21.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 197 / Tagesordnungspunkt 29

Volker UllrichCDU/CSU - Managergehälter

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion um Managergehälter muss komplexer geführt werden, weil es den Manager so nicht gibt, wie Sie, Frau Kipping, es uns hier haben vermuten lassen. Es gibt Mitglieder des Vorstands von börsennotierten Unternehmen. Es gibt Geschäftsführer von GmbHs. Es gibt Vorstände von Genossenschaften. Es gibt die zweite oder dritte Führungsebene in Unternehmen. Die Frage der Führungsverantwortung in Unternehmen ist viel komplexer als das, was Sie uns hier haben glauben lassen.

In der Tat steht die Frage der Vorstandsvergütung in einem Spannungsverhältnis zwischen der Vertragsfreiheit und dem Recht auf Eigentum der Unternehmer einerseits und der sozialen Bindung und Verantwortung der Führungsebene andererseits.

Wir dürfen auch ein Phänomen nicht außer Acht lassen, für das erst letzte Woche der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde: dass die Managementvergütung in der Tat Regeln braucht, damit keine Situation entsteht, in der ein Geschäftsführer oder ein Vorstand zu sehr risikogeneigten Geschäften greift, einfach deswegen, weil er schlichtweg nicht haftet. Das ist der Sachverhalt, über den wir sprechen.

Der Gesetzgeber in Deutschland hat darauf schon reagiert: Seit mehr als sieben Jahren ist § 87 des Aktiengesetzes in Kraft.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Genau!)

Frau Kipping, ich darf Ihnen einfach noch einmal etwas vorlesen, weil Sie offensichtlich in Unkenntnis dieses Paragrafen argumentieren – ich zitiere –:

Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds ... dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Und was ist jetzt „angemessen“?)

Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten.

In § 87 Absatz 2 Aktiengesetz ist klar geregelt, was passiert, wenn sich die Verhältnisse der Gesellschaft verschlechtern. Daher ist festzustellen: Wenn Sie die jetzige Rechtslage kennen,

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Wir sehen das Ergebnis der Rechtslage!)

aber trotzdem so einen Antrag basteln, dann fällt das auf Sie zurück. Wenn Sie die Rechtslage nicht kennen und einen solchen Antrag vorlegen, dann ist das schlichtweg Populismus und, ich meine, sogar ein ziemlich plumper obendrein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will nicht verhehlen, dass es auch in Deutschland Beispiele für Managervergütungen gibt, die weder etwas mit dem Leistungsgedanken noch mit sozialer Marktwirtschaft zu tun haben. Das muss und das kann bereits nach geltendem Recht bearbeitet werden. Wenn Sie als Mitglied eines Aufsichtsrates eine zu hohe Vorstandsvergütung festlegen, dann sehen Sie sich unter Umständen den Vorwürfen der Untreue ausgesetzt.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: So ist es! Genauso ist es!)

Unser Recht ist in diesem Bereich schon scharf genug. Wir brauchen deshalb keine undifferenzierten Regelungen, die weit hinter dem zurückbleiben, was im Aktienrecht bereits seit Jahren anerkannt ist.

Ich möchte kurz auf das eingehen, was Frau Kipping eben gesagt hat. Sie schlagen vor, dass die Vergütung eines Managers nicht das 20-Fache eines durchschnittlichen sozialversicherungspflichtigen Lohns übersteigen darf.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Wie viel schlagen Sie denn vor?)

Ich stelle zunächst einmal fest: Das wird in keiner Weise den praktischen Verhältnissen gerecht; denn Sie stülpen Organisationen irgendwelche Zahlen über, ohne zu beachten: Wie ist die Struktur im Unternehmen? Welche Mitarbeiter mit welchen Qualifikationen sind beschäftigt? Hat ein Unternehmen neben den Arbeitnehmern aus akademischen, technischen Berufen sehr viele Arbeitnehmer aus niedrigen Lohngruppen, dann werden Sie dem Unternehmer durch eine Festlegung auf das 20-Fache nicht gerecht.

Sie machen sogar Folgendes: Sie vergrößern den Anreiz für das Management, gerade die unteren Lohngruppen auszulagern, outzusourcen oder in andere Gesellschaften zu verschieben, sodass die Gefahr besteht, dass die Mitarbeiter am Ende sogar viel weniger verdienen.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Genau! So ist es!)

Wenn Ihnen daran gelegen ist, dass Menschen in den unteren Lohngruppen ihr Gehalt halten oder sogar mehr verdienen, dann können Sie das übrigens beweisen, indem Sie unserem Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung zustimmen.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das ist eine ziemliche Trickserei! Dazu werden meine Kollegen das Notwendige sagen!)

Frau Kipping, auch das ist ein Gesetz, mit dem die Union deutlich macht, dass uns viel an Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen gelegen ist. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.

Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?

Ja.

Herr Kollege Ullrich, danke, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben eben davon gesprochen, dass es heute schon möglich sei, einen Aufsichtsrat anzugehen, weil er zu hohe Vorstandsvergütungen zugelassen hat. Erstens. Ist Ihnen irgendein Fall bekannt, der belegt, dass das schon einmal stattgefunden hat?

Zweitens. Sie haben gesagt, das 20-Fache sei falsch. Wir haben gerade gehört, es gibt erfolgreiche Unternehmen, die sogar nur das Achtfache zahlen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Verhältnis zwischen den untersten Einkommen und den höchsten Einkommen im selben Unternehmen immer größer wird und eine immer größere Diskrepanz entsteht? Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich dieses Verhältnis offensichtlich trotz der Gesetze, die Sie ansprechen – Sie werfen der Kollegin Kipping vor, sie hätte diese nicht gelesen –, weiter vergrößert? Oder muss ich aufgrund Ihrer Ausführungen annehmen, dass Sie es völlig in Ordnung finden, dass ein Sparkassendirektor inzwischen das Mehrfache unserer Bundeskanzlerin verdient?

