10.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 199 / Tagesordnungspunkt 4

Burkhard BlienertSPD - Förderung des deutschen Films

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Filmbegeisterte und die, die es noch werden wollen, auf der Tribüne! Eine Nachricht hat uns kürzlich alle aufhorchen lassen: Der US-amerikanische Mobilfunkkonzern AT&T will das Time-Warner-Studio kaufen. Damit will man selbstproduzierte Inhalte exklusiv für mobile Endgeräte anbieten. Der Deal ist noch nicht sicher, aber diese Meldung wirft ein Schlaglicht auf die zukünftige Entwicklung insgesamt.

Solche Entwicklungen haben natürlich auch darauf Auswirkungen, wie bei uns Filme entstehen, was für Filme gemacht werden, wie sie verwertet und wie sie konsumiert werden. Die internationalen Marktveränderungen beschreiben somit Koordinaten, in denen sich letztendlich auch das Filmförderungsgesetz bewähren muss. Sie markieren enorme Herausforderungen für den deutschen und europäischen Kinofilm, und sie markieren Herausforderungen für den Ort, an dem diese Filme zuallererst ihr Publikum finden sollen, nämlich das Kino.

Für mich ergeben sich daraus zwei zentrale Aufgaben: Zum einen geht es darum, auch unter diesen Rahmenbedingungen Vielfalt und Qualität des Filmschaffens zu ermöglichen und weiterzuentwickeln. Zum anderen geht es darum, dem kulturellen Begegnungsort Kino eine Zukunft zu geben und damit unsere einzigartige Kinolandschaft weiterhin zu pflegen.

(Beifall bei der SPD)

Das waren für mich zugleich die Maßgaben für alle Beratungen über den Gesetzentwurf. Das Ergebnis insgesamt stimmt mich zufrieden. Schon der erste Entwurf war zu begrüßen. Der Ausschuss hat als Ergebnis seiner Anhörung weitere Änderungen beschlossen, die die ganze Sache rund machen. Im Vorfeld hatten wir übrigens einige neue Ansätze gründlich unter die Lupe genommen, aber am Ende aus guten Gründen wieder verworfen. Das gilt etwa für den Erlöskorridor und für Experimente bei den Sperrfristen. Darauf komme ich später noch im Detail zurück.

Es freut mich besonders, dass der Beschluss im Ausschuss ohne Gegenstimme erfolgte. Ich möchte daher die konstruktiven Beratungen mit den Oppositionsfraktionen ausdrücklich anerkennen. An dieser Stelle danke ich Marco Wanderwitz und den Kollegen von der Union für die guten und intensiven Beratungen und ganz herzlich auch dem Filmreferat der BKM und der Filmförderungsanstalt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der überarbeitete Entwurf gibt wirklich allen Anlass zur Hoffnung, dass die Finanzierung der FFA in den nächsten Jahren auf sicheren Beinen steht und dass die Effektivität der Förderung deutlich verbessert werden kann. Zudem gibt es gute Regelungen bei der Gleichstellung. Ich gehe davon aus, dass die Parität in den Fördergremien für einen deutlich steigenden Anteil der Filme von Regisseurinnen und Produzentinnen sorgen wird. Vielleicht ist es schon ein gutes Zeichen, dass die FFA-Vergabekommission in der letzten Sitzung die Förderung von zwölf Kinoprojekten beschlossen hat, von denen die Hälfte unter weiblicher Regie entsteht. Wir werden genau beobachten, wie sich der Frauenanteil bei den Kinofilmprojekten entwickelt. Sollte es hier wider Erwarten keine nachhaltigen Verbesserungen geben, werden wir uns noch einmal mit der Zielvorgabe bei der Förderung beschäftigen müssen.

Das neue Gesetz wird mit seiner konsequenten Qualitätsorientierung einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Flut der Filmstarts eingedämmt werden kann. Allein im ersten Halbjahr gingen 127 deutsche Filme an den Start. Dies war gegenüber dem Vorjahr erneut eine Steigerung, diesmal um elf Filme. Der Fokus auf Qualität wird mit der verbesserten Drehbuchförderung dafür sorgen, dass weniger mittelmäßige Filme ins Kino kommen. Mittelmäßig sind sie meist aufgrund halbgarer Drehbücher. Deshalb wird es mehr Filme aus dem mittleren Segment geben, also Filme mit einem Budget zwischen 4 und 6 Millionen Euro. Das sind genau die Filme, an denen es in unseren Kinos derzeit mangelt.

Mit ausgereiften Drehbüchern, höheren Fördersummen und besonderen Anforderungen an die Expertise der Fördergremien wollen wir das ändern. Der Qualitätsbegriff im neuen FFG ist an eine wirtschaftlich erfolgreiche Verwertung gebunden. Damit erfährt das FFG eine Profilschärfung, das seinem Charakter eines Wirtschaftsförderungsgesetzes entspricht, zugleich aber dem Kulturgut gerecht wird.

