Ralph BrinkhausCDU/CSU - Finanzen, Bundesrechnungshof
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten im Januar 2015 eine Aktuelle Stunde durchgeführt, als das Jahr 2014 abgerechnet worden ist. Im Jahr 2014 wurde erstmals seit sehr langer Zeit ein ausgeglichener Haushalt realisiert. Es saß damals niemand im Deutschen Bundestag, der sich daran erinnern konnte, dass so etwas während seiner aktiven Zeit schon einmal vorgekommen ist. Das war etwas ganz Spezielles, und wir haben uns dementsprechend gefreut.
Wir haben es geschafft, die Entwicklung in den Jahren 2015, 2016 und jetzt für das Jahr 2017 fortzusetzen. Und wir haben das geschafft, obwohl wir – mehrere Vorredner haben darauf hingewiesen – viele Herausforderungen zu bewältigen hatten, zum Beispiel im Bereich Migration, obwohl wir mehr Geld für innere Sicherheit ausgegeben haben, obwohl wir mehr Geld in die äußere Sicherheit investiert haben, obwohl mehr Geld in die Bildung geflossen ist, obwohl wir mehr Geld an die Kommunen – Klammer auf: gerne; Klammer zu – und an die Länder – Klammer auf: weniger gerne; Klammer zu – gegeben haben
(Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs [SPD])
und obwohl wir viele Dinge gemacht haben, die der Kollege Kahrs im besseren Teil seiner Rede so eindrucksvoll erläutert hat.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Insofern können wir sehr stolz auf das sein, was wir geschafft haben.
Wenn man sich die Situation in anderen Ländern dieser Erde anschaut, dann stellt man fest: Das ist schon etwas ganz besonderes, was wir hier und heute beschließen – wieder einmal beschließen –, und das sollten wir auch durchaus würdigen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ein guter Haushalt, ein nachhaltig guter Haushalt ist immer auch ein Spiegel dessen, was in der Gesellschaft, was im Land abläuft. Im Gegensatz zur Opposition bin ich der Meinung, dass vieles sehr gut in unserem Land läuft. Wir haben Beschäftigungszahlen, von denen wir vor zehn Jahren noch geträumt hätten; übrigens verbunden mit realen Lohnerhöhungen. Wir haben reale Rentensteigerungen. Wir haben in sehr vielen Bereichen, insbesondere im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, Verbesserungen erzielt. Wir haben sehr viel Geld investiert. Wir haben Verbesserungen im Gesundheitssystem und im Pflegebereich erzielt.
Vieles – natürlich nicht alles – ist gut geworden in unserem Land. Das ist eine großartige Gemeinschaftsleistung der Politik, ja, auch der etablierten Parteien, die das Ganze hier seit 70 Jahren am Laufen halten. Das ist aber auch eine Leistung der Menschen in der Verwaltung und in den Unternehmen, der Arbeitgeber, aber auch ganz besonders der Arbeitnehmer. Das ist eine Leistung des Ehrenamtes, aber das ist auch eine Leistung – und darüber reden wir zu wenig –, die sehr viel in den Familien erbracht wird, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber es ist nicht nur unsere eigene Leistung; denn wenn die gleichen Politiker, die gleichen Beamten, die gleichen Unternehmer, die gleichen Arbeitnehmer und die gleichen Ehrenamtler das gleiche Engagement, die gleiche Mühe und den gleichen Schweiß nicht in der Mitte Europas in die Sache gesteckt hätten, sondern in Afrika oder in anderen Teilen der Erde, dann wäre weitaus weniger dabei herausgekommen. Deswegen sollten wir uns immer vor Augen halten, dass wir nicht nur aufgrund unserer eigenen Leistung so gut dastehen, sondern dass das auch ein ganz großes Glück ist. Vielleicht sollten wir gerade in einer Haushaltswoche einmal innehalten und ein bisschen über dieses große Glück nachdenken. Vielleicht sollten wir uns vor Augen führen, dass wir sehr viel Anlass haben, fröhlich und dankbar zu sein für das, was wir hier heute beschließen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn eine Schulklasse zu mir kommt, dann erkläre ich denen immer, dass es Ihr Job ist und dass Sie dafür bezahlt werden, die Regierung zu kritisieren, egal wie gut es läuft in diesem Land, dass das zu einer Demokratie dazugehört. Aber vielleicht wäre es gut, wenn Sie in Ihrer Argumentation an der einen oder anderen Stelle ein wenig mehr Maß und Mitte zeigen würden, wenn Sie nicht alles schlechtreden würden,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir doch nicht!)
