Martina Stamm-FibichSPD - Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV
Verehrte Frau Präsidentin! Lieber Kollege Hennrich, zu Anfang sei aber schon der Hinweis gestattet, dass es damals eine Bundesratsmehrheit der CDU/CSU gab und dass wir ganz sicher über andere Zeiten sprechen als heute, was die GKV-Ausstattung angeht. Zur Wahrheit gehört auch, dass man damals Dinge tun musste, die man sicherlich nicht gern getan hat.
(Beifall bei der SPD)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Besucher auf den Tribünen, es wurde schon mehrfach angesprochen: Zwei Jahre hat man mit der Pharmaindustrie verhandelt. Die Bundesregierung hat darüber verhandelt, medizinische Innovationen fördern zu wollen, und das, ohne die Ausgaben der Krankenkassen und damit die Beiträge der Versicherten stark steigen zu lassen. Das Ergebnis des Dialogs liegt nun in Form des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes vor. Der Gesetzentwurf kommt meiner Meinung nach sowohl der Pharmaindustrie als auch den Krankenkassen entgegen.
So sollen Ärzte in Zukunft über den Zusatznutzen neuer Arzneimittel für einzelne Patientengruppen besser informiert werden. Für die Übermittlung der Informationen soll die Praxissoftware der Ärzte genutzt werden. Das ist meiner Meinung nach grundsätzlich zu begrüßen.
(Beifall bei der SPD)
Aber ich warne davor, dass es sich dabei nicht um einseitige Informationen der Krankenkassen an die Ärzte handeln soll. Eine Vermischung von Arzneimittelinformation und Verordnungssteuerung müssen wir vermeiden.
(Beifall bei der SPD)
Denn die Therapiefreiheit darf unter keinen Umständen durch das Arztinformationssystem eingeschränkt werden. Wir brauchen Informationen, die beim Verordnen helfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ärzte müssen wissen, dass ein Erstattungsbetrag vereinbart ist und somit GKV und Hersteller die Preisverantwortung übernehmen. Aber um das Arztinformationssystem überhaupt umsetzen zu können, müssen wir erst die entsprechende Telematikinfrastruktur aufbauen. Wir müssen hier einen Schritt nach dem anderen machen. Sonst werden wir ins Stolpern kommen. Im weiteren parlamentarischen Verfahren werde ich mich für eine entsprechende Änderung einsetzen. Anderenfalls verschenken wir mit dem Arztinformationssystem die große Chance hin zu mehr Qualität und Transparenz in unserem Gesundheitssystem.
Neben dem Arztinformationssystem besteht im Bereich der chronischen Erkrankungen dringender Handlungsbedarf. Als Beispiel nenne ich die Versorgung von Epilepsiepatienten. Seit Einführung des AMNOG im Jahr 2011 sind alle neuen Epilepsiemedikamente an der frühen Nutzenbewertung gescheitert. Es handelt sich dabei um drei verschiedene Wirkstoffe. Zwei dieser Medikamente sind bereits vom deutschen Markt verschwunden. Der Epilepsie Bundes-Elternverband hat sich deshalb Mitte des Jahres 2015 mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt. In der Petition wurde eine Reform des AMNOG gefordert, damit die Versorgung aller therapieresistenten Menschen mit Epilepsie mit neuen Medikamenten sichergestellt wird. Je größer die Bandbreite der auf dem Markt existierenden Arzneimittel ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten das für sie individuell richtige Medikament finden und anfallsfrei und selbstbestimmt leben können. Wir sprechen hier über 800 000 Menschen in diesem Land. Darunter sind etwa 200 000 Menschen, die therapieresistent sind und keine Anfallsfreiheit erlangen. Diese Patienten benötigen dringend neue Medikamente.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit dem GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz haben wir nun die Chance, die Rahmenbedingungen des AMNOG so zu ändern, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen besser versorgt werden. Diese Chance müssen wir nutzen. Seit 20 Jahren verweisen Experten aber auch auf das Problem der unzureichenden Arzneimittelversorgung für Kinder und Jugendliche. So sind etwa 20 Prozent der Arzneimittelverordnungen im ambulanten und beinahe 70 Prozent der Verordnungen im stationären Bereich außerhalb einer Zulassung oder ohne eine formale Zulassung. Bei einem sogenannten Off-Label-Use treten häufiger unerwünschte Nebenwirkungen auf, die die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen gefährden. Die Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche muss gestärkt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb begrüße ich ausdrücklich den im Gesetz vorgesehenen Evidenztransfer bei Kinderarzneimitteln.
Außerdem begrüße ich die vorgesehene Regelung zu den Zytostatikaausschreibungen. In vielen Bereichen haben sich Ausschreibungen bewährt. Aber im sensiblen Bereich der Onkologie sind sie fehl am Platz. Es geht hier nicht nur um längere Transportwege für die Medikamente. Es geht vor allem um den Patienten und sein Vertrauen in eine gute Zusammenarbeit mit seinem Arzt und seinem Apotheker.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)
Versorgung muss wirtschaftlich sein, aber nicht billig. Wohin Ausschreibungen führen können, ist bei der Inkontinenzversorgung deutlich geworden. Liebe Kollegen von der Union, auch bei Impfstoffen könnten wir über Ausschreibungen nachdenken.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Neben dem GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz beraten wir heute in erster Lesung über das Heil- und Hilfsmittelgesetz. Als Politiker ist es unsere Aufgabe, die richtigen Rahmenbedingungen zum Wohle der Patienten zu setzen. Sowohl mit dem Arzneimittel- als auch mit dem Hilfsmittelgesetz ist uns hier ein erster guter Aufschlag gelungen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Der Kollege Tino Sorge, CDU/CSU-Fraktion, hat jetzt das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7030253 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV |