit Enthaltung stimmen, weil sie nach alter DDR-Manier
(Zurufe von der LINKEN: Oh!)
lieber alles haarklein vorschreibt, anstatt individuelle Freiheit zu gewähren. Das ist der Punkt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, nein! Sie müssen jetzt etwas Neues sagen, nicht das, was da steht! Das passt nicht mehr! Wir haben uns enthalten!)
Ich mache Ihnen das an einem Beispiel deutlich. Der Daimler-Konzern fährt schon heute ein Senior-Experts-Programm. Ein mittlerweile 70‑jähriger Rentner, ehemaliger Facharbeiter, hat sich bereit erklärt, noch einmal einzusteigen, und zwar für die Integration von Flüchtlingen in die Ausbildungsgänge. Er macht das nicht, weil er muss, sondern weil er Spaß und Freude daran hat, sich in der Flüchtlingsintegration noch einmal beruflich zu engagieren. Ich finde, es ist eine Unverschämtheit, in einem solchen Fall von „Arbeiten bis zum Umfallen“ zu reden, wie es die Linke tut. Das ist eine Beleidigung für diesen Arbeitnehmer.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Quatsch! Völliger Quatsch! Ich habe in der ersten Zeile gesagt: Wer kann und will, soll länger arbeiten können! Sie haben nicht zugehört, Herr Kollege!)
Der Daimler-Konzern muss in seinem Flyer, in dem er über dieses Senior-Experts-Programm informiert – ich zeige ihn: er sieht so aus –, natürlich darauf hinweisen, dass derjenige, der zwischen 63 und 65 alt ist und in eine solche Sache einsteigen will, maximal 450 Euro hinzuverdienen kann, weil ansonsten das Fallbeil der Rentenkürzung zum Tragen kommt. Da der Daimler-Konzern nicht ganz unvermögend ist, kann er in dem Fall sogar aushelfen, indem er einen pauschalen Rentenausfallzuschuss gewährt; das kann nicht jeder.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ab morgen können solche Broschüren geändert werden. Wir schaffen das Fallbeil der automatischen Rentenkürzung ab.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zugleich erhöhen Sie die Profite von Daimler! Herzlichen Glückwunsch!)
Das ist ein großartiger Erfolg für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es ist schon dargestellt worden: Man kann auf jeden Fall nach dem 63. Lebensjahr 6 300 Euro im Jahr ohne Anrechnung hinzuverdienen. Von dem Hinzuverdienst, der darüber hinausgeht, kann man 60 Prozent behalten; 40 Prozent werden auf die Rente angerechnet. So kann man das individuell gestalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde es ungeheuerlich, dass die Oppositionsfraktionen mit dem Schreckwort „Spitzabrechnung“ den Leuten jetzt vor dieser Regelung Angst machen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Waren Sie einmal in der Anhörung? – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Spitzabrechnung“ ist ein technischer Begriff, den wir in allen möglichen Bereichen haben! Das ist meist besser als eine pauschale Regelung!)
Entschuldigung, wenn ich als Arbeitnehmer eine Teilrente beziehe und weiß, dass ich Geld hinzuverdienen kann, dann interessiert mich sehr wohl, was exakt dabei herauskommt, und zwar möglichst für jedes Jahr. Was wir machen, ist: Wir sorgen dafür, dass der Arbeitnehmer, der so etwas macht, also Teilrente bezieht und Teilzeit arbeitet, exakt weiß, was nach einem Jahr dabei herauskommt. Das ist Transparenz, die notwendig ist, die auch richtig ist und die ich nicht als „Spitzabrechnung“ diffamieren würde.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich schicke dann alle Rentnerinnen und Rentner zu Ihnen!)
