11.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 200 / Tagesordnungspunkt 37

Ernst Dieter RossmannSPD - 6. Bericht Bildung in Deutschland 2016

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit leichter Ironie sagen: Wenn Frau Hein hier eine tiefschwarze Rede hält und Herr Jung ein Bild eher in Rosafarben zeichnet, dann ist in der Farbenlehre hier irgendetwas schiefgelaufen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb möchte ich mich lieber an das halten, was uns der Nationale Bildungsbericht in differenzierter Weise vorgibt.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen vor allen Dingen erkennen, dass Bildungspolitik auf dem gemeinsamen Zusammenwirken von den freien Kräften, von den Kommunen, von den Ländern und vom Bund beruht und dass wir etwas bewirken können: mehr Bildung in den Krippen, bessere Qualität in den Kindertagesstätten, mehr Ganztagsschulangebote, mehr Lesekompetenz, mehr Schulabschlüsse, mehr Möglichkeiten, im Studium anzukommen, mehr Möglichkeiten, das Studium erfolgreich abzuschließen, mehr Weiterbildung. Dieses Mehr ist doch ein gemeinsamer Erfolg.

Wenn wir eine weitere Begeisterung im Engagement für Bildungsveränderung wollen, dann dürfen wir die aktuelle Situation nicht rosarot und auch nicht tiefschwarz zeichnen, sondern wir müssen die Dynamik positiv hervorheben. Ich finde, diese Große Koalition hat mit vielen anderen Kräften hier Gutes dazu beigetragen. Das dürfen wir hier gemeinsam feststellen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Darüber hinaus will ich das Augenmerk am Anfang auf zwei Punkte richten, die uns Sozialdemokraten besonders wichtig sind.

Herr Jung und Frau Hein, Sie haben den engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, sozialer Lage und Bildungschancen angesprochen, der sich zwar schon aufzulösen beginnt, aber sich noch weiter auflösen muss. Dass es immer noch Risikofaktoren gibt – sie wurden schon genannt: Arbeitslosigkeit, Armut, Bildungsferne, Kopplung an die soziale Schicht –, kann uns nicht zufriedenstellen. In diesem Nationalen Bildungsbericht finden sich Vorschläge und Maßnahmen.

Wir setzen in der Großen Koalition an einer Schlüsselstelle an. Wenn zusätzlich 3,5 Milliarden Euro mobilisiert werden sollen, um in finanzschwachen Kommunen Bildungsstätten, Bildungsinfrastruktur zu ertüchtigen, dann ist das keine Kleinigkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die 4 Milliarden Euro für die Ganztagsschulen waren auch keine Kleinigkeit. 3,5 Milliarden Euro mehr für die Ertüchtigung von Schulen in Regionen, in denen Bildungsarmut und andere Bildungsrisikofaktoren besonders stark ausgeprägt sind, sind entsprechend auch ein richtig großer Erfolg.

Damit Sie die Kronzeugenschaft für diese Leistung nicht nur immer sozialdemokratisch verorten: Auch Ole von Beust, ehemaliger Bürgermeister von Hamburg, hatte erkannt, wie wichtig es ist, in Problemstadtteilen Schulen zu Leuchttürmen zu machen, indem sie attraktiver gemacht und aufgewertet werden. Sigmar Gabriel hat jetzt noch einmal entsprechende Überlegungen in die Regierung hineingetragen, um dafür zu sorgen, dass es ein Gemeinschaftsprojekt werden kann.

Denn Bildungsarmut kann man dadurch ganz praktisch bekämpfen, dass finanzschwache Kommunen mit einem höheren Anteil an Bildungsarmen, an armen Kindern und arbeitslosen Jugendlichen dieses nicht durch den Zustand ihrer Schulen dokumentieren müssen. Das ist doch eine Perspektive. Das ist doch etwas, wofür wir gemeinsam werben.

(Beifall der Abg. Elfi Scho-Antwerpes [SPD])

Ich möchte auf einen zweiten Punkt hinweisen, an dem wir noch mehr arbeiten müssen. Das ist das große Thema Bildungsintegration für Migranten, für Schutzsuchende und für Flüchtlinge. Der Nationale Bildungsbericht weist aus, dass wir in diesem Bereich noch viel tun müssen und sehenden Auges auch wissen können, was wir tun müssen. Bitte schauen Sie sich hierzu die Seiten 201 und 202 an. Dort wird die Schlüsselstelle herausgearbeitet, nämlich: Was passiert beim Einstieg in die berufliche Bildung? In Sachen Kindertagesstätten, in Sachen Schule gibt es geregelte Abläufe, und wir werden dort gute Erfolge erzielen können. Der Einstieg in die berufliche Bildung ist die entscheidende Klippe; denn viele junge Menschen stehen aktuell ohne die Chance da, in ein Berufsausbildungsverhältnis einzutreten.

Das Konsortium für den Nationalen Bildungsbericht empfiehlt uns, für rund 70 000 dieser jungen Menschen ein- bis zweijährige berufsvorbereitende Maßnahmen zu ermöglichen und auch für 80 000 bis 90 000 zusätzliche Berufsbildungsplätze zu sorgen. Und wir wissen alle: Dies wird im dualen System so schnell nicht geschehen. Diesbezüglich enthält der Nationale Bildungsbericht den Vorschlag, dort stärker außer- und überbetriebliche Kapazitäten zu mobilisieren. Ich glaube auch, dass dies richtig ist. Wir dürfen nicht geschehen lassen, dass diese jungen Menschen keine Chance erhalten. Wir müssen an den Stellen anknüpfen, an denen wir seitens des Bundes mit Ländern und Sozialpartnern zusammen etwas tun können.

Ich habe eben Ole von Beust als Vorkämpfer für das bezeichnet, was Sigmar Gabriel jetzt durchgesetzt hat. Ebenso erinnere ich mich daran: Roland Koch – ich muss kein Sympathisant von ihm sein – hat schon früh gesagt hat, dass wir die jungen Leute, wenn es denn im dualen System nicht funktioniert, nicht ins Leere laufen lassen dürfen, sondern ihnen etwas anbieten müssen, was die Verbindlichkeit einer Ausbildung hat. Er hat nämlich außerbetriebliche und überbetriebliche Ausbildung gefordert, als es schon einmal dieses Problem gab. Daran sollten wir uns erinnern. Da sollten wir auch etwas machen.

Der Bildungsbericht weist an der Stelle aus, dass es um eine Summe von 1,5 Milliarden Euro geht, die benötigt werden, um den 70 000 jungen Menschen jetzt jeweils Jahr für Jahr eine reale Ausbildungsperspektive zu geben. Wir müssen zusammen darüber nachdenken, ob es Ländern, Bund und BA möglich ist, diese Mittel für ein Perspektivprogramm zu mobilisieren.

Wir haben einen Bericht 2006, in dem schon bestimmte Probleme in Bezug auf die Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufgezeigt wurden, und einen Bericht 2016, in dem insbesondere die aktuelle Flüchtlingssituation aufgearbeitet und angesprochen wird. Aber im Bericht 2026 darf nicht stehen, es gebe dort eine verlorene Generation, weil wir uns an der Stelle nicht konzentriert darangemacht haben, jetzt hier Mittel aufzubringen, um eine Perspektive für diese viele tausend jungen Leute rechtzeitig zu schaffen.

Das Werben der Sozialdemokratie lautet: Machen wir dies jetzt gemeinsam, und setzen wir jetzt dort ein sichtbares Zeichen! Wer herkommt, soll über den Einstieg in eine duale, vollzeitschulische oder vorbereitende berufliche Bildung eine Chance erhalten.

Herr Kollege.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Katja Dörner spricht nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7030427
Wahlperiode 18
Sitzung 200
Tagesordnungspunkt 6. Bericht Bildung in Deutschland 2016
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