An dieser Stelle muss man auf die kulturelle Filmförderung durch die BKM zurückkommen. Ich kann es nur begrüßen, dass bereits im nächsten Haushalt eine Aufstockung um 15 Millionen Euro vorgesehen ist. Das muss natürlich auf eine dauerhafte Grundlage gestellt werden. So gibt es auch Möglichkeiten für innovative, mutige, sperrige, künstlerisch ambitionierte Projekte, die sonst nicht gefördert werden könnten. Dann hätten wir bald ein Problem. Denn ohne diese Mittel ist eine Stärkung der kulturellen Ausrichtung der Förderung nicht mehr zu machen. Ich würde mir daher wünschen, dass auch die Förderung durch die BKM ihr Profil schärft. In Abgrenzung zum FFG und vom FFG sollte es hier um Projekte gehen, die gerade nicht unter dem Verwertungsaspekt entstehen. Bei der BKM sollte der Akzent eindeutig auf der Förderung künstlerisch herausragender und anspruchsvoller Filme liegen. Dies sollte auch in den neuen BKM-Förderrichtlinien, die wir in der nächsten Zeit erwarten, berücksichtigt werden.

Darüber hinaus: Wir müssen natürlich auch unsere Standortförderung überdenken. Dass es mit dem DFFF nicht weitergehen kann wie bisher, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Der Glanz des ehemaligen Vorzeigemodells aus Deutschland ist mittlerweile leider verblasst. Der DFFF kann seinen Zweck nicht mehr erfüllen. Grund sind eindeutig die attraktiveren Anreizsysteme in Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada, Ungarn und vielen, vielen anderen Ländern. Leider machen internationale Großproduktionen inzwischen einen Bogen um Deutschland. Alarmierend finde ich auch, dass deutsche Produktionen Deutschland verlassen, weil sie woanders bessere Förder- und Produktionsbedingungen vorfinden.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Warum ändern wir das nicht?)

Wenn wir den Filmstandort Deutschland erhalten wollen, müssen wir hier deutlich nachlegen. Ich möchte daran erinnern, dass ein attraktiver Standort nicht nur ein Innovationstreiber für Zukunftstechnologien wie Animation und Spezialeffekte ist, sondern auch viele neue, zum Teil hochspezialisierte Arbeitsplätze bringt. Alle Studien belegen, dass es sich bei dieser Förderung nicht um Subventionen handelt, sondern geradezu um ein Geschäftsmodell für den Finanzminister mit erheblichen Steuerrückflüssen. Ich würde mir daher eine Standortförderung mit verschiedenen sich ergänzenden Instrumenten wünschen – ich würde mir auch wünschen, dass wir eine Debatte darüber führen –: erstens mit Anreizmodellen für internationale Großproduktionen, auch unter Prüfung von Steueranreizen, die den Filmstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb stärken und sichern, zweitens mit der Förderung der deutschen Produktionswirtschaft und drittens mit einer technologisch orientierten Förderung, wie sie bereits seit zwei Jahren durch den German Motion Picture Fund des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel erfolgt.

Wieder zurück zum FFG: Ganz besonders freut mich, dass mein Appell aus der ersten Lesung gehört wurde und wir uns auf eine wichtige Nachbesserung am Regierungsentwurf verständigen konnten. Der Gesetzgeber bekennt sich nun zu seiner Verantwortung, dass es bei der Produktion der öffentlich geförderten Projekte fair und sozialverträglich zugehen muss.

(Beifall bei der SPD)

Dazu haben wir den gesetzlichen Aufgabenkatalog der Filmförderungsanstalt erweitert. Künftig muss die FFA darauf hinwirken, dass in der Filmwirtschaft eingesetztes Personal zu sozialverträglichen Bedingungen beschäftigt wird. Bei den Bewilligungsvoraussetzungen haben wir zusätzlich konkretisiert, wie diese Aufgabe umzusetzen ist. Über Förderanträge wird künftig nur dann entschieden, wenn der Hersteller angibt, ob eine Tarifbindung gilt. Ist dies nicht der Fall, muss er erklären, ob die Einhaltung sozialer Standards auf anderem Wege vereinbart wurde. Diese Angaben werden im Förderbericht der FFA veröffentlicht. So schaffen wir endlich Transparenz dahin gehend, wie viele nicht tarifgebundene Produktionen wir im Moment leider noch öffentlich fördern. Auch das werden wir genau beobachten. Sollte der Anteil über die Jahre zu hoch sein, müssen wir als Gesetzgeber gegebenenfalls wiederum nachsteuern. Es ist schließlich das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Tarifbindung von Unternehmen auszubauen. Das gilt natürlich auch für die Filmwirtschaft.

