21.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 197 / Zusatzpunkt 11

Wilfried OellersCDU/CSU - Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf zu den Werkverträgen und der Zeitarbeit. Im Koalitionsvertrag haben wir seinerzeit vereinbart, dem Missbrauch von Werkverträgen und Zeitarbeit entgegenzuwirken. Dabei bestand die Besonderheit der Gesetzes­initiative darin, dass auf der einen Seite dem Missbrauch entgegengewirkt werden sollte und auf der anderen Seite die Werkverträge und die Zeitarbeit als Flexibilisierungsinstrument in handhabbarer Weise erhalten bleiben sollten, da sie in der heutigen Arbeitswelt und für unsere Wirtschaft einfach unverzichtbar sind.

Anzuerkennen ist, dass gerade die Zeitarbeitsbranche bzw. die Tarifpartner in den letzten Jahren viele Maßnahmen umgesetzt haben, um diesen Bereich zu regeln und Missbrauch entgegenzuwirken.

Zudem weise ich auch an dieser Stelle ausdrücklich auf die positiven Aspekte der Zeitarbeit hin: Brückenfunktion für Arbeitslose in den Arbeitsmarkt,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 7 bis 14 Prozent!)

der hohe Klebeeffekt hin zur festen Anstellung beim Entleiher, auch Fahrdienste für Mitarbeiter gerade in ländlichen Bereichen mit ungünstigen Verbindungen im öffentlichen Nahverkehr, Qualifizierung der Mitarbeiter durch die Zeitarbeitsunternehmen. Kleine Unternehmen ohne Personalabteilung bedienen sich der Zeitarbeitsunternehmen im Wege des Personalrecruitings, und junge Menschen und Absolventen finden über Zeitarbeitsunternehmen zum Teil schneller eine feste Anstellung bei Unternehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zeitarbeitsunternehmen können in diesen Fällen passgenaue Lösungen bieten. Das hilft nicht nur den Unternehmen, sondern allen voran den Menschen, in Arbeit zu kommen. Diese positiven Effekte der Zeitarbeit wurden mir im Rahmen meiner Sommertour durch meinen Wahlkreis häufig bestätigt.

Neben all den positiven Auswirkungen verkenne ich selbstverständlich nicht, dass es an der einen oder anderen Stelle auch Missbrauch gibt. Diesem werden wir mit diesem Gesetz weiter entgegenwirken. Neben den bereits genannten Regelungen möchte ich ergänzend Folgendes erwähnen: Als Jurist sei es mir erlaubt, zunächst auf die Regelung des § 611a BGB hinzuweisen, die im parlamentarischen Verfahren überarbeitet wurde und nun in der Systematik des BGB hilft, den Arbeitsvertrag vom Werkvertrag besser abzugrenzen.

Im Betriebsverfassungsgesetz haben wir die Informationsrechte des Betriebsrates konkretisiert. Nach § 80 Absatz 2 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz hat der Unternehmer dem Betriebsrat den Vertrag vorzulegen, den er mit dem Werkunternehmen bzw. mit dem Zeitarbeitsunternehmen geschlossen hat. Nicht gemeint sind damit jedoch die Arbeitsverträge, die der Werkunternehmer wiederum mit seinen Mitarbeitern geschlossen hat.

Nun zu den Regelungen in der Zeitarbeit. Equal Pay nach 9 Monaten und eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten gepaart mit einer tariflichen Öffnungsklausel eröffnen Möglichkeiten, branchenspezifische Regelungen zu treffen, und stärken die Tarifautonomie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine wichtige Rechtsklarstellung wurde in die Protokollerklärung des Ausschusses dahin gehend aufgenommen, dass Beratungsunternehmen und Unternehmen im Bereich der IT, die zum Beispiel bei Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten eingesetzt werden, nicht unter die Arbeitnehmerüberlassung des § 1 AÜG fallen. Gleiches gilt auch klarstellend für die DRK-Schwesternschaft.

Das aufgenommene Streikbrecherverbot ist so gestaltet, dass Zeitarbeitnehmer, die vor Beginn eines Streiks bereits in dem bestreikten Entleiherunternehmen arbeiten, weiter ihre Tätigkeit verrichten dürfen, wenn sie es wollen, und in Betriebsteilen, die nicht bestreikt werden, auch weiter neue Zeitarbeitnehmer eingesetzt werden dürfen. Vorausgesetzt ist allerdings stets, dass sie nicht die Arbeitsleistung der streikenden Mitarbeiter übernehmen.

Die Sanktionen haben unter anderem mit dem Entzug der Verleiherlaubnis ein sehr scharfes Schwert. Im Rahmen der Protokollerklärung wurde auch hier klarstellend darauf hingewiesen, dass ein erstmaliger oder geringfügiger Verstoß nicht zum Entzug der Verleiherlaubnis führt. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes erst zum 1. April nächsten Jahres wird allen Beteiligten die Gelegenheit gegeben, sich auf das Gesetz einzustellen. Es wäre sicherlich nicht angemessen gewesen, wenn wir uns hier im Parlament zwei Jahre Zeit nehmen, um das Gesetz zu verabschieden, und das Gesetz dann einen Monat später vollständig umgesetzt werden muss.

Neben vielen Klarstellungen ist es mir ein besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich des Widerrufsrechts nach § 9 AÜG im parlamentarischen Verfahren noch ein weiteres Verfahren gesetzlich geregelt werden konnte, mit dem dem Missbrauch von vorzeitig abgegebenen Blankoerklärungen entgegengewirkt werden kann. Somit konnte im parlamentarischen Verfahren mehr Rechtsklarheit erreicht werden, eine Schutzregelung gegen Missbrauch aufgenommen werden, der Übergang in das neue Gesetz praxisfreundlicher und § 611a BGB rechtssystematisch korrekt gestaltet werden.

Mit der gesetzlich aufgenommenen Evaluation für das Jahr 2020 macht der Gesetzgeber deutlich, dass er die Entwicklung des Gesetzes aufmerksam beobachten und er gegebenenfalls korrigierend eingreifen wird. Es ist in meinen Augen nun geboten, die Wirkung des Gesetzes zunächst einmal abzuwarten, anstatt die Zeitarbeit und die Werkverträge stets an den Pranger zu stellen. Es sollte nach den langen und intensiven Diskussionen, die wir geführt haben, nun einmal auch Ruhe im Rahmen dieser Thematik eintreten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird nicht der Fall sein!)

Abschließend bedanke ich mich ausdrücklich bei Ministerin Nahles, bei der Staatssekretärin Kramme, bei den Mitarbeitern des BMAS – namentlich darf ich hier Frau Loskamp erwähnen – sowie bei unseren Kolleginnen und Kollegen des Koalitionspartners für die konstruktiven Gespräche.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Markus Paschke hat als nächster Redner für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7020378
Wahlperiode 18
Sitzung 197
Tagesordnungspunkt Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
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