21.10.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 197 / Tagesordnungspunkt 30

Dagmar SchmidtSPD - Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen

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Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich einmal aus meiner Sicht einordnen, worüber wir hier heute reden. Wir haben in der Großen Koalition große Sozialreformen gemacht und machen sie noch: Mindestlohn, Rente, Bundesteilhabegesetz und Bekämpfung der Leiharbeit. Eine grundlegende Reform der Regelbedarfe machen wir nicht. Eine grundsätzliche Neufassung findet mit dem Gesetzentwurf nicht statt. Die Anmerkungen, die Kritik des Bundesverfassungsgerichts wurde aufgenommen, und eine Reihe von Verbesserungen wurde erzielt. Frau Staatssekretärin Lösekrug-Möller hat darauf hingewiesen.

Aber es gilt das Struck’sche Gesetz. Wir möchten noch an einigen Stellen Verbesserungen erzielen. Uns geht es dabei vor allem um konkrete Probleme, die Menschen im Transferleistungsbezug haben. Da ist zum Beispiel die sogenannte Erstrentenproblematik. Menschen, die vom Sozialhilfe- oder Arbeitslosengeld-I-Bezug in die Rente wechseln, müssen einen Monat überbrücken, denn Ersteres wird vorschüssig gezahlt und die Rente erst am Ende des Monats. Das Problem müssen wir lösen.

Auch gibt es oftmals Probleme – Herr Strengmann-Kuhn hat es angesprochen – mit der Weißen Ware. Waschmaschinen und Kühlschränke verursachen einmalig hohe Kosten, wenn sie neu angeschafft werden müssen. Eigentlich ist vorgesehen, dass für diesen Fall aus dem Regelsatz angespart werden soll, aber jeden Monat etwas zurückzulegen, beiseitezulegen, das gelingt nur schwer oder gar nicht. Es ist inakzeptabel, dass eine alleinerziehende Mutter ohne Waschmaschine und Kühlschrank zurechtkommen soll. Auch dafür brauchen wir eine Lösung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein anderes Problem entsteht, wenn die Stromkosten steigen, eine Anpassung an die Preise aber erst im Folgejahr stattfindet. Auch das darf nicht dazu führen, dass Menschen der Strom abgeschaltet wird. Deswegen haben wir Erleichterungen für Direktzahlungen erreicht. Sprich: Das Geld wird direkt vom Jobcenter überwiesen, wenn das Konto nicht gedeckt ist. Es muss aber auch möglich werden, die Nachzahlung zu begleichen. Wir könnten uns für alle diese Fragen erleichterte Darlehensregelungen vorstellen, die die Betroffenen zwar nicht aus der Verantwortung lassen, sie aber auch nicht überfordern.

Ein weiterer Punkt, der uns wichtig ist, ist die Mobilität im ländlichen Raum. Wie können wir erreichen, dass Menschen auch dort mobil bleiben, wo es einen schlechten oder gar keinen öffentlichen Personennahverkehr gibt, wenn sie also nicht nur mit Blick auf die Erwerbstätigkeit auf einen Pkw angewiesen sind, sondern auch zur Bewältigung des ganz normalen Alltaglebens?

Ein weiteres und sehr wichtiges Thema ist der Umgangsmehrbedarf für Alleinerziehende.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Da mussten wir euch ganz schwer zum Jagen tragen!)

Wir wollen nicht, dass der Umgang mit dem anderen Elternteil dazu führt, dass die Mutter – meistens ist es ja die Mutter – finanzielle Einbußen hat. Jeder weiß, dass es mehr kostet, wenn Kinder bei getrennt lebenden Elternteilen aufwachsen. Dem wollen wir Rechnung tragen.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt, der die Kinder betrifft, ist folgender: Bisher ist es leider gängige Praxis, dass aus dem Bildungs- und Teilhabepaket nur Nachhilfe bezahlt wird, wenn das Kind akut davon bedroht ist, sitzen zu bleiben. Wir würden gerne klarstellen, dass auch dann, wenn die Chance besteht, dass das Kind sich verbessert, vom B- in den A‑Kurs, von der Realschule aufs Gymnasium kommt, eine Unterstützung möglich wird.

(Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann man jetzt schon machen! Das wäre gut! Dafür brauchen wir kein Gesetz!)

– Ja, aber es wird nicht gemacht. Die Länder, auch die, in denen Sie regieren, machen es leider nicht. Die sind für die Umsetzung verantwortlich. Wir wollen das im Gesetz deutlich klarstellen, damit die Länder den Hinweis verstehen – auch die, in denen die Grünen mitregieren –, dass man auch die unterstützen kann, die aufsteigen wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In NRW ist das kein Problem!)

Gerade bei den Kindern gibt es noch einen großen Handlungsbedarf. Jedes siebte Kind lebt in Armut oder ist von Armut bedroht. Immer noch hängt der Bildungserfolg vom Einkommen der Eltern ab. Wir werden mit den Verbesserungen beim Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende schon einiges erreichen. Hier ist nicht nur der Bund gefragt, sondern genauso die Länder und Kommunen. Wir brauchen eine verbesserte soziale Infrastruktur: Ganztagsschulen, kleine Klassen, gemeinsames Lernen, aber auch eine bessere Ausstattung der Kinder- und Jugendhilfe, des Erfolgsprogramms „Soziale Stadt“ und vieles mehr. Da haben wir, Bund, Länder, Kommunen, noch einen weiten Weg vor uns, aber Chancengleichheit für alle Kinder herzustellen, bleibt unser Ziel.

(Beifall bei der SPD)

Ich fasse zusammen: Wir haben keine grundsätzlichen Veränderungen vorgenommen, aber Verbesserungen erreicht. Wir wollen im Rahmen der Beratungen noch weitere Verbesserungen erzielen, die die konkreten Probleme lösen. Mit der Bekämpfung von Kinderarmut und der Herstellung von Chancengleichheit haben wir noch drängende und große Aufgaben vor uns, an denen ich gerne mit allen in diesem Haus weiterarbeiten möchte.

Glück auf!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat Professor Dr. Matthias Zimmer für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7020399
Wahlperiode 18
Sitzung 197
Tagesordnungspunkt Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen
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