Jana SchimkeCDU/CSU - Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jeder in unserem Land kann darauf vertrauen, bei Hilfebedürftigkeit durch den Staat und durch die Gemeinschaft unterstützt zu werden. Das ist das Selbstverständnis und die Grundlage unseres Sozialstaates. Das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ leitet unsere Institutionen bei der sozialen Unterstützung und Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt. Doch auch in Zeiten einer guten Konjunktur, eines prosperierenden Arbeitsmarktes und eines stabilen Haushaltes gibt es Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Deshalb sind wir dazu angehalten, in aller Regelmäßigkeit die Standards der sozialen Sicherung in Deutschland zu überprüfen. Anlass dazu gibt uns die neue Einkommens- und Verbraucherstichprobe
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verbraucherinnen sind auch dabei!)
als wichtige amtliche Statistik über die Lebensverhältnisse privater Haushalte in Deutschland.
In unserer heutigen Debatte betrifft dies Menschen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, sogenannte Langzeitarbeitslose, und nach dem Sozialgesetzbuch XII beziehen. Darunter fallen unter anderem Rentner, die Grundsicherung beziehen, erwerbsgeminderte Menschen oder auch Personen in stationären Einrichtungen. Wir diskutieren zudem über Menschen, die durch Leistungen gemäß Asylbewerberleistungsgesetz unterstützt werden.
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass auch Bedürftige in unserem Land von der guten gesamtwirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Lage profitieren. Deshalb werden ab kommendem Jahr die Regelsätze im SGB II und im SGB XII um durchschnittlich 5 Euro erhöht. Für Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren werden wir die Regelsätze um 21 Euro anheben. Unser Ziel ist und bleibt, Kinder aus bedürftigen Familien zielgerichtet und durch eine chancengerechte Politik zu unterstützen; denn zu oft überträgt sich die Bedürftigkeit in Familien auf spätere Generationen. Das wollen und das müssen wir ändern. Bildung ist eine entscheidende Voraussetzung für den Weg in Arbeit und aus Hartz IV. Hier unterstützen unsere Behörden, zum Beispiel mit den Jugendberufsagenturen. Dabei muss man ganz nüchtern sagen – gestatten Sie mir diese Bemerkung am Rande meiner Ausführungen –, dass auch die Arbeit unserer Arbeitsvermittler in den Agenturen vor Ort immer mehr der Arbeit von Sozialarbeitern gleicht. Deshalb sind an dieser Stelle vor allen Dingen die Eltern gefragt. Sie tragen die Verantwortung dafür, staatliche Angebote für ihre Kinder in Anspruch zu nehmen.
Meine Damen und Herren, auch die Regelsätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind Gegenstand des vorliegenden Gesetzentwurfes. Man kann sicher sagen, dass wir in diesem und im letzten Jahr eine Vielzahl notwendiger Regelungen im Bereich der Asylpolitik auf den Weg gebracht haben. Das Ergebnis ist, dass wir heute das schärfste Asylrecht haben, das wir in der Bundesrepublik Deutschland je hatten.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Sind Sie auch noch stolz darauf?)
Die Verfahren wurden beschleunigt und vereinfacht und Fehlanreize beseitigt. Seitdem erhalten Asylbewerber vorrangig Sach- statt Geldleistungen.
Das berücksichtigen wir jetzt auch bei der Berechnung der Regelbedarfe. Wir werden die Regelsätze beim sogenannten notwendigen Bedarf – was ist das? das ist der Bedarf für Nahrung, für Kleidung, für die Unterkunft, für die Gesundheitspflege oder auch für Haushaltsprodukte – ab 2017 um durchschnittlich 17 Euro reduzieren. Denn gerade in den Sammelunterkünften – in ihnen leben nun einmal Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen –
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Unglaublich, das Argument!)
werden nicht alle notwendigen Leistungen von den Bewohnern selbst erbracht.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Echt? Und warum nicht?)
Dazu zählen zum Beispiel die Kosten für das Wohnen, für Strom oder auch die Wohnungsinstandsetzung.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht das Argument in dem Gesetzentwurf!)
