10.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 199 / Tagesordnungspunkt 13

Edgar FrankeSPD - Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Minister hat es eben gesagt: Seit zwei Jahren wird im Rahmen des Pharmadialogs zwischen Bundesregierung und Industrie verhandelt.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Hinter verschlossenen Türen! Unter Ausschluss des Parlaments!)

Zum einen geht es darum, den Pharmastandort Deutschland zu stärken, zum anderen darum, eine wirtschaftliche und innovative Arzneimittelversorgung für die Patientinnen und Patienten zu sichern.

Frau Vogler, Sie haben ja recht: Das Parlament war bei den Verhandlungen nicht dabei. Insofern ist die heutige Beratung im Bundestag natürlich umso wichtiger. Wir diskutieren ja auch über dieses Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Sechs Anmerkungen dazu:

Erstens. Positiv ist zunächst das seit 2009 geltende Preismoratorium; auch das hat der Minister gesagt. Es wird um fünf Jahre, also bis 2022, verlängert. Das wird 1,5 oder 2 Milliarden Euro einbringen. Dies ist eine gute Regelung, weil sich auch die Pharmaindustrie daran beteiligt und letztlich einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Versicherten leistet. Ab 2018 gibt es übrigens einen Inflationsausgleich. Es ist also eine gute Regelung, die wir hier getroffen haben, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Wir alle wissen: Ein Jahr nach Marktzulassung können die Pharmaunternehmen die Preise vollkommen frei bestimmen, unabhängig davon, ob ein Zusatznutzen für den Patienten vorliegt. Die freie Preisbildung soll jetzt durch eine sogenannte Umsatzschwelle eingeschränkt werden. 250 Millionen Euro Umsatz sind der Maßstab. Man muss sagen, dass diese Umsatzschwelle aufgrund ihrer Höhe in der Praxis weitgehend ins Leere läuft.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Viel zu hoch!)

Wenn man die Kosten dämpfen wollte, müsste man eine wesentlich niedrigere Umsatzschwelle einführen; das muss man schon sagen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Bei 100 Millionen Euro wären im Jahr 2015 sieben Arzneimittel betroffen gewesen.

Besser wäre aus unserer und meiner Sicht eine rückwirkende Erstattung nach sechs Monaten, also nicht ab Marktzulassung. Warum, Frau Vogler? Nach sechs Monaten, nach der frühen Nutzenbewertung, weiß man, ob ein Zusatznutzen gegeben ist, ja oder nein.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das weiß man manchmal schon eher!)

Dann kann sich jedes Unternehmen darauf einstellen. Das ist eine faire Regelung, mit der jeder Hersteller leben kann, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Zumindest sollte man im parlamentarischen Verfahren noch einmal darüber nachdenken, ob das eine vernünftige Regelung ist.

Drittens. Über die Vertraulichkeit der ausgehandelten Erstattungsbeträge ist auf allen Ebenen öffentlich diskutiert worden. Künftig soll der rabattierte Preis nicht mehr öffentlich gelistet werden; auch das steht in unserem Gesetzentwurf. Die Industrie sagt: Falls die rabattierten Beträge öffentlich wären, würde die Preisgestaltung schwieriger, und zwar gerade im Ausland, weil nicht mehr der Listenpreis Maßstab für die Preisgestaltung wäre. – Insofern habe dies eine industriepolitische Bedeutung für die deutschen Pharmaunternehmen. Allerdings muss man auch sagen: Es ist problematisch, wenn wir mit den Beitragsgeldern der Versicherten Industriepolitik machen.

(Beifall bei der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Jetzt bringen Sie es mal auf den Punkt! Der Seeheimer wird noch zum Linken! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Na, das solltest du als Ausschussvorsitzender aber besser wissen!)

Deutschland ist natürlich Referenzmarkt, aber nicht mehr allein. Neben Deutschland bezieht man sich bei Preisvergleichen auch auf andere Länder. Die deutschen Preise gehen vielmehr in eine Durchschnittsberechnung ein. Sie haben deshalb zumindest ein bisschen an Bedeutung verloren; das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist: Wenn ein Arzt verordnet, dann muss er das natürlich nach wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnissen tun. Er unterliegt aber auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Wir würden schon einen Irrweg beschreiten, wenn wir die Ärzte vollständig aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot in der Gesundheitsversorgung entlassen würden. Auch das muss man einmal sagen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU] und Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Die Details werden ja in einer Rechtsverordnung der Bundesregierung geregelt. Das Parlament ist daran nicht ausdrücklich beteiligt. Es ist aber ein normales Vorgehen, dass die Bundesregierung Rechtsverordnungen erlässt, und ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung – ich bin sicher, auch der Minister – hier eine gute Regelung schaffen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wahrscheinlich nicht mehr vor den Bundestagswahlen!)

