10.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 199 / Tagesordnungspunkt 12

Michael GerdesSPD - Absicherung von Selbständigen

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Altersvorsorge ist dieser Tage allgegenwärtig. Ob medial, hier im Hause oder bei sozialpolitischen Tagungen: Wir sorgen uns um die Leistungsfähigkeit von Rentenmodellen, ob gesetzlich, betrieblich oder privat. Für mich zählt die Gesamtschau, auch wenn wir heute auf Initiative der Grünen insbesondere die Selbstständigen und ihre soziale Absicherung auf der Tagesordnung haben. Über allem schwebt die Warnung und Sorge vor zunehmender Altersarmut, ohne Frage ein Zustand, den wir als Gesellschaft verhindern müssen. Auf Analyse und Prognose müssen aber irgendwann gute Änderungsideen folgen, sonst sinkt das Rentenniveau tatsächlich eines Tages – nach aktuellen Berechnungen nach 2030 – auf ein Level, das zum Leben nicht mehr auskömmlich ist.

Unsere Ministerin Andrea Nahles ist auf einem guten Weg. Der von ihr geführte Rentendialog will eben nicht nur in der Analyse verharren, sondern Lösungen aufzeigen. Andrea Nahles wird noch in dieser Wahlperiode einen Gesetzesentwurf zur Rente vorlegen. Aus Sicht der SPD muss das Grundprinzip die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung sein.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das auch abgestimmt? – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht da auch etwas für die Selbstständigen drin?)

– Ich komme noch dazu. Geben Sie mir doch die Gelegenheit. Ich bin erst am Anfang meiner Rede.

Kein anderes System existiert so lange Zeit, kein anderes System hat so ein umfangreiches Leistungspaket. Allerdings gibt es, Herr Kurth, kein All-inclusive-Angebot. Dazu sind die Lebensmodelle einfach zu verschieden.

Mein persönliches Vertrauen in das Umlageverfahren ist groß. Je mehr Menschen bzw. Erwerbstätige in dieses System integriert werden, desto besser ist es. Ich finde es absolut bedauerlich, dass viele junge Menschen dieses Vertrauen in die gesetzliche Rente verloren haben. Wir dürfen an dieser Stelle nicht müde werden und müssen deutlich zeigen, dass das gesetzliche System besser ist als sein Ruf.

(Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann müssen Sie es attraktiv machen! Herr Weiß hat ja einiges zur Flexibilität gesagt!)

Selbstverständlich müssen wir dafür sorgen, dass der Ausgleich zwischen Rentnern und Erwerbstätigen auch mittel- und langfristig funktioniert.

Mein Kollege Martin Rosemann wird sicherlich gleich im Detail auf den grünen Forderungskatalog zur besseren Absicherung von Selbstständigen eingehen. Unter seiner Leitung haben wir als SPD-Fraktion sehr konkrete Vorschläge zum Schutz von Selbstständigen vorgelegt – nicht nur in Bezug auf den Rentenversicherungszweig, sondern auch bei den Kranken- und Arbeitslosenversicherungen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das haben wir ja auch! Genau! Aber wir haben es im Parlament! Wo ist denn Ihres?)

– Die Sozialabgaben müssen eben im Zusammenhang gesehen werden, Herr Kurth; das haben Sie erkannt.

Momentan gibt es bei der staatlich organisierten Absicherung von Solo-Selbstständigen gegen Arbeitslosigkeit aber noch sehr viel Luft nach oben. Wir sehen, wie sehr sich unsere Sozialversicherungen am Modell abhängig Beschäftigter orientieren. Spannend finde ich übrigens das Beispiel Österreich. Unsere Nachbarn sind schon einen Schritt weiter. Dort wurden die Selbstständigen bereits in die Rentenversicherung einbezogen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Übrigens die Beamten und Politiker auch!)

– Richtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vieles von dem, was die Grünen im vorliegenden Antrag zu Papier gebracht haben, geht in die richtige Richtung. Wir teilen die Auffassung, dass uns die Umbrüche am Arbeitsmarkt und die immer bunter werdenden Erwerbsbiografien dazu zwingen, die soziale Absicherung neu zu überdenken. Die Sozialversicherungen müssen zukunftsfest gestaltet werden. Armut im Alter muss verhindert werden. Allerdings müssen wir dann vernünftig vorsorgen. Eine auskömmliche Rente beginnt im Erwerbsleben. Das hat Kollege Weiß gerade dargestellt.

Im Rahmen der Debatte um Arbeit 4.0 haben wir viel von Solo-Selbstständigen gesprochen, die das digitale Zeitalter mit sich bringt, neudeutsch heißen diese Erwerbstätigen „Clickworker“ oder „Crowdworker“. Hier ist vieles noch im Ungewissen, nicht zuletzt deshalb, weil diese Gruppe mit Blick auf Berufsbilder, Ausbildung und Einkommen sehr heterogen ist. Ich bin froh, dass die SPD-Fraktion an dieser Stelle eine verpflichtende Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht. Allerdings müssen die Beiträge auch bezahlbar gestaltet sein. Viele Solo-Selbstständige stehen am Rande des Existenzminimums. Ein guter Bekannter von mir, Trinkhallenbesitzer im Ruhrgebiet, schildert mir sehr glaubwürdig

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– ich hätte auch sagen können: „Büdchen-Guido“ –, dass er nach Abzug aller Steuern und Sozialabgaben nicht einmal auf den Mindestlohn kommt. Selbstständig ist für ihn nicht gleich wohlhabend.

Die Zeichen der Zeit sind erkannt: Wir wissen, dass wir auch denen ein Angebot machen müssen, die im Laufe ihres Erwerbslebens zwischen Selbstständigkeit, möglicherweise auch Scheinselbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung wechseln. Unser Blick muss weitreichend sein.

Ich freue mich schon jetzt auf eine gute inhaltliche Diskussion zum Gesamtpaket. Denn es wird eben keine Patentlösung geben, und es kann sie auch nicht geben. Anscheinend sind wir – diesen Eindruck habe ich nach der bisherigen Diskussion – nicht allzu weit auseinander. Ich freue mich, wie gesagt, auf die weiter gehenden Diskussionen.

Herzlichen Dank und Glückauf!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als Nächster spricht der Kollege Tobias Zech für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7030219
Wahlperiode 18
Sitzung 199
Tagesordnungspunkt Absicherung von Selbständigen
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