sondern einmal auch die Dinge darstellen würden, die gut laufen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)
Ich denke, ein bisschen mehr Dankbarkeit würde uns an der Stelle guttun, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Krüger [SPD] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen mehr Demut würde Ihnen auch guttun!)
Wir sollten aufgrund unserer guten Leistungen, aufgrund des Glücks, das wir gehabt haben, nicht übermütig werden, sondern wir müssen mit viel Respekt – der Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen – die Herausforderungen, die vor uns liegen, angehen. Dabei geht es nicht nur um die innere Sicherheit, für die wir viel Geld ausgeben müssen, und um die äußere Sicherheit, sondern insbesondere auch um das Thema Migration. Wenn wir etwas gegen ungezügelte Migration tun wollen, dann müssen wir vor Ort anfangen, Fluchtursachen zu bekämpfen, ja, auch Deals abschließen – der Deal mit der Türkei wird nicht der letzte Deal sein, sondern wir werden auch mit anderen Ländern Deals machen müssen –, und wir müssen etwas von unserem Reichtum abgeben. Das bedeutet, dass wir haushalterische Belastungen haben. Deswegen besteht kein Anlass, jetzt das Geld mit dem Füllhorn auszuschütten.
Ich weise auf noch eine Sache hin: Momentan läuft die Wirtschaft gut. Das ist nicht selbstverständlich. Wenn die Wirtschaft nicht mehr gut läuft, ist der Bund dreimal dabei: durch geringere Steuereinnahmen, durch die Notwendigkeit, die Sozialversicherungssysteme zu stabilisieren, und durch die Notwendigkeit, konjunkturelle Anreize zu setzen.
Die Wirtschaft steht vor dem wahrscheinlich größten Umbruch in der Nachkriegsgeschichte. Dabei geht es nicht nur um die Digitalisierung und die E‑Mobilität im Bereich der Autoindustrie, sondern auch um den 3D‑Druck und ganz viele andere Sachen. Dementsprechend tun wir gut daran, unsere Haushalte heute nicht auf Kante zu nähen, sondern Reserven zu bilden, die wir nutzen können, wenn das Land diese Reserven braucht. Das sollte uns bei allen Haushaltsberatungen mit Blick auf die Ausgabenwünsche mehr leiten als die gute Einnahmesituation, die wir momentan haben.
Respekt vor der Aufgabe, aber auch Respekt vor den kommenden Generationen – das ist heute noch gar nicht angesprochen worden.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Doch, von uns!)
Wir machen momentan Geschäfte zulasten Dritter, nämlich Geschäfte zulasten der kommenden Generation. Das gilt insbesondere für das Thema Rente. Diese Diskussion werden wir auch in dieser Woche an der einen oder anderen Stelle aufnehmen. Zu der Rentendiskussion muss man Folgendes sagen: Wir haben viel im Bereich der Rente gemacht. Ob das nun gut oder schlecht war, es war auf alle Fälle teuer:
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
der zusätzliche Mütterrentenpunkt, die Rente mit 63, notwendige Verbesserungen im Bereich der Erwerbsminderungsrente und im Bereich der Reha sowie die Flexirente, die ich ausdrücklich gutheiße.