(Beifall bei der LINKEN)

Sind Sie weiterhin bereit, zur Kenntnis zu nehmen – das konnte ich Ihren Ausführungen nicht entnehmen im Gegensatz zu dem, was wir vorher gehört haben –, dass das überhaupt ein Problem darstellt? Denn die Bürgerinnen und Bürger und die von Frau Kipping erwähnte Krankenpflegerin fragen sich irgendwann, was ihre Arbeit eigentlich noch wert ist im Verhältnis zu demjenigen, der in der Chefetage eines Unternehmens sitzt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist das noch eine Frage?)

Natürlich verrichtet er seine Tätigkeit, aber im Verhältnis zum Lohn desjenigen, der die Arbeit wirklich erbringt, wird er unverhältnismäßig entlohnt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Sind Sie bereit, überhaupt das Problem zu erkennen? Denn was Sie hier machen, ist ja, so zu tun, als sei eigentlich alles in Ordnung. Für Sie ist die Rechtslage in Ordnung; aber die Praxis zur Kenntnis zu nehmen, verweigern Sie sich. Ich frage Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, wie die Probleme sind, oder sehen Sie das gar nicht als Problem?

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Das haben wir 2009 schon gemacht!)

Herr Kollege Ernst, ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie nicht gewillt sind, sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen,

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Richtig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schwache Antwort!)

sondern dass Sie schlichtweg in einer Abfolge von Suggestivfragen alles vermischen: die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung, die Frage der Lohnspreizung in einer Gesellschaft, die Frage der Durchsetzung der angemessenen Vorstandsvergütung.

Es gab natürlich in den letzten Jahren genügend Fälle, in denen wegen Untreue und wegen überhöhter Geschäftsführerbezüge gegen einige GmbH-Gesellschafter sowie gegen Aufsichtsratsmitglieder ermittelt worden ist,

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Und gegen die Banken?)

weil nämlich das Interesse des Unternehmens an einer risikogeeigneten Vergütung ein schützenswertes Interesse ist. Ich möchte Ihnen nur deutlich machen, dass Sie durch Ihre Vorschläge nicht die Menschen schützen, die Sie hier vorgeben zu schützen,

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Und wen schützen Sie?)

nämlich den Arbeiter, den Handwerker, die Krankenschwester, sondern dass Sie eine Debatte um Exzesse führen, die man mit dem geltenden Recht bereits in den Griff bekommen kann. Aber durch die Debatte, die Sie führen, hat keine einzige Krankenschwester 1 Euro mehr im Geldbeutel.

Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass gerade die Lohnentwicklung der letzten Jahre unter dieser Bundesregierung stark angestiegen ist, dass es den Menschen in Deutschland insgesamt gut geht und dass diese Bundesregierung eine Mindestlohnregelung geschaffen hat. Dies alles sind Fortschritte für die Arbeitnehmer, die mit Ihnen nicht möglich gewesen wären.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was? – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Jetzt kann er sich hinsetzen!)

Um noch auf einen letzten Punkt hinzuweisen: Sie kritisieren in Ihrem Antrag auch die zu hohen Boni und die Gehaltsstrukturen bei den deutschen Großbanken. Ja, daran ist vielleicht ein Körnchen Wahrheit; aber ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass auch hier mittlerweile eine gesetzgeberische Aktivität entfaltet wird, die Sie überhaupt nicht ansprechen, weil Sie möglicherweise gar keine Kenntnis davon genommen haben.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Alles zu speziell!)

Es gibt einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung. Damit werden EU-Richtlinien umgesetzt und in nationales Recht übertragen. Mit dieser Neuregelung wird der Kreis der regulierten Banken in Bezug auf die Boni von etwa 50 auf 3 000 Institute erhöht, und gleichzeitig wird die Frage, wie Boni gestaltet werden und wie sie ausgezahlt werden dürfen, wesentlich stärker reguliert. So dürfen zukünftig nur noch 60 Prozent der Boni direkt ausbezahlt werden, bei mindestens 50 Prozent der Boni brauchen Sie eine Nachhaltigkeitskomponente. Das Verhältnis von fester und variabler Vergütung darf nur noch 1 : 1 betragen. Das ist ein klarer und deutlicher Schritt, auch die Vergütung in Banken risikoadäquat anzupassen, und es ist ein Schritt, der viel weiter geht als das, was Sie sich jemals hätten vorstellen können. Aber es ist natürlich wohlfeil, hier groß zu reden, ohne Kenntnis von den Aktivitäten zu haben, die bereits geschehen sind. Das ist weder diesem Haus noch den Menschen gegenüber ehrlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir setzen, meine Damen und Herren, auf eine angemessene und klare Regulierung der Vorstandsbezüge. Wir setzen aber auch darauf, dass sich insgesamt das Gehaltsniveau der Menschen in diesem Land – das gute Niveau, das wir haben – weiter verbessert, dass insbesondere durch eine gute wirtschaftliche Entwicklung die Menschen in den Unternehmen deutlich mehr verdienen; denn nur durch eine gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung werden wir auch weiterhin am Wohlstand teilnehmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Abschluss der Aussprache hat der Kollege Klaus Barthel für die SPD das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7020343
Wahlperiode 18
Sitzung 197
Tagesordnungspunkt Managergehälter
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta