Lothar BindingSPD - Finanzen, Bundesrechnungshof
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte erst einmal allen Bürgerinnen und Bürgern sowie allen Unternehmen danken, die ihre Steuern fair und korrekt zahlen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Margaret Horb [CDU/CSU] – Zuruf von der SPD: Bravo!)
Ich bin in der Haushaltsdebatte für die Einnahmen zuständig. Aber die Einnahmen kommen von anderen, nämlich von denen, die hier oder woanders sind.
Immerhin haben wir Gesamteinnahmen von etwa 700 Milliarden Euro. Das ist für unseren Staat schon eine erkleckliche Summe. Allein für den Bund belaufen sich die Einnahmen auf 300 Milliarden Euro, und zwar trotz, vielleicht auch wegen unseres Systems, das zwar ein bisschen kompliziert ist, aber doch zu solchen Einnahmen führt. Dies geschieht sogar dann noch, wenn sich viele bemühen, die Steuern zu umgehen, zu sparen, auch ein bisschen zu betrügen; all diese Dinge gibt es. Aber insgesamt ist die Leistung aller Bürgerinnen und Bürger sehr groß. Deshalb haben wir ein tolles Land. Ein tolles Land braucht Politiker, die das alles organisieren; das stimmt. Es braucht aber auch die Bürger, die sich beteiligen.
Immerhin: Wir können in Sicherheit auf die Straße gehen, jedenfalls fast überall. Wir haben seit langer Zeit Frieden. Ich kann ins Krankenhaus gehen und mich dort behandeln lassen. Wir können sicher Zug fahren. Wir haben gute Wohnungen. Meine Mutter genießt eine gute Pflege. Und doch geht es vielen Leuten in unserem Land richtig schlecht. Um diese Menschen müssen wir uns kümmern. Das ist sicherlich eine Zukunftsaufgabe für das kommende Jahr und die folgenden Jahre. Wenn die Situation aber so bleibt, wird die Spannung in der Bevölkerung steigen, und dann wird es zu Problemen kommen. Die Hauptaufgabe in der Politik ist es, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen.
(Beifall bei der SPD)
Gesine Lötzsch hat vorhin gesagt: Die AfD ist ein Kind der Großen Koalition. – Ich muss sagen, das hat mich etwas irritiert. Die PVV in Holland, der Front National in Frankreich, die Nationale Allianz in Italien, die Wahren Finnen in Finnland und auch die Wahl von Trump waren nicht alles Folgen der Großen Koalition.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das habe ich auch nicht gesagt!)
Ich möchte sogar sagen: Die Tatsache, dass die Hälfte deines Wahlkreises an die AfD gegangen ist, ist nicht allein deine Schuld.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich glaube, wir müssen schauen, dass wir hier nicht die Politik als Ganzes beschädigen. Unsere Aufgabe ist es nämlich, Vertrauen in die Politik und Glaubwürdigkeit in uns, die Politiker, herzustellen. Da ist eine billige Schuldzuweisung ein Schaden für alle, auch gegenüber denen, die sich ernsthaft anstrengen, etwas für das Volk zu machen. Solche Worte sind kontraproduktiv und zerstören Vertrauen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will eine Bemerkung in Sachen Ökonomie zu Ekin Deligöz machen, die gesagt hat: Die Investitionen in diesem Haushalt sind sehr gering. – Ich bin froh, dass sie in diesem Haushalt genau so sind, wie sie sind. Denn was würde passieren, wenn alle Brückenbauer beschäftigt wären, wenn alle Schulsanierer am Bau wären und alle Bauarbeiter mit sozialem Wohnungsbau beschäftigt wären und wir jetzt – in diesem Jahr bzw. kurzfristig – noch mehr investierten? Es würden lediglich die Preise steigen, aber es würde keine einzige Schule mehr saniert und keine einzige Straße mehr gebaut.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig! Es würde überhitzt!)
Deshalb ist es kluge Politik, dass wir die Investitionen jetzt planen und das Baurecht für den Zeitpunkt schaffen, wenn die Konjunktur nachlässt und eine Zunahme der Arbeitslosigkeit eventuell durch Investitionen zu vermeiden wäre. Genau in den Moment investieren wir und machen dann eine antizyklische Globalsteuerung, die auch funktioniert. Das ist sehr gut.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Jetzt muss ich leider etwas zu dem Kollegen Rehberg sagen; denn er hat – nicht ganz zufällig – vorhin nicht Mecklenburg-Vorpommern, sondern ein anderes Land angeprangert. Aber es gibt – darauf hat mich der Kollege Bernhard Daldrup hingewiesen – ein Protokoll der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern vom 7. Juli. Darin heißt es, die dreimal 2 Milliarden Euro für die Integrationspauschale dienen der Entlastung der Länder. Da hat jemand, ehrlich gesagt, schlecht verhandelt, sonst wären nämlich die Kommunen explizit genannt worden. Das ist leider nicht der Fall.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Ländermilliarden werden von Schleswig-Holstein, vom Saarland, von Brandenburg und von Mecklenburg-Vorpommern – dort kennen Sie sich ja genauer aus – leider nicht weitergegeben. Auch die Integrationspauschale wird oft nicht weitergegeben, und zwar von NRW – das wurde als Einzelland erwähnt –, Brandenburg, Niedersachsen und – man höre – Bayern. Man merkt: Einzelne Länder zu nennen, eignet sich oft nicht, um sich selber reinzuwaschen. Denn wenn das plötzlich jemand merkt, ist das unangenehm.
(Beifall bei der SPD)
Man fragt sich, wer eigentlich überhaupt Steuern zahlt. Es gibt gar nicht so viele Leute, die Steuern zahlen. Das sind vor allem die Lohnempfänger. Bei ihnen wird nämlich die Lohnsteuer gleich vom Lohn abgezogen.
Auch die Unternehmen zahlen Steuern, etwa die Körperschaftsteuer. Komischerweise nehmen wir damit relativ wenig ein, obwohl die Körperschaften hohe Gewinne machen. Aber irgendetwas bewirkt, dass die extrem starken Unternehmen extrem wenig Steuern bezahlen. Das müsste einmal genauer untersucht werden. Wir haben das als Parlament gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium untersucht, wobei wir uns sehr gut gegenseitig unterstützt haben. Wir machen ein Programm gegen internationale Steuergestaltung und gegen Steuerhinterziehung.
Last, but not least gibt es – darin sind wir uns nicht ganz einig – an ganz anderer Stelle Betrug, zum Beispiel überall dort, wo es keine Kassen gibt. Man kann zwar sagen: „Lasst den Leuten doch diese kleinen Einkommen aus der Eisdiele oder vielleicht aus dem Friseurladen oder einer Gaststätte“; das wäre aber leider ein Wettbewerbsnachteil für die Ehrlichen.
(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)
Wir sind dafür, einen fairen Markt zu schaffen. Deshalb sagen wir: Wir brauchen die Kassenpflicht, die Registrierung der Kassen und die Bonausgabepflicht, um Betrug zu verhindern, und wir brauchen BEPS: Base Erosion and Profit Shifting. Das ist das gemeinsame Programm für die Konzerne. Aus diesen beiden Komponenten werden wir auch künftig die Steuereinnahmen sichern und für eine gute Zukunft sorgen.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Rehberg das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7034579 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 201 |
Tagesordnungspunkt | Finanzen, Bundesrechnungshof |