Die Redner der Koalitionsfraktionen sind zum Teil auf einen Vorschlag aus der Anhörung eingegangen, mit dem wir uns über Monate auseinandergesetzt haben, und haben gefordert, das anders zu regeln. Ich will Ihnen einmal sagen, was die andere Regelung, die Alternative, bedeuten würde. Dann würde es die Spitzabrechnung nicht geben, und es würde nach Renteneintritt 26 Jahre dauern, bis das ausgeglichen ist, was eventuell zu viel oder zu wenig verdient worden ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, derjenige, der sich exakt an die Regeln gehalten hat und bei dem nichts auszugleichen ist, wird sich herzlich dafür bedanken, dass es Kollegen gibt, die ein bisschen getrickst haben – in Anführungsstrichen – und das über 26 Jahre ausgeglichen bekommen. Entschuldigung, aber die Kampagne der Bild -Zeitung gegen eine solche Regelung möchte ich nicht erleben. Was wir machen, ist gerecht, ist transparent, ist das, was, wie ich glaube, die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben wollen. Die Alternative ist schlichtweg ein Ungetüm. Deswegen haben wir sie abgelehnt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Entschuldigung, Herr Kurth, ich verstehe auch die Welt der Grünen nicht mehr. Gerade Ihr Parteiprogramm ist doch geprägt von der Forderung nach mehr individueller Freiheit und mehr Gestaltungsmöglichkeiten.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut erkannt!)
Dass die Grünen einen Gesetzentwurf, der genau das ermöglicht, ablehnen, verstehe ich nicht. Das ist im Grunde genommen ein Attentat auf euer eigenes Parteiprogramm, Entschuldigung.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, wir lehnen den nicht ab! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein, das ist ja nicht so! Wir enthalten uns! – Gegenruf der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Enthaltung ist noch schlimmer! Das ist überhaupt keine Position!)
Es ist doch so – das ist in Ihrer Rede deutlich geworden; auch der Kollege Rosemann hat das angesprochen –, dass Sie verzweifelt nach einem Haar in der Suppe suchen, das dort aber gar nicht zu finden ist, um nachher mit Enthaltung stimmen zu können.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind ganze Haarbüschel in der Suppe!)
Ich finde, es ist beschämend, dass die Grünen sich nicht einmal dazu durchringen können, zu sagen, dass wir genau das machen, was Grundtenor des Parteiprogramms der Grünen ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man den Übergang aus dem Arbeitsleben in die Rente flexibel gestalten möchte und die Möglichkeit schaffen will, dass man sich auch nach Eintritt in die Rente entscheiden kann, vielleicht noch einmal für ein paar Monate ins Erwerbsleben einzutreten, um zum Beispiel wie der von mir erwähnte Daimler-Mitarbeiter bei der Flüchtlingsintegration zu helfen, dann kommt es natürlich im Wesentlichen darauf an, dass man gesund ist und Spaß an der Arbeit hat. Deswegen – das möchte ich noch einmal betonen – stärken wir mit diesem Gesetz die Prävention und die Rehabilitation. Wir erlauben der Rentenversicherung, früher und stärker im Bereich der Prävention tätig zu werden.
Außerdem wenden wir uns der zukünftigen Arbeitnehmerschaft zu, also den jungen Menschen, die die Zukunft unseres Landes sind, indem wir die Kinder- und Jugendreha zu einer Pflichtleistung machen. Ich darf Ihnen sagen: Ich persönlich war als kleines Kind gesundheitlich schwächlich, habe sieben Lungenentzündungen gehabt. Man hat mich zu einer Kinderkur nach Bad Dürrheim im Schwarzwald geschickt. Ich muss sagen: Seither habe ich nie mehr eine Lungenentzündung gehabt und bin bis zum heutigen Tage ein relativ gesunder Mensch. Das zeigt, Kinder- und Jugendreha ist manchmal notwendig und wichtig, um jemanden für die Zukunft, für sein Arbeitsleben gesundheitlich zu stärken und zu schützen. Dass wir der Kinder- und Jugendreha im vorliegenden Gesetzentwurf diesen Stellenwert geben, ist ein großartiger Fortschritt, der jeden zur Zustimmung veranlassen sollte.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Der Kollege Ralf Kapschack spricht jetzt für die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7020320 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Flexi-Rentengesetz |