Marcus WeinbergCDU/CSU - Kinderschutz und Prävention
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich ebenfalls auf die Beratungen, weil Sie – das ist ein Kompliment an die Grünen, an Frau Brantner – tatsächlich auch für uns in weiten Teilen wichtige Themen angesprochen haben. Wir werden noch viel darüber debattieren und überlegen, wo wir noch Handlungsansätze weiterentwickeln. Insofern haben Sie einen interessanten Antrag vorgelegt. Einen Satz finde ich besonders gut:
In den zurückliegenden Jahren hat sich der Kinderschutz erheblich weiterentwickelt.
Das ist ein Ergebnis der Arbeit der Großen Koalition. Dass Sie das bestätigen, sehe ich als Erfolg unserer Arbeit an.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was haben wir erreicht? Sie haben vieles angesprochen. Ich will das gerne wiederholen. Anfang 2016 wurde die Aufarbeitungskommission beim Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch eingerichtet und damit erstmals – ich glaube, das ist wichtig – eine auf nationaler Ebene angesiedelte unabhängige Kommission.
Sie haben das Sachverständigenrecht und die Qualifizierung der Gutachter angesprochen. Das war uns auch besonders wichtig, gerade mit Blick auf die Bedeutung, die Sachverständige und Gutachter im Familienrecht haben; denn sie entscheiden über ihre Gutachten darüber, was mit einem Kind passiert. Insoweit war und ist es wichtig, dass wir mit der Änderung des Sachverständigenrechts den richtigen Weg eingeschlagen haben.
Wir diskutieren zurzeit sehr intensiv und auch manchmal etwas strittig über eine Studie zum Thema Kindeswohl, die uns wichtig war, weil wir unabhängig und objektiv erkennen müssen, wie es Kindern nach Trennungen geht und was sie danach erleben. Ich glaube übrigens, dass in dem Bereich Kinderschutz der Komplex Forschung noch unterentwickelt ist. Ich halte sehr viel davon, immer genau zu wissen, was passiert, um die richtigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen.
Das Bundeskinderschutzgesetz wurde angesprochen. In weiten Teilen konnten wir schon Erkenntnisse umsetzen.
Sie haben die Teamarbeit zwischen den im Kinderschutz und in der Jugendhilfe tätigen Gruppen angesprochen. Für die Union kann ich sagen, dass wir, weil das auch unser Gedankengang war, mit der Kinderschutz-Hotline, glaube ich, das Richtige auf den Weg gebracht haben. Was ist denn wichtig bei der Vernetzung von Jugendhilfe und Gesundheit? Wichtig ist, denjenigen, die mit Kindern arbeiten, und denjenigen, die den Auftrag haben, zu überprüfen, was den Kindern passiert ist – gab es eine Vernachlässigung, gab es einen Missbrauch oder Ähnliches? –, die größtmögliche Unterstützung anzubieten.
Ein Arzt in einer Notfallambulanz am Wochenende muss, wenn ein Kind zu ihm kommt, das erkennbar eine Verletzung hat, beraten werden: Wie geht es weiter? Wie kann er mit der rechtsmedizinischen Analyse medizinisch beraten werden? Es geht auch um die Frage: Was muss Jugendhilfe leisten? – Viele Mediziner haben uns gesagt, dass Misshandlungen und Missbrauch erkannt werden müssen. Deswegen ist diese Kinderschutz-Hotline so wichtig, die im April 2017 starten wird. Wenn Ärzte nicht wissen, was genau passiert ist, können sie sich dort Informationen holen. Das betrifft auch die rechtliche Frage: Was müssen sie machen, wenn sie einen Missbrauch oder eine Misshandlung erkennen? Die Kinderschutz-Hotline ist ein großer Erfolg der Großen Koalition. Die Union hatte das vorgeschlagen. Das wird kommen.
Wichtig ist die Qualifizierung von Ärzten, von Jugendamtsmitarbeitern und von Familienrichtern – auch mit Blick auf rechtsmedizinische Grundkenntnisse. Das ist auch im Kontext der Kinderschutz-Hotline eine wichtige Forderung.
