10.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 199 / Zusatzpunkt 1

Andreas JungCDU/CSU - Klimakonferenz von Marrakesch

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Bulling-Schröter, Sie sagen, es sei keine gute Woche für den Klimaschutz. Ich möchte dem entgegenhalten: Man soll den Tag natürlich nicht vor dem Abend loben; aber man soll auch nicht vor ihrem Ende über die Woche schimpfen.

(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Dann macht!)

Wir setzen auf das, was die Ministerin gerade angekündigt hat, nämlich dass eine Einigung innerhalb der Bundesregierung über den Klimaschutzplan kurz bevorsteht.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange denn noch?)

Ich sage für unsere Fraktion: Wir wollen einen Klimaschutzplan, wir brauchen einen Klimaschutzplan. Wir haben uns im Übrigen nicht nur im Koalitionsvertrag für den Klimaschutzplan ausgesprochen, sondern bekennen uns auch in dem Antrag, den wir heute gemeinsam beschließen, noch einmal ganz ausdrücklich zu dem Klimaschutzplan. Deshalb sage ich ganz ausdrücklich: Wir setzen darauf, dass es jetzt kurzfristig, vor Marrakesch, gelingt, eine Einigung beim Klimaschutzplan hinzubekommen. Ich halte das für wichtig, und das wäre auch für Sie, Frau Ministerin, der richtige Rückenwind in Marrakesch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für diese Konferenz wünschen wir Ihnen alles Gute.

Sie haben gerade beschrieben, was die Aufgaben und die Herausforderungen sind, dass es da um andere Dinge geht als in Paris, aber eben auch wieder um wichtige Fortschritte, was die Umsetzung des Abkommens angeht. Sie haben auch beschrieben, dass wir noch nicht wissen, in welcher Situation wir nach den Präsidentschaftswahlen in den USA sind. Umso wichtiger finde ich, dass wir aus Deutschland und aus Europa das Signal senden, dass bei uns Klarheit und Verlässlichkeit herrschen, dass wir diesen Pfad so gehen wollen. Insofern war es ein wichtiger Beitrag dieses Hauses, des Deutschen Bundestages, dass wir mit der schnellen Ratifizierung des Abkommens, die uns vor wenigen Wochen gelungen ist, das geleistet haben, was wir vor dieser Konferenz für das Klimaabkommen leisten konnten, nämlich die Herstellung des höchstmöglichen Maßes an Verbindlichkeit. Mit der Ratifizierung wurde das nun anstehende erste Vertragsstaatentreffen ermöglicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme noch einmal zum Klimaschutzplan. Warum brauchen wir ihn? Die Ministerin hat dargestellt: Wir sind auf einem guten Weg; das, was wir in Deutschland leisten, lässt sich vorzeigen. Sie haben die Ratifizierung genannt, die Finanzierung, unsere Rolle als Schrittmacher, auch das, was wir im eigenen Land leisten. Wir haben hier im Bundestag – nicht erst ganz aktuell, sondern schon vor langem und immer wieder – ehrgeizige Ziele formuliert, und wir beschließen heute mit unserem Koalitionsantrag das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren.

Ich denke, es ist ganz unbestritten, dass das ein ehrgeiziges Ziel ist. Ich glaube, genauso unbestritten ist, dass es auch eine Herausforderung ist.