Viertens. Die Vergütung für Apotheker soll um insgesamt 100 Millionen Euro angehoben werden. Das halte ich für vertretbar. Schließlich brauchen wir gerade in der Fläche eine hochwertige Arzneimittelversorgung und Apotheken, die wirtschaftlich arbeiten können müssen. Ich komme aus dem ländlichen Raum und weiß, wovon ich rede.

Im Übrigen ist es so: Wenn das EuGH-Urteil rechtskräftig ist, dann ist es rein faktisch nicht ausgeschlossen, dass stationäre Apotheken zukünftig verstärkt mit dem Versandhandel konkurrieren müssen. Insofern ist die Erhöhung der Vergütung sachgerecht und in Ordnung.

Fünftens. Ein besonderes Anliegen ist mir die Verbesserung der Impfquoten. Das haben wir ja auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Noch immer sind die Impfquoten in Deutschland viel zu niedrig. Das gilt insbesondere bei der Grippeimpfung. Ich konnte es kaum glauben: Die Impfquote beträgt dort nur circa 35 Prozent, womit wir weit entfernt von dem Ziel sind, insbesondere mehr ältere Menschen zu impfen und die Impfquote auch bei anderen Bevölkerungsgruppen zu erhöhen. Lieferengpässe und die vermeintliche Unwirksamkeit von Impfstoffen schmälern das Vertrauen und die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger.

Insofern ist es, glaube ich, wichtig, dass wir auch einen Zugang der GKV-Patienten zu passgenauen Impfstoffen gewährleisten. Deswegen hielte ich es für vernünftig, der Abschaffung der Ausschreibung näherzutreten, zumal die Ausschreibungsvorteile eher gering sind und auch die jetzige Regelung mit zwei Losen wirklich nichts gebracht hat. Es wäre eine enorme Verbesserung für die Versorgung der Patientinnen und Patienten, wenn wir die Ausschreibung im Bereich der Impfstoffe abschaffen würden.

Sechstens. In Ausnahmefällen muss es aus meiner Sicht möglich sein, dass Medikamente, die keinen ausgewiesenen Zusatznutzen haben, auf dem Markt gehalten werden können und damit den Patienten zur Verfügung stehen. Ich denke zum Beispiel an chronische Erkrankungen wie die Epilepsie. Hier ist der evidenzbasierte Nachweis eines Zusatznutzens nur schwer möglich.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Minuten haben Sie denn jetzt schon geredet?)

Gleichwohl können neue Arzneimittel für Patienten, bei denen die bisherigen Kombinationsmöglichkeiten versagt haben, eine zusätzliche Therapieoption darstellen. Deswegen ist es auch vernünftig, dass wir die Öffnung des § 130b Absatz 3 Satz 2 SGB V vorsehen und eine Sollvorschrift in das Gesetz aufnehmen. Mit einer solchen Sollvorschrift erreicht man, dass in begründeten Ausnahmefällen – und nur dann – von der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie abgewichen werden kann. Insofern ist hier auch kein Dammbruch zu befürchten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen – –

Aber Sie kommen jetzt bitte zum Schluss.

Ja.

Ohne Dammbruch! Es ist schon fast ein kleiner.

Ja, ich komme wirklich zum Schluss. Vor Ulla Schmidt habe ich doch ganz großen Respekt. Insofern nur noch einen Satz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um eine gute Arzneimittelversorgung zu sichern, hat die Bundesregierung ein insgesamt ausgewogenes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Auch wenn ich die eine oder andere kritische Anmerkung gemacht habe, ist es ein guter Gesetzentwurf. Man wird sicherlich den Pharmadialog und in den parlamentarischen Beratungen das eine oder andere in diesem Gesetzentwurf hinterfragen müssen.

Herr Kollege Franke!

Dafür haben wir Anhörungen und einen guten Gesundheitsausschuss. In diesem Sinne sehen wir uns dort wieder.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Jetzt hat Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7030244
Wahlperiode 18
Sitzung 199
Tagesordnungspunkt Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV
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