(Beifall bei der SPD)

Hier bringt die FFG-Novelle einen weiteren Fortschritt. Sie ist damit ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Filmschaffenden. Auch die Urheber unter den Filmschaffenden können sich freuen. Schon im Regierungsentwurf wurde festgeschrieben, dass die Erlösbeteiligungen gemäß dem Urhebervertragsrecht bei der Tilgung der Förderdarlehen vorrangig zu bedienen sind. Seit dem 1. November dieses Jahres gibt es für freie Film- und Fernsehschaffende bei der Alterssicherung aus der Pensionskasse übrigens wieder mehr Sicherheit. Auch dafür hat sich die SPD-Bundestagsfraktion eingesetzt, und auch das ist ein guter Baustein der Sicherung.

Die Verabschiedung der FFG-Novelle markiert einen guten Tag für die Filmschaffenden und einen guten Tag für die Kinos; denn weder bei den regelmäßigen noch bei den ordentlich verkürzten Sperrfristen wird es Fristverkürzungen geben. Damit ebnen wir gerade denjenigen Filmtheatern den Weg in die Zukunft, die als Teil unserer Kinolandschaft zur Vielfalt des Filmangebotes beitragen. Diese Häuser sind auf das Kinofenster angewiesen, also auf die Möglichkeit, Filme über viele Wochen hinweg auswerten zu können, wie im Moment Toni Erdmann, der seit 15 Wochen läuft und noch immer erfolgreich ist und nach wie vor Tausende ins Kino zieht.

Kinos sind immer auch öffentliche kulturelle Treffpunkte mit einer wichtigen sozialen Funktion – sowohl in der Großstadt als auch in der Fläche. Gerade in den kleineren Städten sind die Kinos oftmals das einzige kulturelle Angebot und damit unverzichtbar. Mit der Digitalisierungsförderung ist es uns gelungen, diese Vielfalt unserer Kinolandschaft zu erhalten. Das sollten wir durch Sperrfristverkürzungen nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Dennoch verkennen wir nicht, dass der Druck auf das Kinofenster durch neue internetbasierte Geschäftsmodelle und veränderte Sehgewohnheiten größer wird, und wir sehen auch, dass sich das Kino keinen Gefallen damit tut, wenn es diese Entwicklung ignoriert. Vor diesem Hintergrund haben wir erwogen, ob man im Rahmen des FFG ein Experimentierfeld bei den Sperrfristen eröffnen sollte, und zwar mit dem Ziel, auf diesem Weg die Kinozuschauer stärker an sich zu binden und neue Kinogänger – gerade auch jüngere – zu gewinnen. Aufgrund der absehbaren Nachteile und Risiken eines solchen Experiments, die wir uns angeschaut haben, haben wir am Ende aber Abstand davon genommen.

Dennoch bleibt festzuhalten: Das neue FFG geht behutsame Schritte – nicht zur generellen Verkürzung, aber doch zu einer weiteren Flexibilisierung der Sperrfristen. Ich glaube, das ist ein richtiger und vernünftiger Weg.

Ausnahmen sind weiterhin möglich, aber nur, wenn zum Beispiel der Kinovertreter im FFA-Präsidium diesen auch zustimmt. Damit stellen wir sicher, dass nichts über die Kinos hinweg geschieht.

Ich wünsche mir, dass die Kinos die Chancen erkennen, die die neuen Möglichkeiten mit sich bringen, und ich möchte ausdrücklich an die Kinoverbände appellieren, dass sie diesen neuen Wegen zur Anwendung verhelfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Novelle bringt nicht den großen Paradigmenwechsel, den sich manch einer in der Branche vielleicht erhofft hat, aber sie nimmt Weichenstellungen vor, die die Filmförderung nachhaltig zum Besseren verändern werden.

Damit hat sich natürlich auch der Antrag der Fraktion der Linken erübrigt. Das war wahrscheinlich auch nicht anders erwartet worden. Wir sind aber auf viele Punkte eingegangen und haben sie umgesetzt. Ich denke, das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir hier gemeinsam für die Kinos und für den deutschen Film die Grundlagen für die nächsten Jahre geschaffen haben.

Dieses Jahr ist trotz niedrigerer Besucherzahlen nach dem Rekordjahr 2015 ein erfolgreiches Jahr. Ich erinnere an den furiosen Auftritt von Toni Erdmann in Cannes. Er ist jetzt in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ für den Oscar nominiert. Daneben haben wir weitere Studenten-Oscars gewonnen. Erst vor wenigen Wochen wurden drei junge deutsche Filmemacher ausgezeichnet.

Das FFG ist ein guter Beitrag für die Zukunft und für einen qualitativ guten und erfolgreichen – auch wirtschaftlich erfolgreichen – deutschen Kinofilm.

Für die deutsche Filmwirtschaft kann ich nur sagen: Wir sind auf einem guten Wege und werden weiter daran arbeiten, dass wir zukunftssicher und optimistisch nach vorne blicken können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Tabea Rößner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist die nächste Rednerin.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7029771
Wahlperiode 18
Sitzung 199
Tagesordnungspunkt Förderung des deutschen Films
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