10.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 199 / Tagesordnungspunkt 11

Thorsten FreiCDU/CSU - Bundeswehreinsatz gegen Terrororganisation IS

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über den Antrag der Bundesregierung über die Verlängerung des Anti-IS-Mandates. Ich will an dieser Stelle noch einmal verdeutlichen: Für uns als CDU/CSU ist dieser Antrag mit oder ohne Protokollerklärung zustimmungsfähig. Wir stehen zu diesem Einsatz – in einer Phalanx mit 64 anderen Ländern und drei internationalen Organisationen –, weil wir glauben, dass es politisch notwendig und humanitär geradezu verpflichtend ist, sich dort zu engagieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, finde ich es nicht okay, wenn so getan wird, als sei die Basis, von der aus wir operieren, völlig disponibel. Natürlich kann man über Alternativen nachdenken. Allerdings sind wir gerade dabei, den IS insbesondere im Irak massiv zurückzudrängen, und die Dinge laufen immer mehr auf Mosul zu. In einer solchen Situation darüber zu sprechen, die Basis für unsere Soldaten und unsere Aufklärungstornados zu verlegen, ist geradezu unverantwortlich.

Der nächste Punkt. Ich will hier feststellen, dass auch für unsere Fraktion das Besuchsrecht bei den Soldaten absolut konstitutiv und wichtig ist; daran besteht überhaupt kein Zweifel. Das weiß aber auch die Bundesregierung. Deswegen hätten wir auf eine solche Klarstellung verzichten können.

Wer, wie heute Mittag Frau Dağdelen, sagt, dass dieses Mandat eine Unterwerfungshandlung der Bundesregierung gegenüber der Türkei und Erdogan sei, der verkennt Ursache und Wirkung und muss zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in diesem Fall nicht für die Türkei und nicht für Erdogan engagieren, sondern in unserem eigenen Sicherheitsinteresse und in Solidarität mit der internationalen Staatengemeinschaft; das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ein Ultimatum zu stellen, das sich am Ende nicht gegen Erdogan, sondern – umgekehrt – gegen uns richtet, wäre geradezu töricht. Deswegen, glaube ich, sind wir hier auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist eine humanitäre Verpflichtung, dass wir uns hier engagieren. Allein in den letzten drei Wochen gab es 42 000 Flüchtlinge aus Mosul. Von einigen haben wir inzwischen Augenzeugenberichte erhalten. Sie haben die barbarischen Gräueltaten und die Verbrechen gegen Menschlichkeit, Andersgläubige, Andersdenkende, Frauen und Kinder deutlich zum Ausdruck gebracht.

In einer solchen Situation gibt es zum einen eine humanitäre Verpflichtung. Zum anderen besteht aber auch eine politische Notwendigkeit zum Handeln, die sich daraus ergibt, dass wir den IS bekämpfen müssen, um zu verhindern, dass auch in Zukunft eine Terrororganisation über territoriale Machtmöglichkeiten verfügt. Deswegen muss der IS auch militärisch bekämpft werden. Es darf nicht sein, dass es dort Rückzugsgebiete für Terroristen, Ausbildungsmöglichkeiten für Terroristen und Ausgangspunkte für die Ideenwelten von Terroristen gibt. Das muss verhindert werden. Deswegen brauchen wir auch einen militärischen Einsatz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein weiterer Punkt. Es ist natürlich vollkommen klar, dass, wenn der IS militärisch besiegt ist, die Ideologie bzw. die Gedankenwelt dieser islamistischen Terroristen nicht verschwunden sein wird. Deswegen werden wir bei diesem Einsatz einen langen Atem brauchen. Wir wissen, dass der IS, indem er Steuern eingezogen und Öl gefördert und verkauft hat, allein zwischen dem Sommer 2014 und dem Sommer 2015 jeden Monat mindestens 250 Millionen Euro eingenommen hat. Das macht ihn zur reichsten Terrororganisation der Menschheitsgeschichte. Dies ist natürlich eine Ausgangsbasis, um diese Ideologie, diese Verblendung und diesen mörderischen Terrorismus auch ohne territoriale Möglichkeiten weiter zu praktizieren. Das ist exakt der Grund, lieber Herr Nouripour, warum wir heute nur über einen Teil dieses Einsatzes sprechen, nämlich über den militärischen; seine Notwendigkeit habe ich erläutert. 133 Millionen Euro wird er kosten. Auf humanitärem Gebiet, bei der zivilen Krisenprävention, bei der Konfliktnachsorge und zur Stabilisierung vor Ort tun wir ein Vielfaches, auch in finanzieller Hinsicht.

Ich will an dieser Stelle das Lob an die Bundesregierung, das heute schon ausgesprochen worden ist, wiederholen. Es ist tatsächlich so, dass wir an der Spitze der Entwicklung stehen. Wir haben uns schon im Frühjahr 2015 innerhalb der internationalen Allianz für Konfliktnachsorge, insbesondere im Irak, engagiert. Wir haben die Federführung innerhalb der internationalen Allianz übernommen. Wir betreiben Konfliktnachsorge, und zwar ganz unmittelbar bei den Menschen: mit Wasser, mit Nahrungsmitteln, mit Elektrizität, mit Gesundheitsleistungen, mit Bildung und allem, was Menschen benötigen, um auch in einer solchen Situation Zukunftszuversicht haben zu können. Allein das Deutsche Rote Kreuz hat für die Flüchtlinge aus Mosul Kapazitäten für 50 000 Personen geschaffen. All das sind Dinge, die wir tun, die wichtig sind und die in dieses Gesamtbild gehören.

Wir engagieren uns dort, um Strukturen zu stabilisieren, Vertrauen zu gewinnen, zurückzugewinnen und Ownership zu ermöglichen. Bei all diesen Dingen sind wir letztlich auch erfolgreich. In der Hochphase gab es im Irak 3,2 Millionen Binnenflüchtlinge, von denen etwa 1 Million schon wieder in ihre Herkunftsorte zurückgefunden haben. Allein nach Tikrit sind 90 Prozent der Flüchtlinge wieder zurückgekehrt, nachdem die Stadt von ISIS befreit war. Das sind Fakten, die man einfach zur Kenntnis nehmen muss und die man nicht ignorieren darf, nur weil es einem politisch in den Kram passt.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Das ist das Gesamtbild, für das wir uns einsetzen. Deshalb ist dieser Einsatz richtig und notwendig, und deswegen stimmen wir ihm zu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Faktenlage in der Türkei? Kein Wort zur Türkei gesagt!)

Die Kollegin Dağdelen hat gebeten, in einer Kurzintervention Stellung nehmen zu dürfen, weil sie namentlich angesprochen worden ist. Diese Kurzintervention lasse ich zu. – Sie haben das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7030187
Wahlperiode 18
Sitzung 199
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz gegen Terrororganisation IS
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