Michael Roth - Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS)
Guten Abend. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen unseres Nachbarkontinents Afrika sehnen sich nach Frieden und nach Stabilität. Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten ihnen dabei, so gut es geht, helfen; denn schließlich profitieren auch wir in Europa davon. Jeder Konflikt in Afrika treibt mehr Menschen in die Flucht und verstärkt damit auch die Fluchtbewegung nach Europa über das Mittelmeer, und was das für viel zu viele Menschen bedeutet, das wissen wir leider nur allzu gut.
Einer dieser Brennpunkte in Afrika bleibt Südsudan. Dort haben sich die Hoffnungen leider nicht erfüllt, die wir vor einem Jahr in das Friedensabkommen gesetzt haben. Ganz im Gegenteil: Im Juli mussten wir heftige Kämpfe in der Hauptstadt Juba beobachten, die mit massiven Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts einhergingen. Dabei kam es zu zahlreichen Verbrechen und zu sexueller Gewalt gegen Zivilisten – und das mitten im Zentrum der Hauptstadt.
Die neuerliche Eskalation der Gewalt hat einmal mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt, wie sehr die Menschen im Südsudan seit langem unter diesem furchtbaren Konflikt leiden. Die Zahlen sprechen für sich: Bei rund 12,5 Millionen Einwohnern gibt es 1,6 Millionen Binnenvertriebene und mehr als 1 Million Flüchtlinge in den Nachbarstaaten. 6 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, davon 4,8 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe. Und auch die politische Lage gibt keinerlei Anlass zur Hoffnung.
Von einer wirksamen Umsetzung des Friedensabkommens von 2015 sind wir weit entfernt. Wir sehen bisher zwar keine Rückkehr zu einem Bürgerkrieg – den hatten wir schon, und das Land wurde furchtbar erschüttert –, wir beobachten aber eine schleichende Zunahme lokal begrenzter Kämpfe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau in diesem schwierigen Umfeld ist die Friedensmission der Vereinten Nationen UNMISS tätig, an der sich derzeit auch 15 deutsche Soldatinnen und Soldaten beteiligen. Ich will Ihnen und der deutschen Öffentlichkeit gegenüber nichts beschönigen: Es hat in den vergangenen Monaten aus guten Gründen eine sehr kritische Debatte über UNMISS gegeben; denn es hat bei der Mission Fehler und schwere Versäumnisse gegeben, die umfassend aufgeklärt werden müssen.
Eine unabhängige Untersuchungskommission hat UNMISS in ihrem jüngsten Bericht harsch kritisiert. Demnach war die Mission auf die Krise im Juli nicht ausreichend vorbereitet, sodass in der Stunde der Not kein Blauhelmsoldat zur Stelle war. Die Vorwürfe – und viele von ihnen werden sich damit intensiv beschäftigt haben – sind gravierend und erschütternd. Generalsekretär Ban Ki-moon hat das genau so ausgedrückt und umgehend den militärischen Leiter der Mission seines Amtes entbunden. Aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird alleine nicht genügen.
Der Untersuchungsbericht enthält eine Vielzahl konkreter Vorschläge, wie die Mission künftig besser aufgestellt werden kann. Der Generalsekretär Ban Ki-moon hat selbst zugesagt, diese Pläne entschieden voranzutreiben. Klar ist: Das oberste Ziel der Mission muss stets der Schutz der Zivilisten sein. Das hat auch der UN-Sicherheitsrat bei der letzten Verlängerung des Mandats am 12. August 2016 verlangt, und das erwarten auch wir, wenn wir unsere Beteiligung an UNMISS fortsetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es verdient Respekt, mit welcher Transparenz und Schonungslosigkeit die Vereinten Nationen eigene Defizite offengelegt und die notwendigen Konsequenzen gezogen haben. Klar ist aber auch: Wenn die Hilfeleistenden Fehler machen, dann mindert das in keinster Weise die Verantwortung der Täter. Verantwortlich für die Kampfhandlungen und Gräueltaten sind die Konfliktparteien, und damit auch die südsudanesische Regierung.
Nach wie vor legt Südsudan UNMISS viele Steine in den Weg. Immer wieder wird die Mission in ihrer Bewegungsfreiheit unzulässig eingeschränkt, immer wieder werden humanitäre Helfer und Nichtregierungsorganisationen in ihrer Arbeit behindert. Das ist nicht akzeptabel und muss beendet werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist genauso inakzeptabel, dass, während der Sicherheitsrat am 12. August 2016 die Verstärkung von UNMISS um eine regionale Schutztruppe mit bis zu 4 000 Mann beschließt, die Regierung des Südsudan eine unverantwortliche Hinhaltetaktik verfolgt – und das wieder einmal auf Kosten der Zivilbevölkerung. Wir unterstützen die Vereinten Nationen in ihrer Aufforderung an die Regierung in Juba: Die Regierung muss jetzt ihr Einverständnis geben, dass die Sicherheitsratsresolution 2304 vollständig umgesetzt werden kann, damit UNMISS endlich effektiv arbeiten und auch verstärkt werden kann.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt fragen Sie sich vielleicht, welche Rolle UNMISS und unsere Soldatinnen und Soldaten in dieser Lage spielen können. Die Antwort gibt die notleidende Zivilbevölkerung im Südsudan selbst. Immer mehr Menschen – mittlerweile sind es über 200 000 – sind in die Schutzzonen der Vereinten Nationen geflüchtet. Allein seit dem Sommer dieses Jahres ist die Zahl nochmals um 30 000 gestiegen. Diese Menschen setzen ihre ganze Hoffnung darauf, dass wir UNMISS gemeinsam stärken, damit die Mission ihre Aufgaben künftig besser erfüllen kann. Sie setzen ihre Hoffnung darauf, dass die internationale Gemeinschaft den Druck auf Südsudan und alle Konfliktparteien, zu einem politischen Friedensprozess zurückzukehren, aufrechterhält.
Es geht darum, dass wir Südsudan nicht schon fünf Jahre nach seiner Unabhängigkeit aufgeben und im Stich lassen. Dass wir das nicht tun, dafür stehen auch die 35 Millionen Euro, die Deutschland in diesem und im vergangenen Jahr für humanitäre Hilfsprojekte zur Verfügung gestellt hat. Dafür steht unsere Entwicklungszusammenarbeit, die wir, soweit das überhaupt möglich ist, fortsetzen. Mit insgesamt 84 Millionen Euro sorgen wir dafür, die unmittelbaren Folgen des Bürgerkriegs zu lindern.
Mein Dank gilt den Soldatinnen und Soldaten, die im Südsudan unter wahrlich schwierigen Bedingungen im Einsatz sind.
Mit der Mandatsverlängerung setzen wir aber auch ein politisches Signal. Wir stärken UNMISS in schwierigen Zeiten den Rücken und unterstützen damit die weitere Stabilisierung des Südsudan. Deshalb meine Bitte an Sie: Machen Sie mit! Ich weiß, es ist nicht ganz einfach, aber Sie können es aus guter Überzeugung tun.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Niema Movassat das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7030272 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 199 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS) |