22.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 201 / Tagesordnungspunkt I.5

Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An den Anfang meiner heutigen Haushaltsrede darf ich einen herzlichen Dank an unseren Finanzminister stellen. Die vierte schwarze Null in Folge zeigt vor allem, dass die finanz- und haushaltspolitische Ausrichtung der Politik dieser Bundesregierung sehr erfolgreich und sehr gut ist. Dafür unser herzlicher Dank!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist nicht nur „nice to have“, sondern hat auch substanzielle Bedeutung. Mir als Mutter von drei erwachsenen Kindern ist ganz wichtig, dass dies ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit ist. Wir wollen nicht heute darüber entscheiden, wofür die kommenden Generationen das Geld, das sie erwirtschaften, ausgeben, sondern das sollen sie selber entscheiden. Deshalb ist es wichtig, dass wir keine neuen Schulden machen.

Mir ist auch wichtig, zu unterstreichen, dass diese schwarze Null dem Bund politischen Handlungsspielraum eröffnet, einen Handlungsspielraum, den man eben nicht hat, wenn man immer an der Grenze zur Verschuldung arbeiten muss. Das war in den vergangenen Jahren, als wir in der Finanzmarktkrise und in der Euro-Krise waren, ganz wichtig. Da hat uns diese wirtschaftliche Stärke die Option gegeben, zu agieren und Verantwortung zu übernehmen. Mir wird immer ganz mulmig bei dem Gedanken, was passiert wäre, wenn diese Krisen Anfang dieses Jahrtausends, unter ganz anderen Vorzeichen, über uns hereingebrochen wären.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin froh, dass die gute Haushaltslage dem Bund die Möglichkeit gibt, den Ländern unter die Arme zu greifen, zum Beispiel im Rahmen des künftig neu geregelten Bund-Länder-Finanzausgleichs. Wenn man weiß, dass ich aus Nordrhein-Westfalen komme, ist das, glaube ich, selbsterklärend.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)

Der Justiz- und Verbraucherschutzhaushalt ist der kleinste Haushalt; das steht natürlich in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur seiner Bedeutung. Vielleicht wird die Bedeutung dieses Haushalts dadurch unterstrichen, dass wir ihn heute schon sehr früh, nämlich direkt nach dem Einzelplan des Bundesfinanzministeriums, debattieren.

Wir haben unseren Haushalt gegenüber dem Regierungsentwurf immerhin noch um 103 Millionen Euro aufgestockt. Damit können wir auch ganz klar Akzente setzen. Den wesentlichen Aufwuchs gibt es im Bereich der Stärkung der Verbraucherrechte und des Verbraucherschutzes. Die Stiftung Warentest wird ganz massiv durch neues, frisches Geld – 90 Millionen Euro – gestärkt. Damit unterstreichen wir, wie wichtig uns ihre Arbeit für die Verbraucher ist, die hier ganz konkret in ihrer Verbraucherkompetenz unterstützt werden. Das ist gelebter Verbraucherschutz. Deshalb geben wir diese 90 Millionen Euro gerne an die Stiftung Warentest.

Von unserem Ansatz her sind wir gegen eine Bevormundung der Verbraucher.

(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das sind wir aber auch!)

Wir halten es auch für in Ordnung, wenn ein Verbraucher einmal sagt: Ich möchte nicht immer nur ganz vernünftig sein, nicht immer nur an die Gesundheit und dergleichen denken. – Deshalb wollen wir Verbraucher nicht überbevormunden. Aber wir sehen, dass es Bereiche, Märkte gibt, in denen ein strukturelles Ungleichgewicht vorhanden ist und wo es wichtig ist, dass die Verbraucher gestärkt werden. Der Energiemarkt ist so ein Bereich. Deshalb ist es in Ordnung, dass wir auch an der Stelle in Bezug auf das Konzept der Marktwächter weitergehen und einen ersten Schritt tun, um auch auf diesem Markt einen Marktwächter zu etablieren.

Ich komme zu einem weiteren Akzent in der Rechtspolitik. Mir ist der Bundesschülerwettbewerb „Rechtsstaat“ wichtig. Ich sage das nicht nur als rechtspolitische Sprecherin, sondern auch als Richterin außer Dienst ist es mir wichtig, noch einmal zu betonen, welche Bedeutung der Rechtsstaat hat. Er sorgt im Prinzip für die Stärkung des Schwachen, dem materielles Recht bzw. Verfahrensrecht an die Seite gestellt wird, damit er auch bei einem übermächtigen oder übermächtig scheinenden Gegner nicht rechtlos gestellt ist. Das geht bis hin zu Klagen gegen den Staat, die durch unseren Rechtsstaat ermöglicht werden. Das ist essenziell, wie es auch nicht unbedingt selbstverständlich ist. Es ist gut, dass sich die Schüler damit auseinandersetzen und das auch zu schätzen wissen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wichtiges Leitmotiv für die Union in der Rechtspolitik – in der es ansonsten weniger um das Ausgeben von Geld, sondern eher um das Schaffen von guten Regeln geht – ist der Opferschutz. Da sehen wir in einigen Punkten durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten. Vom Kollegen Fechner wurden schon die Verbesserungen angesprochen, die wir im Bereich des Schutzes vor Einbruchdiebstahl vornehmen wollen. Wir wollen den minderschweren Fall abschaffen. Auch wollen wir – aber nicht aus unserem Haushalt – Geld zur Verfügung stellen, um dabei zu helfen, einen besseren Einbruchschutz auch finanzieren zu können.