Jetzt geht es nicht darum, mit diesem Klimaschutzplan schon jede einzelne Frage zu beantworten. Ich glaube, das kann bei einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten niemand ernsthaft erwarten. Aber es geht darum, einen Pfad zu beschreiben. Es geht darum, Verlässlichkeit zu geben, und es geht darum, das klare Signal zu geben, wohin die Reise geht. Sie geht eben nicht zurück in das Zeitalter der Kernenergie, und es gibt auch keine Renaissance der Kohle, sondern sie geht hin zu Erneuerbaren, zu Energieeffizienz und zu neuen Technologien. Das ist unser Weg, und darauf können und sollen sich alle einstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wenn es um einen solchen Umbruch geht, dann ist richtig, was wir in unserem Klimaschutzantrag tun, nämlich zu sagen: Wir verstehen das auch als Chance für Deutschland. Wir schreiben in unserem Koalitionsantrag ganz ausdrücklich: Es ist auch eine Chance für unsere Wirtschaft, mit neuen Technologien für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Aber genauso richtig und auch notwendig ist es – ich finde, es ist nicht nur legitim, sondern geradezu zwingend –, darauf hinzuweisen: Es ist auch eine Herausforderung. Es ist eine gewaltige Aufgabe, ein großer Umbau. Dass Menschen in Braunkohlegebieten bei dem Thema Klimaschutz nicht als Allererstes daran denken, dass das eine Chance für sie sein könnte, sondern dass es da auch die Frage gibt: „Was wird denn aus uns? Was wird aus meinem Arbeitsplatz? Was wird aus meiner Region?“, das ist doch logisch und liegt auf der Hand. Das alles erklärt, glaube ich, auch ein Stück weit dieses Ringen, das wir in der Koalition, in beiden Koalitionsfraktionen, haben. Ich hätte mir gewünscht, dass wir schon früher zu dem Klimaschutzplan gekommen wären, selbstverständlich. Aber das ist auch Ausdruck dessen – und das ist doch legitim –, was unsere gemeinsame Aufgabe hier ist, nämlich gemeinsame Interessen so zusammenzuführen, dass wir es am Ende schaffen, ambitioniert Klimaschutz zu machen, aber auch die Wirtschaft mitzunehmen und insgesamt ein gutes Ergebnis für unser Land und alle Regionen hinzubekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es ist doch immer der Wunsch vorhanden, dass wir im Bundestag in und zwischen den Fraktionen diskutieren, damit Dinge nicht alternativlos sind. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass wir nicht das grundsätzliche Ziel, auf das wir uns immer wieder – auch heute – geeinigt und das wir immer bekräftigt haben, infrage stellen, sondern über Instrumente streiten. Das halte ich auch für notwendig. Da gibt es eben unterschiedliche Wege und Möglichkeiten. Ich will für unsere Fraktion sagen, dass wir nicht glauben, dass der Weg von immer mehr Verboten der richtige ist. Natürlich braucht es in gewissem Rahmen Ordnungsrecht; das ist unbestritten. Aber der Weg von immer neuen Verboten wäre bestimmt nicht der richtige. Unser Weg ist auch nicht der, immer neue Steuern zu erfinden, um diesen Weg beschreiten zu können, sondern unser Weg ist, dass wir sagen: Wir wollen Vorreiter sein.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wie?)

Diesen Anspruch haben wir, und das setzen wir um.

Wer Vorreiter sein will, der muss Nachahmer finden. Wir sind der Überzeugung, dass wir Nachahmer nicht finden werden, wenn wir die meisten Gesetze machen, sondern nur dann, wenn wir die besten Technologien in unserem Land haben und sie exportieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb setzen wir auf Technologie. Deshalb setzen wir auf Effizienz, und deshalb setzen wir auf Innovation, erst einmal was die Grundsätze angeht. Dann können wir uns über die einzelnen Bereiche unterhalten. Das müssen wir auch tun. Das tun wir jetzt mit dem Klimaschutzplan. Wir wissen alle, dass das nur der Auftakt ist; es wird weitergehen. Was die Kohle angeht, so ist es selbstverständlich, dass, wenn wir diese ehrgeizigen Ziele bis 2050 verfolgen, der Anteil der Kohle Schritt für Schritt runtergehen muss; das muss jedem klar sein. Wir brauchen einen Plan, wie wir in dieser Zeit den Ausstieg aus der Kohle schaffen. Gleichzeitig brauchen wir dann aber auch Antworten auf die Strukturfragen. In der Lausitz haben wir in diesem Jahr entsprechende Programme beschlossen. Wir müssen den Wandel in der Energie- und Klimapolitik in Strukturprogramme und Maßnahmen einbetten, die den sozialen Frieden in diesem Land garantieren. Das ist der Weg, das ist die gemeinsame Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Selbstverständlich – das ist ja auch Aufgabe und Anspruch dieses Klimaschutzplans – müssen dafür alle Sektoren ihren Beitrag leisten: Verkehr und Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe, der Gebäudebereich; über den Energiebereich habe ich schon gesprochen. Das ist selbstverständlich. Aber auch da müssen wir über den richtigen Weg reden.

