Patrick SensburgCDU/CSU - Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Bundeshaushaltsentwurf für das Jahr 2017 weist mit einem Gesamtvolumen von rund 320 Milliarden Euro einen guten Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben aus. Ich danke in erster Linie den Haushältern für die gute Zusammenarbeit mit den Fachpolitikern aus dem Justiz- und Verbraucherschutzressort. Das hat in den letzten Wochen der Beratungen gut geklappt. Ganz herzlichen Dank, dass die Zusammenarbeit von Fachpolitikern und Haushaltspolitikern immer so exzellent klappt!
Lassen Sie mich eines vorweg sagen: Der Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben ist wirklich ein Markenkern der Union. Wir achten darauf, dass die Wünsche, die in einem Einzelplan ihren Ausdruck finden, den Ausgaben, die man sich leisten kann, entsprechen und das Ganze nicht aus dem Ruder läuft, sondern zu einem Ausgleich gebracht wird. Es ist ein Markenzeichen der Union, zu einem Ausgleich zu kommen. Es ist gut, dass wir das so machen.
Verfolgen wir einmal, wie es in den Bundesländern läuft. Schauen wir nach Nordrhein-Westfalen, wo eine anders geführte Landesregierung den Haushalt aufstellt.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: So viel Angst vor einer Wahlniederlage? – Weitere Zurufe von der SPD)
Man sieht, dass dort die Ausgaben aus dem Ruder laufen; das ist festzustellen. Ich wünsche mir, dass auch die Landesregierungen eine so gute Haushaltspolitik betreiben, wie sie unter Führung von Angela Merkel und Finanzminister Schäuble betrieben wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Fast alle Redner der einzelnen Fraktionen, die zuvor zum Haushalt für Justiz und Verbraucherschutz geredet haben, haben sich Zeit genommen, um das Ressort des Innenministeriums zu loben.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Dazu kommen wir nachher noch!)
An dieser Stelle muss man Innenminister de Maizière und Staatssekretär Krings danken. Wenn in den Beratungen über den Einzelplan für Justiz und Verbraucherschutz das Innenministerium so breit gelobt wird,
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann zeigt das, dass der Haushalt nicht verstanden wurde!)
dann scheinen wir doch viel richtig gemacht zu haben.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir kommen ja noch zu dem Ressort!)
– Lieber Kollege Hahn, die einzige Fraktion, die nicht gelobt hat, ist die Linke; diese hat sich beim Lob sehr zurückgehalten. Sie haben offenkundig noch immer ein etwas gestörtes Verhältnis zu staatlichen Institutionen und der Rechtsstaatspolitik. Daher kann ich verstehen, dass Sie die einzige Fraktion waren, die das Innenressort nicht gelobt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lassen Sie mich nun auf den zur Diskussion stehenden Einzelplan eingehen – Kollege Gröhler hat das bereits gesagt –, der „lediglich“ rund 800 Millionen Euro aufweist. Das sind knapp 2,5 Prozent des Gesamthaushalts. Man kann sagen, dass sich gute Rechtspolitik und gute Verbraucherpolitik nicht ausschließlich nach dem Volumen bemessen lassen, sondern nach den Inhalten. Dieses Politikfeld hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher bzw. die Bürgerinnen und Bürger eine große Bedeutung. Dennoch lässt sich feststellen, dass es ein gewisses Ungleichgewicht zwischen den Bereichen Recht und Verbraucherschutz gibt. Für den Verbraucherschutz ist mehr Geld eingestellt. Ich wünsche mir, dass wir im Rechtsbereich noch das eine oder andere akzentuiert vorantreiben.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie ja machen können!)
