09.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 198 / Tagesordnungspunkt 1

Dirk HeidenblutSPD - Arzneimittelrechtliche Vorschriften (2. Lesung)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Um es vorweg zu sagen: Ich bitte Sie dringend: Stimmen Sie dem Antrag von Schmidt und Schummer zu, und sorgen Sie dafür, dass wir das höchste Schutzniveau für Menschen, die nicht einwilligungsfähig sind, erhalten,

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

wenn sie keinerlei Nutzen von der Arzneimittelforschung, der sie unterworfen werden sollen, haben. Zu allen anderen Anträgen sage ich: Natürlich geht es dabei um die Aufhebung dieses Schutzniveaus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hubert Hüppe [CDU/CSU])

Es geht bei unserem Antrag nicht darum – dagegen verwahre ich mich ausdrücklich –, dass irgendjemand von der medizinischen Forschung abgekoppelt wird. Natürlich können Forschungen betrieben werden; sie werden ja auch betrieben. Es gibt auch überhaupt keinen Nachweis dafür – in der ganzen Anhörung ist nicht ein einziger Nachweis erbracht worden –, dass im Ausland irgendetwas wild erforscht worden wäre, was man hier nicht erforschen könnte.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Deutschland ist ein guter Forschungsstandort. Ja, wir kommen weiter und wir müssen auch weiterkommen bei der Alzheimerforschung und in anderen Forschungsbereichen. Aber das verhindert unser Antrag nicht. Unser Antrag verhindert es vielmehr, dass der Schutzstandard von Menschen abgesenkt wird.

Jetzt komme ich auf Selbstverwirklichung – das halte ich für den völlig falschen Ansatz – bzw. Selbstbestimmung zu sprechen. Nein, es geht hier nicht um Selbstbestimmung. Es geht um die Frage, ob die Wissenschaft Zugriff auf bestimmte Personengruppen erhalten soll. Die Selbstbestimmung soll lediglich ins Gesetz eingeführt werden, um einen vermeintlich neuen Schutzmechanismus aufzubauen. Dazu ist sie aber nicht da.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Diese Selbstbestimmung läuft im Übrigen ins Leere – das ist mehrfach gesagt worden –, weil das nur eine vermeintliche Selbstbestimmung ist: Ich stelle eine Blankovollmacht aus, und ich werde vermeintlich beraten. Lieber Kollege Lauterbach, ja, ich kann dem Arzt sagen, dass ich mir kein Blut abnehmen lassen möchte, und mit dieser selbstbestimmten Entscheidung schließe ich obendrein alle Forschungsvorhaben aus. Das ist nun auch wenig sinnvoll. – Ich erhalte also eine vermeintliche Selbstbestimmung, habe aber nicht die Möglichkeit, auszusteigen.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist falsch, objektiv falsch!)

Das ist einer der Gründe, warum die Deutsche Alzheimer Gesellschaft sagt: Nein, das wollen wir nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

All denen, die die Selbstbestimmung so in den Vordergrund stellen, sage ich: Es gab an dieser Stelle doch überhaupt keinen Druck von irgendjemandem, der sich eingezwängt oder fremdbestimmt fühlt. Der Druck kam doch ausschließlich von der Wissenschaft, weil man Forschung machen möchte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sind aber lange zwei Minuten!)

Hier wird die Idee der Selbstbestimmung genutzt, um eine vermeintliche Sicherheit vorzuschieben. Das geht nicht. Das macht überhaupt keinen Sinn.

Zur Türöffnungsfunktion. Wenn die vorliegenden Anträge durchkommen, werden wir in den kommenden 15 bis 20 Jahren feststellen, dass sie der Forschung überhaupt nichts bringen, weil das im Zweifel erst in Patientenverfügungen oder woanders verankert werden muss. Natürlich kommt dann der Ruf: Ihr habt ja schon eingesehen, dass das nötig ist; das bringt aber alles nichts; jetzt müssen wir die Schutzmechanismen doch ein bisschen weiter aushebeln. – Das wollen wir doch wohl nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Deshalb kann ich nur dringend bitten: Sagen Sie Ja zu unserem Antrag, zu dem Antrag Schmidt/Schummer, und sagen Sie Nein zu den anderen Anträgen. Dann haben wir wieder eine klare, geschützte Regelung.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7029069
Wahlperiode 18
Sitzung 198
Tagesordnungspunkt Arzneimittelrechtliche Vorschriften (2. Lesung)
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