Im Übrigen wollen wir die Polizei – personell und auch sachlich – besser ausstatten und dafür eine Kampagne durchführen. Nun hat der Kollege Dr. Lindner schon darauf hingewiesen, dass das Geld dafür gar nicht aus unserem Justizhaushalt, sondern aus dem Haushalt des Innenministeriums, also von Minister de Maizière, kommt. Ich kann hinzufügen, dass auch die Ideen von der Union kommen. Deshalb sind das gute Ideen, die wir gerne zusammen umsetzen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt viele Beispiele dafür, dass uns der Opferschutz wichtig ist. Aktuell reden wir über den Schutz vor Stalking. Mittlerweile haben wir die entsprechende Sachverständigenanhörung durchgeführt. Ich glaube, da hat sich gezeigt, dass wir im Sinne des Opferschutzes noch einige Strafbarkeitslücken eliminieren müssen. Vor allen Dingen müssen wir an der Generalklausel festhalten. Gerade da, wo es um neue Kommunikationsmittel geht, ist der Fantasie der Täter keine Grenze gesetzt, doch noch übergriffig zu werden, ohne dass der Wortlaut des Gesetzes erfüllt ist. Da müssen wir vorbeugen.

Wenn wir über neue Kommunikationsmittel reden, sind wir aber auch ganz schnell bei einem anderen wichtigen Thema unserer heutigen Diskussion, nämlich bei der Frage: Wie können wir gegen Hasskommentare, Drohungen, erfundene Lügengeschichten und Verleumdungen in den sozialen Netzwerken effektiv vorgehen? Ich denke, wir müssen da – nachdem lange versucht worden ist, zu freiwilligen Lösungen zu kommen – jetzt auch gesetzliche Vorgaben machen. Menschen, die von so etwas betroffen sind, sollten ganz schnell den richtigen Ansprechpartner bzw. einen einfachen Weg finden, um Verleumderisches bzw. Übergriffiges aus dem Netz zu löschen. Hier müssen wir auch die Plattformbetreiber in die Verantwortung nehmen. Es geht nicht an, dass sie ein Geschäftsmodell aus dem Ganzen machen, sich aber einen schlanken Fuß machen und keine Verantwortung übernehmen wollen.

Für uns ist es allerdings auch noch einmal wichtig, klar zu sagen: Es geht dabei nicht um die Einschränkung von Meinungsfreiheit. Demokratie muss Diskussionen und Kritik aushalten – auch harsche Kritik. Wenn aber die Grenze überschritten wird, dann darf nichts anderes als auch in der analogen Welt gelten. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Hier müssen wir unbedingt eine gesetzliche Regelung angehen, die auch umfasst, dass die Beweissicherung durch die Betreiber mit unterstützt werden muss.

Ein weiteres wichtiges Anliegen betrifft den Schutz von jungen Frauen, die sich nicht selbst helfen können: Ich meine das Vorgehen gegen aufgezwungene Kinderehen. Wenn man den Zahlen glauben darf, dann gibt es bei uns etwa 1 500 Betroffene, die als Zuwanderer zu uns gekommen sind. Aber auch hier in Deutschland gibt es teilweise Rituale religiöser und traditioneller Art, die solche Verbindungen mit einem Anspruch auf Verbindlichkeit schließen.

Uns ist es hier ganz wichtig, zu sagen, dass das mit unseren Werten und Vorstellungen nicht vereinbar ist. Deshalb sind wir entschlossen, hier sehr schnell zu einer gesetzlichen Regelung zu kommen, die diese Ehen aufhebt. Wir fordern den Justizminister, der dazu ja schon Vorschläge entwickelt hat, auf, seine Vorschläge jetzt sehr schnell ins parlamentarische Verfahren einzubringen, damit wir rasch zu einer Rechtsgrundlage kommen, um den jungen Mädchen zu helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sehe, dass meine Redezeit begrenzt ist. – Deshalb darf ich nur noch einmal kurz an das anknüpfen, was Kollege Petzold gerade ausgeführt hat. Sie haben sich ja auch sehr ausführlich mit der Entschädigung der nach § 175 verurteilten Männer beschäftigt. Daher möchte ich hier noch einmal betonen, dass auch wir das sehr begrüßen und dass wir das Geld dafür sehr gerne in den Haushalt eingestellt haben. Um eine gute Regelung werden wir uns auch in den nächsten Wochen und Monaten noch gemeinsam kümmern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Elisabeth Winkelmeier-Becker. – Nächste Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7034612
Wahlperiode 18
Sitzung 201
Tagesordnungspunkt Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
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