Jetzt diskutieren wir aber über weitere Punkte, die zu Belastungen führen: über Rentenuntergrenzen, über die Lebensleistungsrente, über weitere Verbesserungen im Bereich der Erwerbsminderung, über die Ost-West-Angleichung und über viele andere Sachen. Das können wir alles machen, wenn diese Generation das bezahlt. Das können wir aber nicht machen, wenn wir sagen: „Das muss die nächste Generation bezahlen“; denn, egal ob wir Zuwanderung haben oder nicht, in Zukunft werden weniger Menschen im Berufsleben stehen. Das heißt für die kommende Generation: Die Lasten, die getragen werden müssen, werden auf weniger Schultern verteilt.
Ich habe es von dieser Stelle aus schon einmal gesagt: Ich halte es für nahezu unverantwortlich, dass wir die Spielräume für diejenigen, die in 20, 30 Jahren hier sitzen werden, durch unsere heutigen Beschlüsse, insbesondere im Bereich der Sozialversicherungssysteme, einschränken; denn die Generation, die in 20 oder 30 Jahren hier sitzen wird, wird auch vor Herausforderungen stehen. Sie wird ebenso wie wir Herausforderungen in den Bereichen Migration und Klima meistern müssen – das ist zu Recht angesprochen worden –, aber sie wird auch vor neuen Herausforderungen stehen, von denen wir heute noch überhaupt nichts wissen.
Dementsprechend lautet mein dringender Appell, dass wir in den anstehenden Beratungen und bei der Formulierung der Wahlkampfprogramme immer im Hinterkopf haben, insbesondere bei den Themen Rente und Sozialversicherung, dass die kommende Generation das Ganze bezahlen muss und wir eine größere Verantwortung für die kommende Generation haben als für diese Generation. Das sollte uns an der Stelle leiten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe von Dankbarkeit und Respekt gesprochen. Aber ich möchte auch von Optimismus sprechen. Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind von meinen Vorrednern bereits skizziert worden; sie betreffen das Klima, die Migration, die innere und äußere Sicherheit und viele andere Aspekte. Aber ich glaube, wir in Deutschland sind stark genug, um diesen Herausforderungen etwas entgegenzusetzen.
Wir haben seit nunmehr fast 70 Jahren – die ersten Bundesländer feiern gerade entsprechende Jubiläen – ein politisches System, das es immer geschafft hat, auf die jeweiligen Herausforderungen am Ende eine gute Antwort zu finden. Unser politisches System ist – im Gegensatz zum System vieler anderer Länder, beispielsweise zu dem der Vereinigten Staaten – zwar langsam und mühsam. Es hat es aber immer geschafft, einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen, zumindest zwischen den großen und – ich sage es noch einmal – momentan so verpönten etablierten Parteien. Es ist ein unglaublich großer Wert, dass es in diesem Land Parteien gibt, die zwar miteinander streiten, die es aber in irgendeiner Art und Weise trotz unterschiedlicher Meinungen schaffen, einen Konsens zu erzielen. Es wäre in vielen Ländern der Welt nicht möglich, eine Große Koalition zu bilden. In Deutschland ist das möglich. Das ist für die Politik ein ganz großer Wert.
Das ist eigentlich ein schöner Schlusssatz, Herr Brinkhaus.
Jetzt kommt der Schlusssatz. – Von Bedeutung ist aber nicht nur das politische System. Wichtig sind auch die Menschen in diesem Land, die unglaublich leistungsstark sind. Auch die Wirtschaft in diesem Land ist leistungsstark: mit ihren Familienunternehmen, mit ihrer Innovationskraft, mit den gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wenn man all das zusammennimmt – unser gesellschaftliches System, unseren Zusammenhalt, die leistungsbereiten und motivierten Menschen, die im Ehrenamt oder sonst wo engagiert sind, und unsere gute Wirtschaft –, dann muss man sagen: Wir sollten nicht nur dankbar sein und Respekt vor den vor uns liegenden Aufgaben haben, sondern wir sollten auch zuversichtlich und optimistisch sein, dass wir auch im nächsten Jahr – hoffentlich in einer gut arbeitenden Koalition; sicher in einer Koalition mit uns – einen guten Haushalt vorlegen werden.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Krüger ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7034574 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 201 |
Tagesordnungspunkt | Finanzen, Bundesrechnungshof |