Mit der Reduzierung des Regelsatzes beim notwendigen Bedarf schaffen wir somit Klarheit und auch mehr Gerechtigkeit im Sinne aller, die in Deutschland auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Wohlgemerkt ist dies auch ein ganz konkretes Beispiel dafür, wie wir Fehlanreize in der bisherigen Asylpolitik reduzieren und abbauen.
(Stefan Liebich [DIE LINKE]: „Fehlanreize“? Aha! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Argument dürfen Sie nicht verwenden! Das sind also Fehlanreize? Mit dem Argument ist das eine verfassungswidrige Kürzung!)
Meine Damen und Herren, ich möchte eindringlich davor warnen, die soeben erläuterten Anpassungen und Kürzungen zu kritisieren. Sozialpolitik ist immer etwas, was sich eine Gesellschaft leisten muss und sich auch leisten können muss.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Nein, nein, nein! Stellen Sie die Sozialpolitik jetzt etwa unter Haushaltsvorbehalt? – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist ja unglaublich!)
Ich denke hier gerade an jene Menschen, die sie mit ihren Steuern und mit ihrem Einkommen ermöglichen. Die große Solidarität gegenüber Hilfebedürftigen, aber auch die sozialen Standards, die wir uns geben, sind eine Besonderheit unserer Gesellschaft.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Artikel 1 steht nicht unter Kostenvorbehalt!)
Deshalb sollten wir alles dafür tun, dass es diese Solidarität auch morgen noch gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, wir regeln im Gesetzentwurf aber nicht nur die Anpassung der jeweiligen Regelbedarfe. Vorgesehen ist auch eine Neuabgrenzung bei den Regelbedarfsstufen. So richtet sich der Umfang sozialer Unterstützung in Deutschland danach, wie viel Hilfe man tatsächlich benötigt. Besteht eine Ehe oder eine Lebensgemeinschaft oder gibt es andere Ressourcen, auf die man selbst zurückgreifen kann, ist der Bedarf an staatlicher Hilfe entsprechend geringer. So haben Menschen mit Behinderung, die bei ihrer Familie oder in einer Einrichtung leben, bisher einen geringeren Regelsatz erhalten als Alleinlebende. Das Bundessozialgericht hat uns beauftragt, das zu ändern.
(Zuruf von der LINKEN: Schlimm, dass Sie dazu erst aufgefordert werden mussten!)
Ich halte das für richtig. Denn Menschen mit Behinderung haben oft nicht die Wahl zwischen einem Leben in der Gemeinschaft oder als Alleinlebende.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das haben wir Ihnen damals schon gesagt! Da haben Sie sich dagegen ausgesprochen!)
Sie sind ein Leben lang auf die Hilfe anderer angewiesen.
Strittig stellen möchte ich jedoch die Frage, ob Personen, die zwar nicht liiert sind, aber in einer Wohngemeinschaft leben, künftig wie Alleinlebende behandelt werden sollten. Konkret hätte dies zur Folge, dass Ehepaare und Lebenspartnerschaften einen geringeren Regelsatz erhalten und damit benachteiligt würden.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ehe ist eine Einstandsgemeinschaft und keine WG! Das gibt es doch wohl nicht!)
Jeder von uns weiß, dass das Leben in der Gemeinschaft – und zwar unabhängig davon, ob man verheiratet oder Single ist – immer Einsparungen mit sich bringt.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich weiß nicht, wie Sie in Ihren Wohngemeinschaften gelebt haben! Ich lebe mit meiner Frau anders!)
Denken Sie an die geteilten Kosten für Strom und Kommunikation oder an die Möbel und Geräte in Küche und Bad. Wir sollten deshalb davon absehen, eine Regelung zu treffen, die in der Sozialgesetzgebung eine Privilegierung von Alleinstehenden in einer Wohngemeinschaft gegenüber Lebenspartnerschaften bedeutet. Auch das werden wir in den anstehenden Beratungen thematisieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen wir die CDU noch über die Ehe aufklären! Das gibt es ja gar nicht! Alter Schwede!)
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als nächster Redner das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7020391 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen |