Anette Kramme - Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle kennen die jahrelangen Debatten um die Leiharbeit: Stammbelegschaften, die sich durch Leiharbeitnehmer unter Druck gesehen haben, Leiharbeitnehmer, die sich ausgenutzt gefühlt haben, aber auch Betriebsräte und Gewerkschaften, die der Auffassung sind, dass sie nicht hinreichend Rechte haben.
Meine Damen und Herren, wir stärken die Rechte der Stammbelegschaften. Wir stärken die Rechte der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer. Und wir schaffen mehr Handlungsoptionen für die Gewerkschaften und Betriebsräte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lassen Sie mich das anhand einiger Beispiele verdeutlichen:
Erstens. Die Arbeitnehmerüberlassung muss künftig durch die Verleiher und Entleiher immer offengelegt werden. Es ist künftig also nicht mehr möglich, die Arbeitnehmerüberlassung als Werkvertrag zu tarnen, um den Beschränkungen bei der Leiharbeit zu entgehen und es, falls das Ganze auffliegt, als Leiharbeit abzuwickeln.
Zweitens. Wir verbessern die Informationsrechte der Betriebsräte. Betriebsräte haben künftig ein Recht auf Information darüber, in welchem zeitlichen Umfang, an welchem Ort und mit welchen Aufgaben Fremdpersonal in ihrem Betrieb eingesetzt wird. Außerdem hat der Betriebsrat das Recht, die Vorlage der dem Einsatz zugrundeliegenden Verträge zu verlangen. Diese Informationsrechte stärken den Betriebsrat in seinem Wächteramt.
Drittens. Erstmals seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches vor über einhundert Jahren definieren wir den Begriff „Arbeitsverhältnis“, und wir definieren, was ein Arbeitsvertrag ist. Wir haben es endlich geschafft, diese Gesetzeslücke zu schließen und damit mehr Rechtssicherheit zu schaffen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Viertens. Unser Gesetzentwurf setzt neue Leitplanken bei der Bezahlung und bei der Überlassungshöchstdauer von Leiharbeitnehmern. Der Grundsatz „Equal Pay“ greift regelmäßig nach neun Monaten. Die Höchstüberlassungsdauer ist jenseits von Möglichkeiten der Tarifvertragsparteien der Entleiherbranche auf 18 Monate festgelegt.
Fünftens. Wir sichern die Möglichkeit, faire Tarifvertragsverhandlungen zu führen, indem wir den missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern als Streikbrecher verhindern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Bereits jetzt gibt es bekanntermaßen ein Leistungsverweigerungsrecht für Leiharbeitnehmer im Falle eines Streikes im Einsatzbetrieb. Wir haben es aber zu häufig erlebt, dass Leiharbeitnehmer und Leiharbeitnehmerinnen in diesem Fall unter Druck gesetzt und gezwungen werden, den Streik von Kollegen zu unterlaufen. Mit diesem Gesetzentwurf ergänzen wir das Leistungsverweigerungsrecht für Leiharbeitnehmer durch das gesetzliche Verbot, Leiharbeitskräfte als Streikbrecher tätig werden zu lassen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sechstens. Dieser Punkt, bei dem es um die Unternehmensmitbestimmung geht, ist mir persönlich sehr wichtig, weil damit etwas für die Landschaft der Betriebe in diesem Land getan wird: Durch die Berücksichtigung der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung werden zahlreiche Unternehmen in die drittelparitätische oder sogar in die paritätische Mitbestimmung hineinrutschen. Das bedeutet, dass es dadurch tatsächlich Mitbestimmung in diesen Unternehmen geben wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass das Gesetz wirken wird, und zwar deshalb, weil wir scharfe Sanktionen für diejenigen vorgesehen haben, die sich nicht an die neuen Regeln halten wollen.
Dafür haben wir Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen eingeführt: Bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung und bei einem Verstoß gegen die Überlassungshöchstdauer beträgt die Geldbuße jeweils bis zu 30 000 Euro. Bei einem Einsatz der Leiharbeitskräfte als Streikbrecher beträgt die Geldbuße bis zu 500 000 Euro.
Vor allen Dingen haben wir aber geregelt, dass bei bestimmten Verstößen kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher entsteht. Das ist bisher schon der Fall, wenn der Verleiher keine Verleiherlaubnis hat.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber lange gedauert, bis das klargestellt wurde!)
Künftig gilt das auch, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht offengelegt wird oder wenn die Überlassungshöchstdauer überschritten wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht handelt es sich hier um einen ausgewogenen Gesetzentwurf, mit dem wir nach meiner Überzeugung etwas tun, um mehr Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Wir bekämpfen damit den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen und stärken die Sozialpartnerschaft in diesem Land.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit dem Gesetzentwurf!)
Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der Kollege Klaus Ernst spricht jetzt für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7020354 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes |