Martin RosemannSPD - Absicherung von Selbständigen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich will Ihnen zuerst einmal sagen: Ich finde, Ihr Antrag beschreibt ein wichtiges und relevantes Handlungsfeld. Ich glaube, wir müssen die soziale Sicherung von Selbstständigen in Deutschland verbessern. Das gilt insbesondere für die soziale Sicherung im Alter; denn Selbstständigkeit bedeutet heutzutage eben nicht mehr unbedingt hohe Einkommen oder große Vermögen. Die Grenzen zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit sind fließender geworden.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Die Übergänge zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit und auch umgekehrt sind häufiger geworden. Sie werden angesichts von Arbeit 4.0 in Zukunft noch weiter zunehmen.
Ich finde auch, dass Ihr Antrag durchaus einige wertvolle Elemente enthält.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wow!)
Beispielsweise wollen Sie – das will ich ausdrücklich unterstützen – keine neue Trennlinie zwischen Solo-Selbstständigen und anderen Selbstständigen einziehen; denn das wäre praktisch nicht umsetzbar und würde zu neuen Wettbewerbsverzerrungen zwischen unterschiedlichen Formen der Selbstständigkeit führen.
Positiv finde ich auch die vorgeschlagenen Entlastungen, insbesondere im Bereich der Krankenversicherungsbeiträge. Insoweit entspricht Ihr Antrag auch dem Konzeptpapier „Neue Zeiten in der Arbeitswelt – soziale Absicherung für (Solo-)Selbstständige verbessern“, das die SPD-Bundestagsfraktion vor zwei Wochen beschlossen hat. Michael Gerdes hat darauf hingewiesen.
(Beifall bei der SPD)
Aber ich will Ihnen auch sagen: Ihr Antrag bleibt hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung weit hinter dem Konzeptpapier zurück;
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo?)
denn die Beschreibung von Handlungsnotwendigkeiten löst noch keine Probleme. Die spannende Frage ist doch: Mit welchen praktischen Schritten
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch vorgeschlagen!)
kommen wir denn von der heutigen Situation zu den beschriebenen Zielen? Da, muss ich sagen, ist Ihr Antrag doch ein bisschen schwach.
Ich möchte das ein bisschen exemplarisch machen und nehme als Erstes das Stichwort „Auftraggeberbeitrag“. Das ist ja ein Element, das wir aus der Künstlersozialkasse kennen. Ich finde, da muss man sich jetzt schon entscheiden und konkret werden: Will man dieses System wirklich auf alle Selbstständigen ausdehnen?
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Will ich nicht! Das habe ich doch gesagt! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht doch drin!)
Falls ja, wie soll das praktisch gehen, vor allem dann, wenn es eben keine Solo-Selbstständigen sind, sondern Beschäftigte da sind? Da bleiben Sie in Ihrem Antrag doch sehr schwach bei der lauen Aufforderung, man solle mal nach Möglichkeiten suchen.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, weil das nicht so einfach ist!)
Das ist aber viel zu wenig. Zeigen Sie doch bitte entweder konkrete Möglichkeiten auf, oder stellen Sie fest, dass es eben nicht funktioniert, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie uns das doch zusammen machen! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Aufgabe der Regierung!)
– Das ist Aufgabe aller, der Parlamentarierinnen und Parlamentarier genauso.
Das Zweite ist: Manche praktischen Fragen ignorieren Sie einfach. Welches Einkommen der Selbstständigen soll denn genau die Bemessungsgrundlage für die Beiträge sein, um tatsächlich eine Gleichstellung von abhängig Beschäftigten und Selbstständigen zu gewährleisten? Und wie trägt man bei der Beitragserhebung tatsächlich den ständigen Schwankungen der Einkommen von Selbstständigen Rechnung? Für die Selbstständigen ist eine ganz wichtige Frage: Wie sieht es denn mit den Übergangsregelungen aus? Welche Alternativen werden im Übergang anerkannt, welche gegebenenfalls dauerhaft?
Meine Damen und Herren, ich will vielleicht noch ein Beispiel geben, um deutlich zu machen, dass Sie, wie ich finde, einfach nicht den Mut haben, etwas konkret zu benennen. Was heißt es denn, wenn Sie in Ziffer 2 sagen: „Die nicht anderweitig abgesicherten Selbstständigen sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden“? Was meinen Sie mit „anderweitig abgesichert“?
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Versorgungslage!)
Reichen 100 Euro an privater Rentenversicherung? Das ist doch sicherlich kein Schutz vor Altersarmut.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein! Das steht alles in der Begründung! Versorgungswerke sind ausgenommen!)
Meine Damen und Herren, wir haben uns in unserem Konzeptpapier genau mit diesen schwierigen Fragen beschäftigt und zeigen einen wirklich realisierbaren Weg auf. Wir tragen damit den Veränderungen in den Erwerbsbiografien vieler Menschen Rechnung
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum diskutieren wir das nicht hier im Bundestag, Ihr Konzept?)
und dem Bedürfnis, Solo-Selbstständige endlich besser abzusichern. Dieses Konzept ist im Übrigen in einem breiten Beteiligungsprozess entstanden,
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unseres auch!)
mit betroffenen Selbstständigen, mit der Wissenschaft, mit der Rentenversicherung, mit Verbänden und Gewerkschaften.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wir waren nicht beteiligt!)
– Ja, zu Ihnen komme ich gleich. Fortschritte gab es in der Vergangenheit nämlich deswegen nicht – so ehrlich muss man sein –, weil bestimmte konkrete Fragen ungelöst waren, aber auch – zumindest ist das meine Wahrnehmung –, weil Ihre Vorstellungen, die Vorstellungen unseres Koalitionspartners, andere waren als unsere.
Ich habe Ihnen heute zugehört, Peter Weiß. Ich muss sagen, Sie haben in der Frage, ob Sie eine Einbeziehung in die Rentenversicherung wollen und für wen, stark herumlaviert. Ich nehme dann doch erfreut zur Kenntnis, dass ein Kollege – Carsten Linnemann, er ist jetzt nicht anwesend – sich in einem Interview in einer westfälischen Zeitung im April dieses Jahres dafür ausgesprochen hat, dass es diesbezüglich keine Denkverbote geben darf und auch die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung kein Tabu sein dürfe.
Meine Damen und Herren, wir als SPD-Bundestagsfraktion haben die Erwartung, dass die Einbeziehung von Selbstständigen, die bisher nicht in einem berufsständischen Versorgungswerk pflichtversichert waren, in die gesetzliche Rentenversicherung Teil des Gesamtkonzepts zur Rente wird und dass die Arbeitsministerin noch in diesem Herbst ein entsprechendes Konzept vorlegen wird. Unsere Fraktion wird sich auf Basis des beschlossenen Konzeptpapiers in die Debatte über die konkrete Ausgestaltung einbringen. Ich lade Sie alle ein, diesen Weg mitzugehen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7030228 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Absicherung von Selbständigen |