Hilde MattheisSPD - Arzneimittelrechtliche Vorschriften (2. Lesung)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass die Vertreter der Änderungsanträge Schummer/Schmidt und Hüppe gesagt haben: Wir haben hohe Schutzstandards, und wir wollen sie nicht senken. – Jemand, der sagt: „Diejenigen, die einem anderen Antrag zustimmen, wollen diese Schutzstandards senken“, hat sich geirrt.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?)
Dass die Schutzstandards unangetastet bleiben sollen, heißt: Bei eigennütziger Forschung sollen der Betreuer bzw. die Betreuerin und auch die Ethikkommission natürlich mitsprechen. Derzeit gibt es für Eltern das Recht, einzuwilligen, dass an ihren minderjährigen Kindern geforscht wird. Diese hohen Schutzstandards, die alle dazu beitragen, dass wir die Sicherheit haben, dass diese Forschungsprojekte nicht ausufern, werden selbstverständlich auch beim Thema „Gruppennützige Forschung an Nichteinwilligungsfähigen“ Anwendung finden. Das ist bislang von niemandem hier bestritten worden.
Jetzt geht es darum: Was ist der Unterschied zwischen gruppennütziger Forschung und eigennütziger Forschung? Wie viele andere fand auch ich sehr interessant, was uns die Sachverständigen in der Anhörung gesagt haben.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch nur einer!)
Die Grenzen sind fließend. Jeder, der an eigennütziger Forschung teilnimmt, nachdem der Betreuer bzw. die Betreuerin und die Ethikkommission dem zugestimmt haben, hat womöglich nicht direkt etwas davon, kann aber aufgrund der intensiveren Betreuung und Begleitung Nutzen daraus ziehen. Dies wird dann unter eigennütziger Forschung verbucht.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was reden Sie da für verquastes Zeug?)
Jetzt kommt der nächste Punkt: Was unterscheidet eine Vorausverfügung zur Teilnahme an einer gruppennützigen Forschung von dem, was wir bei der Patientenverfügung und bei der Organspende schon kennen? Wenn wir diese Kriterien nämlich auch hier anwenden würden, müssten wir das, was wir bei der Patientenverfügung und bei der Organspende kennen, logischerweise längst infrage stellen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Armutszeugnis! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer macht das denn?)
Wir als Gesetzgeber werben aber für die Organspende
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Organspende geht es um Tote, nicht um Lebende!)
– Ich greife diesen Hinweis gerne auf.
Im letzten Jahr gab es fast 700 Lebendspender. Ist das die Ausnahme? Nein, das ist nicht die Ausnahme, und auch hier gelten selbstverständlich ganz hohe Schutzstandards.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Da waren keine Nichteinwilligungsfähigen dabei! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Augenblick.
Nehmen wir den Fall an, dass ich nicht mehr einwilligungsfähig bin und an einer gruppennützigen Forschung teilnehmen möchte. Ich frage Sie: Worin besteht hier der Unterschied zwischen einer Patientenverfügung, dem geäußerten Willen zur Organspende und einer Vorausverfügung? Auch bei der Vorausverfügung gelten die Schutzmechanismen. Der Betreuer bzw. die Betreuerin sagt: „Ja, der Wille des Patienten vor 20 Jahren ist auch jetzt vorauszusetzen“, und die Ethikkommission sagt: Das ist ein Projekt, das wir vertreten können.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bleiben Sie dabei, was Sie beantragen!)
Hier gibt es also überhaupt keinen großen Unterschied.
Wenn Sie jetzt sagen, die gruppennützige Forschung an Nichteinwilligungsfähigen soll verboten werden, dann würde das bedeuten, dass ich über die Teilnahme meines minderjährigen Kindes an einem Forschungsprojekt verfügen darf, während ich aber nicht mit 40 oder 50 Jahren sagen kann, dass ich im Falle meiner Nichteinwilligungsfähigkeit unter Beachtung der gegebenen Schutzmaßnahmen an dem Forschungsprojekt teilhaben möchte. Worin besteht hier bitte die Logik für Sie? Für mich gibt es hier keine.
(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich komme jetzt zum Thema „Ärztliche Beratungspflicht“. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt die Möglichkeit – das wurde schon zitiert –, auf eine Aufklärung zu verzichten. Wenn eine Vorausverfügung abgegeben wird – auch das wurde schon gesagt –, weiß niemand, um welches Forschungsprojekt es sich handelt. Uns wurde gesagt, Basisinformationen könne man in einem Faltblatt mitliefern.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Ja, aber ich glaube nicht, dass wir durch die ärztliche Beratungspflicht irgendeine sichere Information über diese Basisinformationen hinaus liefern können. Warum sollten wir also bei der Organspende und bei der Patientenverfügung keine ärztliche Beratungsverpflichtung vorsehen, bei diesem Thema aber schon? Auch das erschließt sich mir nicht.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
All diese Dinge werden jetzt sehr emotional und auch unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten diskutiert. Ich will hier niemandem die Redlichkeit absprechen, bitte aber auch darum, den jeweils anderen diese Redlichkeit ebenfalls nicht abzusprechen.
Denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Sehr gerne.
Ja.
Unter diesen Voraussetzungen bitte ich um die Unterstützung des Antrags Dittmar/Sitte/Mattheis.
Danke schön.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner: Dr. Harald Terpe für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7028866 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 198 |
Tagesordnungspunkt | Arzneimittelrechtliche Vorschriften (2. Lesung) |