Martina Stamm-FibichSPD - Arzneimittelrechtliche Vorschriften (2. Lesung)
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf der Tribüne! 99 Prozent der sogenannten vierten AMG-Novelle sind unstrittig. Aber hinter dem einen verbleibenden Prozent verbirgt sich die umstrittene ethische Frage.
Als Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für das Thema Arzneimittel habe ich den Gesetzgebungsprozess von Anfang an begleitet, und ich habe mich über die eine oder andere mediale Berichterstattung doch sehr gewundert. Medien sollten komplizierte Sachverhalte ihren Lesern bzw. Zuschauern verständlich machen. Bei der vierten AMG-Novelle ist dies aus meiner Sicht nur unzureichend gelungen. Schnell waren Artikel mit Aussagen wie „Gesetz für Tests an Demenzkranken“ oder „Versuchskaninchen Demenzkranke“ zu lesen. Das schürte Ängste, und es baute sich ein Schreckensszenario auf. Eine ausgewogene Diskussion gab es selten. Meist gab es nur einseitige Positionierungen.
Wir als Politik waren daran nicht unschuldig; denn der Paragraf zur gruppennützigen Forschung kam spät und fast unbemerkt in den Gesetzentwurf. Im Referentenentwurf der AMG-Novelle war die strittige Formulierung des neuen § 40b noch nicht enthalten. Im Gegenteil: Ausdrücklich wurde damals nochmals auf die Entschließung des Bundestages vom Januar 2013 gegen diese Art klinische Prüfung verwiesen.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Im Kabinettsentwurf tauchte dann die Möglichkeit fremdnütziger Forschung plötzlich auf – verbunden mit der Auflage, dass der Betreffende die Teilnahme zuvor in einer Patientenverfügung erlaubt haben muss. Warum die Senkung des Schutzniveaus für genau diese vulnerable Personengruppe nötig ist, lässt der Entwurf aber offen.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Die erste Lesung des Gesetzes wurde am 14. April dieses Jahres als Tagesordnungspunkt 17 in die Abendstunden verbannt. Die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Doch zum Glück scheiterte dann im Sommer der Versuch, das Gesetz still und heimlich zu verabschieden. Gerade bei medizinethischen Themen ist ein breiter gesellschaftlicher Diskurs unabdingbar.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit der heutigen offenen und nicht durch die Fraktionsdisziplin gezähmten Debatte bekommt die Thematik das einzig adäquate Forum.
Ich unterstütze den Antrag „Schummer, Schmidt, Vogler, Schulz-Asche, u. a.“ und möchte an der aktuellen Rechtslage festhalten. Gruppennützige Studien an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen sollen verboten bleiben.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Vielen ist bis heute nicht bewusst, dass im Gesetzentwurf nicht ein einziges Mal das Wort „Demenz“ oder „demenzielle Erkrankung“ zu finden ist.
(Zustimmung der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])
Der Gesetzentwurf macht die gruppennützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen zum Thema, und zwar ohne Verknüpfung mit dem Thema Demenz. Der Gesetzentwurf will also nicht nur Demenzstudien ermöglichen, sondern öffnet Tür und Tor für Arzneiforschung zu einer Vielzahl von Krankheiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung, ob Sie eine Tür öffnen wollen, die wir nicht mehr zubekommen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Vielen Dank, Martina Stamm-Fibich. – Der nächste Redner: Rudolf Henke von der CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7028889 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 198 |
Tagesordnungspunkt | Arzneimittelrechtliche Vorschriften (2. Lesung) |