Katrin AlbsteigerCDU/CSU - 50 Jahre Europäische Sozialcharta
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir schauen in den Kalender und sehen, es ist November. Und wie es so ist: Wenn die kalte und dunkle Jahreszeit kommt, dann wirft das Weihnachtsfest seinen Schatten voraus, dann erblickt man in den Fenstern vielleicht wieder Lichtlein, die da leuchten, dann sieht man in Geschäften, in Supermärkten möglicherweise wieder Spekulatius oder auch Dominosteine – die sind übrigens sehr lecker. Bald läuft auch in den Geschäften wahrscheinlich wieder diese Musik, die Weihnachtshits, die wir alle kennen. Wie komme ich jetzt darauf? Weil ich beim Durchlesen dieses Antrags irgendwie an den Weihnachtshit Alle Jahre wieder denken musste.
Und so finden wir uns heute hier ein und behandeln einen Antrag, den wir in genau dieser Fassung, mit exakt diesem Wortlaut, vor über einem Jahr schon einmal hier diskutiert haben.
(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Erste, zweite und dritte Lesung!)
Auch damals hatte ich schon die Möglichkeit, im Plenum darüber zu sprechen, und ich habe mir, ehrlich gesagt, bei der Vorbereitung dieser Rede durchaus Gedanken darüber gemacht, ob ich es nicht einfach der Fraktion Die Linke gleichtue – im Übrigen liegt mir das ansonsten sehr fern –, meine Rede aus der Mottenkiste hole und exakt dieselbe Rede noch einmal halte; denn irgendwie hat sich ja nicht allzu viel verändert, seitdem wir das letzte Mal darüber diskutiert haben.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das liegt an der Bundesregierung! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber das liegt doch an eurer Regierung! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren beiden Kollegen! Die haben das mitgekriegt! – Zuruf von der CDU/CSU: Das hätte nicht mal ein Abgeordneter Mierscheid gewagt!)
Insofern könnte man sagen: Wir machen daraus eine schöne Tradition und reden jedes Jahr wieder darüber, so wie wir es auch mit dem alljährlichen Schauen der Feuerzangenbowle machen. Aber ich will kein Spielverderber sein. Zumindest gibt es uns die Gelegenheit, heute über dieses wichtige Thema durchaus ganz ernsthaft zu diskutieren.
Als Ergänzung zur Europäischen Menschenrechtskonvention wurde die Europäische Sozialcharta als völkerrechtlicher Vertrag im Jahr 1965 ratifiziert und ergänzt seitdem die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie ist ein ganz wichtiges Dokument, um die sozialen Grundrechte zu garantieren.
Was sind die sozialen Grundrechte? Da gibt es viele Dinge, bei denen wir uns in diesem Haus wahrscheinlich relativ schnell darüber einig sind, dass sie wichtig sind, sei es zum Beispiel das Recht auf Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer, sei es die berufliche Ausbildung für Behinderte, oder seien es beispielsweise auch gerechte, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen.
Genauso verhält es sich natürlich mit dem, was neu vorgelegt worden ist: Die revidierte Fassung, die wir, wie wir alle wissen – denn darüber diskutieren wir heute –, noch nicht ratifiziert haben, ergänzt die Charta durchaus auch um wichtige Rechte – da sind wir wahrscheinlich einer Meinung –, beispielsweise um das Recht auf Arbeitslosenunterstützung oder auch den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.
Aber es ist nun mal so – Frau Kollegin Glöckner hat es ausgeführt –: Der Antrag als solcher – Sie haben die Argumente genannt – ist auf der einen Seite nicht zustimmungsfähig. Auf der anderen Seite ist es auch so, dass wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle – sei es das Streikrecht, sei es das Diskriminierungsverbot – schon Bedenken haben, dass es in der Fassung, in der es da steht, ratifizierbar ist. Wir wollen ja auch glaubwürdig sein. Wenn das Ministerium an dieser Stelle prüft und irgendwie eine Lösung zu finden versucht, dann sollte das doch in unser aller Interesse sein. Ob am Ende eine Ratifizierung in dieser Legislaturperiode steht, ganz ehrlich, das kann ich Ihnen nicht sagen. Dafür ist dann die Bundesregierung zuständig. Aber wir können kein Interesse an einer voreiligen Umsetzung haben,
(Andrej Hunko [DIE LINKE]: 20 Jahre!)
daran, so halbwegs zu sagen: Im Großen und Ganzen stimmen wir dem zu. Das haben wir im Übrigen mit der Unterschrift getan. Aber wenn es um die Ratifizierung geht, dann darf man schon mal ganz genau hinschauen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ladies Night kommt im Fernsehen, nicht im Bundestag!)
Wir hatten im Übrigen in den letzten Jahren auch schon so ein Thema, beispielsweise das Antidiskriminierungsgesetz. Bei diesem Antidiskriminierungsgesetz ist uns ein Fehler unterlaufen. Das muss an dieser Stelle nicht wieder passieren. Da musste nachgebessert werden, weil im Eifer des Gefechts und des guten Gedankens hinsichtlich dessen, was hier ratifiziert werden sollte, vielleicht nicht so ganz genau hingeschaut werden konnte.
Bei der Frage des Diskriminierungsbegriffs und des Streikrechts – mein Kollege hat die Argumente bereits ausgeführt – geht es letzten Endes wirklich darum, eine echte Lösung für das Problem zu finden, das hier auf dem Tisch liegt. Da sind wir Deutschen vielleicht etwas überkorrekt. Da kann man uns nicht einfach mit Ländern in einen Topf werfen wie die Türkei – darüber haben wir heute schon ausgiebig diskutiert – oder Aserbaidschan oder Russland. Wir sind halt anders. Man kann nicht alle Länder über einen Kamm scheren. So kann man auch nicht einfach sagen, jedes Land geht mit so einer Ratifizierung oder so einer Charta gleich um. Genau deshalb ist ja die Liste der Rechtsverletzungen und der Kritik bei anderen Ländern so lang und bei uns so kurz.
Wenn man Ihren Antrag anschaut, dann bekommt man so ein bisschen den Eindruck, wir wären in Deutschland ganz fürchterlich, was das Thema Sozialschutz angeht. Dabei sind wir ein gutes Vorbild. Wir in Deutschland sind international ein Synonym für gute soziale Rechte und für ein gutes soziales Klima. Wir sind Vorreiter.
Was Sie wollen, wollen Sie nur mit einem Symbol einer Ratifizierung und offensichtlich nicht durch echte Politik.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das ist nicht bloß ein Symbol!)
Da haben wir Themen wie beispielsweise das Mutterschutzrecht. Da haben wir Themen wie den Kündigungsschutz. Wir haben das Thema Arbeitsschutzrecht. Das sind alles wichtige Themen. Da sind wir ganz weit vorne in Europa. Deswegen glaube ich, dass wir an dieser Stelle vielleicht eher auf dem Weg nach praktikablen Lösungen sein sollten. Wie gesagt, ob zum Schluss die Ratifizierung steht, kann ich Ihnen nicht sagen. Möglicherweise treffen wir uns in der nächsten Legislaturperiode wieder hier und singen dann gemein das Lied Alle Jahre wieder.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7030269 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | 50 Jahre Europäische Sozialcharta |