Um es deutlich zu sagen: Es ist wichtig, für guten Verbraucherschutz ausreichend Mittel einzustellen. Aber Verbraucherschutz darf den mündigen Bürger nicht völlig an die Hand nehmen und seine Eigenverantwortung außer Acht lassen. Ich wünsche mir, dass wir das Gleichgewicht, wie es in den letzten Jahren existiert hat, fortschreiben. Es darf keinen überschießenden Verbraucherschutz geben, sondern es muss ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des mündigen Bürgers auf der einen und der Schutzfunktion und der Fürsorgepflicht des Staates auf der anderen Seite geben.
Insbesondere bei der Digitalisierung gibt es im Bereich der Rechts- und Verbraucherschutzpolitik noch einiges zu machen. Herr Minister Maas, Sie hatten den runden Tisch zum Thema „Hate Speech“ einberufen. Dabei ist leider bisher effektiv noch nichts herausgekommen. Ich bin sehr dankbar, dass der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, mit seinen eindringlichen Worten Bewegung in die Diskussion über eine mögliche Novelle zum Teledienstegesetz gebracht hat. Sonst werden wir in diesem Bereich möglicherweise keinen Erfolg haben. Hate Speech können wir nicht akzeptieren; viele Redner haben das schon gesagt. Dieses Thema müssen wir jetzt entschlossen anpacken.
Zunehmend sind Verbraucher mit dem Phänomen des Individual Pricing konfrontiert. Dabei erzeugen Algorithmen auf der Basis generierter Daten individuelle Preise, wobei nicht transparent ist, wie die Preise zustande kommen. Ich glaube aber, dass uns der Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft sagt, dass die Preisbildung transparent sein muss und es nicht Algorithmen überlassen sein darf, wer wie viel für ein bestimmtes Produkt bezahlt. Hier müssen wir nachbessern. Ich glaube, es ist auch eine Aufgabe effektiven Verbraucherschutzes, etwas gegen das Individual Pricing zu machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der andere Bereich, wo wir schon angesetzt haben, aber wo wir noch mehr machen müssen – es ist noch kein Ergebnis da –, ist die Praxis des Geoblockings. Dabei bestimmt der Standort des Verbrauchers und nicht das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage den Preis. Auch hier sind wir nicht weitergekommen. Auch hier müssen wir im Rahmen der Verbraucherpolitik mehr tun.
Nicht weniger als einen New Deal forderten Sie, Herr Minister, im vergangenen Jahr im Bereich des Urheberrechts. Man muss sagen: Etwas Neues hat es nicht gegeben. Wir sind immer noch weit von Lösungen entfernt. Ich wünsche mir, dass wir hier einen weiteren Schritt gehen. Herr Minister, Sie haben die Unterstützung der Union, und Sie haben gute Staatssekretäre im Bereich des Verbraucherschutzes: Staatssekretär Billen und Staatssekretär Kelber. Ich glaube, mit den Fachleuten und mit Unterstützung der Union müsste es uns gelingen, eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei diesen Themen zu erreichen.
Im Rechtsbereich ist es uns auf vielen Feldern leider nicht gelungen, die angestoßenen und ins Visier gefassten Gesetzesvorhaben zum Abschluss zu bringen. Ich möchte aber Staatssekretär Lange danken. Nach einigen Jahren Verspätung ist es uns gelungen, die Verordnung zum Mediationsgesetz auf den Weg zu bringen. Das ist gut; die Verbände freuen sich, sie sind zufrieden, dass wir weitermachen können. Meine Vorrednerin hat es angesprochen: Was die außergerichtliche Streitbeilegung betrifft, wünsche auch ich mir, dass wir im Grunde bei allen Verfahren, die es im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung gibt, schauen, dass wir eine gewisse Konsistenz zwischen Schlichtung, Obmännern bzw. Obfrauen, der Mediation und anderen Verfahren erreichen. Wir müssen in die Verfahren im deutschen Rechtssystem mehr Konsistenz bringen.
Weitere Projekte sind leider immer noch auf der langen Bank. Ich erinnere an das wichtige Projekt der Insolvenzanfechtung.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das liegt doch an euch!)
