Barbara WoltmannCDU/CSU - Änderung des Aufenthaltsgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die großen Herausforderungen aufgrund des hohen Flüchtlingszuzugs, die uns seit Ende des vergangenen Jahres zum Handeln zwingen, sind längst noch nicht bewältigt. Obwohl es uns gelungen ist, durch mehrere Gesetzespakete und Personalaufstockungen an den richtigen Stellen wieder Ordnung in das überlastete Asylsystem zu bringen, liegt noch viel Arbeit vor uns.
Schwierige Zeiten erfordern entschiedenes Handeln. Die bislang getroffenen Maßnahmen belegen, dass der Gesetzgeber handlungsfähig ist. Wir haben den ungeregelten Zuzug von Migranten weitgehend unterbunden und sind zu einem geordneten Verfahren zurückgekehrt.
Im Februar dieses Jahres haben wir mit der Verabschiedung des Asylpakets II einen – zugegeben – schwierigen, aber wichtigen Schritt getan. Dazu gehört, dass für diejenigen Flüchtlinge, die subsidiären Schutz erhalten, der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt wird. Subsidiär Schutzberechtigte, also Menschen, die vor Bürgerkrieg fliehen müssen, bleiben in der Regel nicht auf Dauer in Deutschland. Das ist generell so. Auch die GFK-Flüchtlinge bekommen nur ein Schutzrecht auf Zeit. Ihr Status wird nach zwei Jahren überprüft und, falls die Situation im Herkunftsland sich verbessert hat, nicht verlängert. Ich halte es auch für gerechtfertigt, einen dauerhaften Bleibetitel abzuwarten, bevor die Familie nachkommt, um nicht ganze Familien zurückschicken zu müssen.
Dabei ist wichtig: Die Aussetzung des Familiennachzugs betrifft diejenigen Menschen, die ihre Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigte nach dem 17. März 2016 erhalten haben. Nur solche sind von dieser Regelung betroffen.
Wir erinnern uns: Im Jahr 2015 wurden die meisten Asylverfahren von Antragstellern, vor allem aus Syrien, im schriftlichen Verfahren ohne persönliche Anhörung bearbeitet. Die individuellen Fluchtgründe hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in dieser Zeit nicht erfasst. So konnte leider auch Missbrauch getrieben werden. Das war ein unhaltbarer Zustand, der so nicht bleiben konnte. Vor diesem Hintergrund haben wir mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren am 17. März 2016 beschlossen, alle Asylantragsteller unabhängig vom Datum der Einreise wieder persönlich anzuhören. Ich halte dies für eine richtige Entscheidung; denn nur so können wir feststellen, welcher Fluchtgrund den Einzelnen nach Deutschland geführt hat und welcher Flüchtlingsstatus der richtige ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Seit Wiederaufnahme der persönlichen Anhörung ermittelte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei syrischen Antragstellern vermehrt, dass viele Menschen zwar vom Bürgerkrieg betroffen sind, jedoch nicht individuell verfolgt werden. Und das führt nach der geltenden Rechtslage zur Gewährung subsidiären Schutzes.
Ein Beispiel: In allen Landesteilen Syriens kann eine individuelle Verfolgung im Sinne des § 3 Asylgesetz, also wegen Rasse, Religion oder politischer Überzeugung, stattfinden, und zwar sowohl durch die syrische Regierung als auch durch den IS. Wenn eine solche individuelle Verfolgung festgestellt wird, dann erfolgt eine Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Von Januar bis September 2016 wurde diese Flüchtlingseigenschaft bei 142 000 schutzberechtigten Syrern festgestellt. Liegt aber eine individuelle Verfolgung nicht vor, weil sich die Menschen schon in Einrichtungen in den Anrainerländern befinden, kann stattdessen eine, ich will es einmal so beschreiben, allgemeine Gefährdungslage durch Bürgerkrieg bestehen. Dann kommt die Gewährung subsidiären Schutzes in Betracht. Diesen Status haben im Zeitraum von Januar bis September 2016 rund 75 000 Menschen zugesprochen bekommen. Diese Gruppe ist nun von der zweijährigen Aussetzung des Familiennachzugs betroffen.
Eines muss ich aber auch noch klarstellen: Die Aussetzung des Familiennachzugs schließt die Aufnahme von Familienmitgliedern aus humanitären Gründen nicht völlig aus.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht völlig?)
In einzelnen Ausnahmefällen kann eine Aufnahme nach § 22 Aufenthaltsgesetz in Betracht kommen. Danach kann einem Ausländer aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen oder auch zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland ein Aufenthaltstitel nach § 22 Aufenthaltsgesetz erteilt werden.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Finden Sie das gut? Und wenn ja, warum?)
Das Auswärtige Amt kann in eigener Zuständigkeit oder auch in Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden auf der Grundlage von § 22 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz eine Ausnahmegenehmigung erteilen, wenn eine besondere Notsituation dies unausweichlich macht; aber es muss sich dann um eine besondere Notlage handeln.
Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass bei der Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen der EU-Kontingente eine familiäre Bindung berücksichtigt werden kann.
Frau Woltmann, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Kollegen Beck?
Ach, Herr Beck. – Ja, bitte schön.
Guten Morgen, Frau Woltmann.
Guten Morgen, Herr Beck.
