21.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 197 / Zusatzpunkt 11

Karl SchiewerlingCDU/CSU - Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

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Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir die missbräuchlichen Entwicklungen im Bereich von Leiharbeit und Werkverträgen angehen wollen. Das machen wir mit diesem Gesetz. Dieses Gesetz ebnet neue Wege. Ich halte das für richtig. Allerdings fangen wir damit nicht erst an; wir haben bereits in der letzten Koalition unter den damaligen Bedingungen eine ganze Menge organisiert. Wir setzen das fort. Wir wollen faire Bedingungen – daran arbeiten wir –, aber wir wollen auch die Chancen nutzen, die die Leiharbeit bietet.

Lieber Herr Kollege Ernst, ich finde es schon abenteuerlich, wie Sie „Gemeinwohl“ definieren. Für uns heißt Gemeinwohl, dass wir Menschen, die sonst keine Perspektive haben, in Beschäftigung bringen. Für uns heißt Gemeinwohl, dass wir den Menschen, die Hilfe brauchen, Hilfe geben. Für uns heißt Gemeinwohl nicht unbedingt, ein starres System zu schaffen, in dem sich keiner mehr bewegen kann und in dem die Wirtschaft hinterher keine Luft mehr bekommt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das wir hier verändern, richtigerweise verändern, ist ein Schutzgesetz, es muss aber auch Chancen eröffnen, dass Menschen über diesen Weg in Beschäftigung kommen. Dass Sie das hier ständig so darstellen, als sei das alles Ausbeutung, dazu muss ich sagen: Das ist purer Unfug. Viele der Menschen, die jetzt in Leiharbeit tätig sind, wären sonst möglicherweise nicht erwerbstätig, weil nämlich keineswegs gesichert wäre, dass sie über andere Wege im Arbeitsmarkt untergekommen wären.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Vielleicht hätten Sie einen festen Job!)

Diese Fragen sind hinten und vorn nicht geklärt. Dies so darzustellen, wie Sie es getan haben, halte ich für grundfalsch.

Meine Damen und Herren, wir wollen die Chancen für die Menschen nutzen. Wir wollen mit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gleichzeitig Dinge in Ordnung bringen. Frau Kramme hat das eingangs dargestellt. Das kann ich nur unterstreichen und sagen, dass das auch unsere Ziele sind. Unser Ziel ist allerdings auch, dass wir an bestimmte Dinge mit Augenmaß herangehen. Die Frage, wie und wann Sanktionen greifen, haben wir im Ausschuss noch einmal vernünftig geklärt.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So was macht man eigentlich vorher!)

Ich will nur sagen, dass von allen Menschen, die in Zeitarbeit tätig sind, 98 Prozent unter einem Tarifvertrag arbeiten, 90 Prozent in Vollzeit arbeiten, 70 Prozent aus der Arbeitslosigkeit kommen und 29 Prozent keinen Berufsabschluss haben. Ich sage Ihnen: Für diese Menschen brauchen wir auch weiter den Weg über die Zeitarbeit in Beschäftigung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden erleben, dass wir dieses Instrument auch in Zukunft benötigen, wenn uns zum Beispiel die Aufgabe gestellt ist, viele Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen. Ich möchte gern, dass wir dieses Instrument dafür nutzen können.

Viele Betriebe halten sich daran, haben eigene Dinge entwickelt und eigene Schwerpunkte gebildet. In meinem Wahlkreis zahlt zum Beispiel die Firma Schmitz Cargobull 2 000 Beschäftigten, knapp 560 Leiharbeitnehmern, Zeitarbeitnehmern, bereits ab dem ersten Tag Equal Pay.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was ist eigentlich der Unterschied? Erklären Sie den Unterschied zwischen Zeit- und Leiharbeit!)

Warum hat die Firma das so gemacht? Nicht deshalb, weil sie Auftragsspitzen auffangen will, sondern deshalb, weil sie aus den Erfahrungen mit der Finanzkrise 2008 gelernt hat, dass die gesamte Firma in Gefahr ist, wenn sie die Flexibilität für die Beschäftigten nicht hat. Die Bedingungen, die für die Menschen gelten, die dort als Leiharbeitnehmer tätig sind, sind fair und tarifvertraglich abgesichert. Das wird mitgetragen. Der Betriebsrat – mit dem habe ich mich heute Morgen noch einmal ausführlich unterhalten – hat diese Dinge ausdrücklich mitgetragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätte man ja Equal Pay ab dem ersten Tag machen können!)

Auch wir haben Verleiharbeitsfirmen, die entsprechende klare Regelungen haben. Ich glaube, dass das, was dort tarifvertraglich geregelt ist, vernünftig angepackt ist.

Meine Damen und Herren, Inhalt des Gesetzentwurfes ist: nach 9 Monaten Einsatzdauer Equal Pay; Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten. In Fortführung anderer Gesetze, die wir in dieser Legislatur miteinander beschlossen haben, machen wir auch hier etwas, worauf wir als Koalition großen Wert legen: Wir stärken die Tarifautonomie. Wir lassen nämlich Ausnahmen nur zu, sofern tarifvertragliche Vereinbarungen dies ermöglichen. Ich halte das für einen richtigen Schritt, weil wir auf diesem Wege den Arbeitgebern sagen, dass es sich lohnt, im Arbeitgeberverband zu sein und über Tarifverträge die Bedingungen am Arbeitsmarkt gemeinsam mit den Gewerkschaften ordentlich und vernünftig auszuhandeln. Deswegen halte ich diesen Schritt auch für richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Noch ein Punkt lag uns sehr am Herzen. Wir alle kennen die Fälle: Einsatzbetriebe schließen einen Werkvertrag, und erst wenn die Finanzkontrolle Schwarzarbeit kommt, fällt ihnen ein, dass das eine Arbeitnehmerüberlassung sein könnte. – Diesen Spurwechsel wollen wir nicht. Es muss klar sein, was Werkvertrag, was Zeitarbeit und Leiharbeit ist, schon alleine, um die Arbeitnehmer zu schützen. Mit diesem Gesetz führen wir dies ein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Viele haben übrigens die Sorge, sie könnten plötzlich unter die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes fallen. Wir haben im Ausschuss noch einmal deutlich erklärt und dargelegt, dass zum Beispiel alle, die Beratungsdienstleistungen erbringen oder Implementierungen von neuen Projekten in einem Betrieb vornehmen, nicht darunterfallen, sondern für sie weiterhin die werkvertragliche Regelung gilt. Das ist vernünftig und klug. Wir sollten an dieser Stelle auch sagen: Ja, wir wollen, dass faire Bedingungen am Arbeitsmarkt herrschen; wir wollen aber auch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern Beschäftigung ermöglichen. Ja, wir als CDU/CSU-Fraktion wollen vor allen Dingen mit diesem Gesetzentwurf, den wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, der SPD, auf den Weg gebracht haben und heute beschließen, Menschen Wege in Beschäftigung eröffnen und damit eine Grundlage für eine gute wirtschaftliche Entwicklung schaffen. Ich bin sicher, dass wir mit diesem Gesetz gemeinsam einen wichtigen Schritt nach vorne gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als Nächstes spricht die Kollegin Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7020362
Wahlperiode 18
Sitzung 197
Tagesordnungspunkt Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
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