Hier finden noch Gespräche statt; aber das Projekt ist nicht umgesetzt. Herr Kollege Fechner, ich erinnere mich an das Ende der letzten Legislaturperiode. Da haben wir mit dem Wirtschaftsministerium und dem damaligen BMJ intensive Gespräche geführt und wollten die Insolvenzanfechtung anpacken. Das BMJ blockierte damals, und jetzt blockiert das BMJV in den Gesprächen. So empfindet es die Wirtschaft.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Damals war aber jemand anderes an der Spitze, wenn Sie sich erinnern!)
Das Wirtschaftsministerium würde sich deutlich mehr wünschen. Das hat sich in dieser Legislaturperiode leider nicht geändert. Ich wünsche mir, dass wir das Thema Insolvenzanfechtung intensiv aufnehmen. Es ist Aufgabe des Justizministeriums, die Wirtschaft an dieser Stelle nicht alleine zu lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Kollegen Flisek?
Na klar, logisch.
Herr Kollege Sensburg, Sie haben gerade auf die durchaus nicht ganz einfachen Verhandlungen zum wichtigen Urhebervertragsrecht verwiesen und haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, bedauert, dass in der Sache nichts weitergehe. Da möchte ich Sie schon fragen – weil wir an einem Punkt sind, wo wir ein wenig Farbe bekennen müssen –, ob die Unionsfraktion, wenn sie das hier zum Gegenstand der Debatte macht, denn bereit wäre, sich bei der Frage eines angemessenen Auskunftsanspruches zugunsten der Kreativen in diesem Land – wohlgemerkt: der Auskunftsanspruch ist ein Hilfsanspruch, um eine angemessene Vergütung durchzusetzen – endlich ein Stück weit zu bewegen, damit wir das Paket zuschnüren können. Sie fordern ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das Sie den Kreativen nicht zubilligen wollen; die Probleme, die Sie skizzieren, sind dieselben. Von den Onlineplattformen aber wird das eingefordert. Wie können Sie sich positionieren, damit daraus eine konsistente Lösung wird? Ich würde Sie schon gerne bitten, sich dazu mehr und deutlicher zu äußern; denn der Moment wäre geeignet, die Sache wirklich nach vorne zu bringen.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege Flisek, als Berichterstatter der SPD-Fraktion für dieses Themengebiet verhandeln Sie jetzt seit drei Jahren. Schon in der letzten Legislaturperiode hatten wir das Thema Urheberschutz auf der Agenda.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist es auch schon schiefgegangen!)
– Ja, das war am Ende der Legislaturperiode. Wir haben kein Ergebnis erreichen können, auch weil die Zeit fehlte.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Die Zeit war schuld! Jetzt wissen wir, wer schuld war: die Zeit!)
In dieser Legislaturperiode haben wir das Thema wieder aufgegriffen. Seit drei Jahren wird verhandelt. Sie haben jetzt zwei von mehreren Punkten der Verhandlungen genannt, bei denen wir noch nicht im Konsens sind. Es liegt erst einmal an den Verhandlern, über die Vielzahl der Punkte einen Konsens zu erreichen. Ihn haben wir nicht, weil Sie auch bei Ihren Punkten nicht nachgeben.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Jetzt mal inhaltlich! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU war immer dabei, wenn es nicht klappte!)
Insofern würde ich mir wünschen, dass diese Verhandlungen zu Ende gebracht werden und dass als Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem Justizministerium einmal eine Lösung auf den Tisch kommt und nicht endlos verhandelt wird. Dasselbe erleben wir – ich habe es erwähnt – bei den anderen Projekten, zum Beispiel bei der Insolvenzanfechtung. Auch da haben wir Lösungen auf dem Tisch liegen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal endlich, ob Sie den kleinen Kreativen etwas geben wollen!)