Es freut mich, mit Ihnen zu sprechen. – Ich wollte Sie etwas zu § 22 Aufenthaltsgesetz fragen. Dieser Paragraf ist ja eigentlich eine prima Regelung, aber meines Erachtens leider der toteste Paragraf des Aufenthaltsgesetzes. Wie viele Aufnahmeentscheidungen nach § 22 Aufenthaltsgesetz hat es im letzten Jahr und wie viele in diesem Jahr gegeben? Ich kenne einen Fall, um den ich mich selbst gekümmert habe. Ansonsten kriegt man das in der Regel nie hin.
Ich kann Ihnen die genauen Zahlen jetzt auch nicht nennen. Aber es sind im letzten Jahr wenige gewesen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tippen Sie auf einstellig, zweistellig oder dreistellig? – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Es gibt keinen einzigen Fall!)
Jetzt antwortet Frau Woltmann.
Das kann ich jetzt nicht sagen, da ich die Zahlen hier nicht parat habe. Ich will die Frage aber gerne später noch beantworten.
Wir haben festgestellt, dass wir durch die hohe Anzahl der Flüchtlinge, der Migranten, die im letzten Jahr zu uns gekommen sind – über 1 Million; ich hatte das ja schon zu Beginn gesagt –, sehr große Schwierigkeiten gehabt haben, das Ganze wieder in ein geordnetes Verfahren zu überführen. Wir tun das ja auch nicht, um irgendjemanden durch eine gesetzliche Regelung zu ärgern.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte wissen, wie viele es nach § 22 sind!)
Vielmehr wollen wir einfach wieder zu einem geordneten Verfahren kommen, sonst überfordern wir Deutschland, sonst überfordern wir sehr viele. Aber ich komme in meiner Rede auch noch darauf zurück.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sollten uns vielleicht als Innenausschuss gemeinsam über die Praxis bei diesem Paragrafen unterhalten!)
Jetzt ist Frau Woltmann wieder dran.
Ich hatte bereits gesagt, dass es bei humanitären Gründen eine Härtefallregelung gibt und dass wir auf dieser Basis Menschen in besonderen Notlagen helfen können.
Für anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention gilt weiterhin der privilegierte Familiennachzug. Das heißt, es muss nicht nachgewiesen werden, ob der Lebensunterhalt gesichert ist oder ob Wohnraum zur Verfügung steht. Das alles muss nicht gemacht werden. Wenn wir die subsidiär schutzbedürftigen Menschen wieder gleichstellen würden, hieße das, auch für diese Menschen muss das nicht gegeben sein. Das ist eine schwierige Situation.
Wir müssen bei dieser Diskussion beachten, dass gerade unsere Kommunen, aber auch viele Ehrenamtliche mit der Integration von Schutzberechtigten vor einer immensen Herausforderung stehen. Sie sind letzten Endes dafür verantwortlich, dass die Unterbringung und die Integration der Flüchtlinge so gut gelingt, wie wir es uns vorstellen und wünschen. Das Fehlen von Wohnraum in vielen Kommunen spielt dabei eine große und entscheidende Rolle. Deswegen halte ich es für richtig, diese getroffenen Maßnahmen, die wir durch das Gesetz so beschlossen haben, erst einmal wirken zu lassen. Wir lehnen es daher ab, die erst vor einem halben Jahr mit gutem Grund eingeführte Wartefrist für den Familiennachzug zurückzunehmen.
Frau Woltmann, sind Sie bereit, eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Kollegen Meiwald zu akzeptieren?
Nein. – Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie verweisen in Ihren Anträgen auf die Neubestimmung des Bleiberechts und der vereinfachten Aufenthaltsbeendigung, die wir 2015 verabschiedet haben. Ja, das ist so. Da haben wir diesen Personenkreis einbezogen. Aber wir haben in der Zwischenzeit eine veränderte Situation, nämlich die von mir schon erwähnten 1 Million Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, was wir in Deutschland erst einmal bewältigen und umsetzen müssen. Als wir das Gesetz 2015 verabschiedet haben, kamen noch nicht täglich 6 000 bis 10 000 Menschen nach Deutschland. All diese Menschen müssen untergebracht werden. Sie müssen versorgt werden. Auch die Familien, die dann nachziehen, müssen versorgt werden, brauchen Wohnraum. Um eine Überforderung der Kommunen zu verhindern, war und ist eine Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige um zwei Jahre erforderlich und gerechtfertigt.
Lassen Sie mich noch eines klarstellen. Wir haben Regelungen für anerkennte Flüchtlinge, ihre Familien nachzuholen. Dazu gehören Eltern und Kinder, also die Kernfamilie. Wir müssen in der Abwägung aller Fakten und Positionen darauf achten, dass weder die Menschen noch die Kapazitäten in unserem Land überfordert werden. Wir müssen erst einmal denen helfen, die hier sind. Es ist eine verantwortungsvolle Abwägung,
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wenn die Kinder im Kriegsgebiet sind!)
der wir uns ständig stellen müssen. Die Bundesrepublik Deutschland wird ihrer Verantwortung in der Flüchtlingsfrage mehr als gerecht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Barbara Woltmann. – Die nächste Rednerin: Ulla Jelpke für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7029813 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Aufenthaltsgesetzes |