Was die Verkehrspolitik angeht, so ist unser Weg eben nicht, dass ab dem Jahr 2030 alle Diesel- und Benzinfahrzeuge verboten werden sollen. Das halten wir für den falschen Ansatz; wenn ich „wir“ sage, dann meine ich unsere Fraktion. Ich als Baden-Württemberger kann sagen: Das sieht auch mein Ministerpräsident so. Das sieht sogar Ihr Vorgänger, Herr Hofreiter, als Vorsitzender des Verkehrsausschusses, Winfried Hermann, so, der im Bundesrat dagegen gestimmt hat. Wir wollen keine Verbote, sondern Anreize.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar kein Verbot! Das ist ein klassischer Anreiz! Mehr Anreiz geht gar nicht!)

Wir wollen Anreize für mehr Effizienz. Wir setzen bei der Elektromobilität auf Forschung und Entwicklung. Wir setzen darauf, dass Technologien überzeugen. Natürlich müssen wir uns als Staat fragen: Wie schaffen wir den Rahmen dafür? Was können wir im Rahmen der Nationalen Plattform Elektromobilität tun, um das Ziel zu erreichen, das wir in den Klimaschutzplan geschrieben haben, nämlich dass bis zum Jahr 2050 der CO 2 -Ausstoß im Verkehr fast auf null gesenkt wird? Diesen Weg wollen wir gehen; aber wir wollen ihn im Dialog gehen, mit Anreizen, Förderung und dieser Rahmensetzung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dasselbe gilt für den Gebäudebereich. Auch im Gebäudebereich verfolgen wir ehrgeizige Ziele. Wir sind sehr dafür, im Bereich Neubau hohe Standards zu setzen. Im Prinzip muss in Zukunft beim Neubau ein Null-Emissions-Standard gelten. Wir müssen auch an den Bestand heran; denn ohne Maßnahmen an Gebäuden im Bestand werden wir es nicht schaffen. Aber auch hier gilt: Wir wollen keine Zwangssanierungen. Wir haben es in Baden-Württemberg einmal ausprobiert, Sanierungspflichten beim Auswechseln der Heizung einzuführen. Die Ergebnisse geben nicht gerade Anlass, Maßnahmen nach diesem Vorbild zu ergreifen; denn manche haben einfach gar nichts gemacht. Vielmehr müssen wir mit mehr Programmen mehr Anreize schaffen. Ich sage deshalb ausdrücklich: Wenn wir die ehrgeizigen Ziele beschließen, dann plädiere ich dafür, dass wir einen neuen Anlauf unternehmen, die Gebäudesanierung steuerlich zu fördern, um die Potenziale zu heben.

Ich möchte abschließend beschreiben, worum es uns geht: Ehrgeizige Ziele ja; aber im Mittelpunkt sollen Technologien stehen, im Mittelpunkt soll Effizienz stehen, im Mittelpunkt sollen Anreize stehen. Mit diesen Zielen in der Klimapolitik wollen wir in Deutschland vorankommen und damit Beispiel geben für andere. Das sollte nicht zuletzt auch ein Signal für die Klimakonferenz in Marrakesch sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Anton Hofreiter hat nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7029789
Wahlperiode 18
Sitzung 199
Tagesordnungspunkt Klimakonferenz von Marrakesch
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