Ich finde Ihre Einlassung mit Blick auf die Kinderschutzgruppen hochinteressant. Dazu haben wir alle eine klare Position. Die Modelle von Kinderschutzgruppen in Krankenhäusern sind sehr positiv. In Deutschland, auch hier in Berlin, haben wir einige Modelle. Dort wird auf mehreren Ebenen zusammengearbeitet. Diese Kinderschutzgruppen sind noch ausbauwürdig, weil man so auf strukturierte Art und Weise nicht nur analysieren kann, was passiert ist, sondern auch die Folgewirkung bespricht. Dafür braucht man einen Psychologen und vielleicht einen Sozialarbeiter. Aber man braucht natürlich Mediziner. Das Modell der Kinderschutzgruppen werden wir uns demnächst noch intensiver anschauen.
Zum Kinderschutz gehört auch, was uns momentan sehr intensiv bewegt. Natürlich haben wir eine Diskussion über die anstehende Reform zum Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe. Wir können aus meiner Sicht stolz darauf sein: Das KJHG, wie es so schön heißt, ist eine Errungenschaft der Kinder- und Jugendhilfe. Es wurde vor 25 Jahren auf den Weg gebracht nach intensiver Diskussion mit den Betroffenen, mit den Trägern und mit den Verbänden. Was ist in der aktuellen Diskussion zu beachten? Für uns – das sagen wir ganz deutlich – stehen zwei zentrale übergeordnete Punkte im Mittelpunkt.
Erstens reden wir über Hilfe zur Erziehung. „ Unterstützung“ oder „Leistung“ ist keine Hilfe. Bei der SGB‑VIII-Reform gibt es Reformvorhaben und Reformschritte, die wichtig sind. Die Jugendhilfe muss früher, zielgenauer und bedarfsorientierter arbeiten. Aber auf eines werden wir niemals verzichten, nämlich auf einen individuellen Anspruch auf eine Hilfeleistung. Das ist Kern des KJHG. Die Kinder, die Familien, die Eltern sollen wissen: Es gibt nicht irgendwo Unterstützung, wenn eine Notfallsituation eintritt, sondern klar Hilfe. Das werden wir in die Diskussionen einbringen.
Zweitens ist für uns wichtig, dass der kooperative Gedanke der Jugendhilfe – gemeinsam mit Jugendamt, Trägern, Eltern und Kindern – bestehen bleibt. Wenn wir eine Reform durchführen, werden wir das ganz deutlich so formulieren: Alle müssen mitarbeiten im Sinne des Kindes.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das heißt: Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten intensiv darüber diskutieren, wie es mit dieser Reform weitergeht.
Wir hatten 124 000 Gefährdungseinschätzungen im Jahr 2014, in denen der Verdacht aufgekommen ist, dass Kinder psychische, physische oder sexuelle Gewalt erleben bzw. vernachlässigt sind. Das sind 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist für unsere Gesellschaft nicht hinnehmbar. Dass diese Zahlen weiter steigen, ist nicht hinnehmbar. Das wird uns als Jugend- und Kinderpolitiker weiterhin bewegen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir dürfen es nicht zulassen, dass Kinder in einer Anzahl, die der Einwohnerzahl einer mittleren Stadt vergleichbar ist, Jahr für Jahr gefährdet sind. Deswegen müssen wir genau überlegen, was wir machen. Das tun wir auch.
Die SGB‑VIII-Reform – wie und wann auch immer; das werden wir sehen – könnte einen Fortschritt bedeuten. Ich bin auch sehr dankbar für den Antrag und den Impuls, eine Diskussion zum Thema „Kinderschutz, Vernetzung, Gesundheit, Medizin, Jugendhilfe“ zu führen. Wir haben in der Großen Koalition bereits viel erreicht und Gutes gemacht. Aber das Gute kann man ja auch ausweiten und noch besser machen.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das geht immer!)
Deswegen freue ich mich genauso wie Sie auf die gute Diskussion im Ausschuss.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Norbert Müller hat für die Fraktion Die Linke als nächster Redner das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7020420 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 197 |
Tagesordnungspunkt | Kinderschutz und Prävention |