Auch hier wird das Vorliegende mit anderen Bereichen vermengt. Das gesamte Insolvenzrecht wird plötzlich in Angriff genommen, und eine Lösung wird nicht erreicht. Von daher: Specken Sie das Ganze ab auf die wesentlichen Punkte!
(Dr. Eva Högl [SPD]: Ach! Das Auskunftsrecht ist kein wichtiger Punkt, ja? Das ist ja auch deutlich!)
Dann kommen wir zu einem Konsens. Aber so wird es nicht gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Der Gesetzentwurf des Ministers ist doch gut! Da braucht überhaupt nichts geändert zu werden!)
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der das Straf- und Prozessrecht betrifft. Auch hier haben wir mit vielen Forderungen stark begonnen. Es sollte der Mordparagraf geändert werden. Es sollte eine große StPO-Reform geben. Beim Mordparagrafen sehen wir jetzt, dass eine kluge Ausgestaltung dieser Norm gar nicht so einfach ist, dass § 211 StGB eine gute Norm ist, mit einer dezidierten Rechtsprechung.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Was?)
Ich weiß zurzeit nichts von weiteren Initiativen aus dem BMJV für eine Überarbeitung. Es ist still geworden. Ich würde mir auch hier wünschen, dass Klarheit herrscht, wie es weitergeht.
Besonders bedauerlich ist der Verlauf der großen StPO-Reform. Es war am Anfang der Legislaturperiode als wesentliches rechtspolitisches Projekt angedacht, die gesamte StPO zu überarbeiten und vom Ermittlungsverfahren über das Zwischenverfahren über das Hauptverfahren bis zu den Rechtsmitteln und dem Strafvollzug, also dem Vollstreckungsverfahren, ein konsistentes Gesetzeswerk einer StPO zu schaffen, die im Grunde beschleunigende Verfahren ermöglicht. All das ist im Grunde schon in der eingesetzten Kommission gescheitert. Nur wesentliche Einzelpunkte sind übrig geblieben; sie stehen derzeit in der Verhandlung. Regelungen für einen effektiveren, beschleunigten Strafprozess finden wir im derzeitigen Gesetzentwurf nicht mehr vor. Die Neuregelung der Anbahnungsgespräche, die Sachverständigenauswahl oder beispielsweise die gerichtliche Überprüfung der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren, all das kostet mehr Zeit und beschleunigt das Verfahren nicht.
Nicht im Gesetz beinhaltet ist die sogenannte Quellen-TKÜ. Das ist aber eine Forderung der Justizministerkonferenz, des Generalbundesanwalts und der Generalanwälte der Länder; sie wurde erst vor 14 Tagen wieder aufgestellt. Herr Justizminister, Sie haben im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung einen klugen Gesetzentwurf unterstützt und vorangebracht. Jetzt müssen Sie sich auch bei der Quellen-TKÜ, wenn die StPO-Reform kommen soll, bewegen. Dann bringen wir gemeinsam ein gutes Gesetzeswerk zustande.
Viele Punkte müssen wir noch anpacken. Ich habe einige im Bereich Verbraucherschutz genannt. Hinzu kommen einige rechtspolitische Punkte. Ich hoffe, Herr Minister, dass Sie sich im kommenden Jahr, das uns noch verbleibt, mit der Unterstützung der Haushälter und diesem Haushaltsansatz zur Behandlung dieser Themen entschließen können. Wir haben ja gerade gehört: Sogar für die Magnus-Hirschfeld-Stiftung haben wir noch einmal Geld in den Haushalt eingestellt. – Packen Sie die Projekte beherzt an! Sonst habe ich die Sorge, dass wir in dieser Legislaturperiode, anders als in den letzten Jahren, nicht viele rechtspolitische Vorhaben umsetzen werden, und das wäre sehr schade.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Dr. Sensburg. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Dr. Harbarth von der CDU/CSU-Fraktion.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Will er Herrn Sensburg korrigieren? Zu Flisek darf er aber nicht reden!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7034618 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 201 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht |