22.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 201 / Tagesordnungspunkt I.7

Edgar FrankeSPD - Gesundheit

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Vorredner haben bereits einiges zum Einzelplan 15, zum Plan des Gesundheitsministers, ausgeführt. Wir haben rund 15 Milliarden Euro in den Haushalt eingestellt. Bärbel Bas hat zu Recht gesagt: Wir als SPD begrüßen ausdrücklich, dass wir den Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds wieder auf 14,5 Milliarden Euro erhöht haben. Wir begrüßen es deshalb, weil wir damit gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie Familienmitversicherung und Leistungen im Rahmen der Mutterschaft finanzieren. Diese können wir dauerhaft nur mit einem ordentlichen Bundeszuschuss finanzieren. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mich freut auch, dass wir über 45 Millionen Euro für gesundheitliche Aufklärung und Prävention ausgeben werden. Durch Primärprävention und Vorbeugemedizin soll die Entstehung von Krankheiten vermieden werden. Wir haben das Präventionsgesetz relativ gemeinschaftlich beschlossen und geben in vielen Lebenswelten – in Kita, Schule, am Arbeitsplatz, für Jugendliche und Pflegeheime – Geld aus. Ich arbeite im Beirat des Vereins „Jugend gegen AIDS“. Dieser Verein leistet tolle ehrenamtliche Arbeit bei der sexuellen Aufklärung in den Lebenswelten der Jugendlichen. Er führt Aktionswochen durch, ist auf Festivals vertreten und sorgt für Verteilaktionen in der Disco- und Kneipenszene, also in den Lebenswelten der jungen Menschen. Ich freue mich, dass wir mehr Geld für Aufklärung gerade über sexuell übertragbare Krankheiten ausgeben. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir in Zukunft nicht noch mehr Geld für ehrenamtliches Engagement wie das des Vereins „Jugend gegen AIDS“ ausgeben sollten; denn solche Vereine erreichen die Zielgruppen mit kreativen Ideen viel direkter, als das teure Werbekampagnen tun können.

(Beifall bei der SPD)

Gut ist auch, dass wir mehr Geld für Prävention und Früherkennung von Diabetes, der Volkskrankheit in den Industrieländern schlechthin, ausgeben. Wir sollten aber auch hier Aufklärung und Information im Hinblick auf bestehende Versorgungsangebote intensivieren.

Herr Minister, es ist ein guter und ausgewogener Etat, wobei wir wissen, dass das meiste Geld über den Gesundheitsfonds und die Krankenkassen läuft. Ich darf mich als Ausschussvorsitzender persönlich und im Namen der SPD für die gute Zusammenarbeit beim Haushalt bedanken, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir haben vieles aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Helmut Heiderich hat von 16 Gesetzen gesprochen. Ich habe das nicht nachgezählt, wenn das aber ein Nordhesse sagt, wird das schon stimmen.

(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: So ist es! Vielen Dank! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Und wenn es ein Südhesse sagt, nicht?)

Wir haben mit Herrn Gröhe zwar einen schwarzen Gesundheitsminister. Aber wir haben in der Gesundheitspolitik – das Bild habe ich schon oft verwendet – einen roten Faden im doppelten Sinn des Wortes. Herr Stritzl, wir haben auch ein paar schwarze Nullen – das haben wir auch gehört –,

(Heiterkeit bei der SPD)

nämlich im Gesundheitsfonds und bei den Krankenkassen. Alles in allem: Ein guter Haushalt. Einen roten Faden haben wir, weil wir Sozis dabei sind und für uns immer wichtig ist, dass wir Gesundheitspolitik aus Sicht der Versicherten sehen und zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Für die SPD ist wichtig, dass die Menschen Zugang zu guter Gesundheitsversorgung haben, und zwar unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom Wohnort und unabhängig vom Alter.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Helmut Heiderich [CDU/CSU])

Jetzt muss ich noch etwas zur Pflege sagen, hochgeschätzte Kollegin Scharfenberg; ich glaube, das sage ich auch im Namen meiner Kollegen zur Rechten, der schwarzen Kollegen. Wir haben eine Strukturreform gemacht und den Reformstau in der Pflege aufgelöst. Wir geben ab 2017  5 Milliarden Euro mehr für die Pflege aus. Ich glaube, das haben alle Menschen in diesem Lande gesehen. Das war eine Strukturreform.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir haben 2015 die häusliche Pflege mit 1,4 Milliarden Euro gestärkt, und wir haben dem Wunsch der Menschen Rechnung getragen, dass sie zu Hause, in ihren eigenen vier Wänden bleiben können, auch wenn sie pflegebedürftig sind. Wenn das nichts ist, dann weiß ich es nicht. Wir haben die Kurzzeitpflege, wir haben die Verhinderungspflege von sechs Wochen, und wir haben eine zehntägige Auszeit für die pflegenden Angehörigen. Das ist eine erhebliche Entlastung. Es merkt jeder bei uns in Deutschland, was das bewirkt hat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es mag auf den ersten Blick banal klingen; aber ich bekomme 4 000 Euro, wenn ich mein Bad behindertengerecht ausbaue oder wenn ich einen Treppenlift einbaue. Das alles sind Sachen, mit denen wir menschenwürdige Pflege, wenn man so will, konkretisiert haben. Nicht nur das: Der erweiterte Pflegebedürftigkeitsbegriff, mit dem wir Menschen ganzheitlich betrachten und individuelle Bedürfnisse zum Maßstab unserer Politik machen, ist ein weiterer Punkt. Ich habe eine demente Schwiegermutter mit eingeschränkter Alltagskompetenz. Da weiß man, was das im täglichen Leben bedeutet.

Nehmen wir einmal die Zahlen. Bei der Pflegestufe V gibt es über 2 000 Euro. Das ist eine erhebliche Leistungssteigerung. Es wird im Übrigen keiner bei der Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade schlechtergestellt. Nicht nur das: Wenn ich in einen höheren Pflegegrad komme, steigt auch der Eigenanteil nicht an. – Das bedeutet: Niemand muss mehr Angst haben, wenn er in einen höheren Pflegegrad kommt. Auch das war etwas, was wir Sozialdemokraten, aber auch die Kollegen von der Union immer wieder gefordert haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir wissen natürlich: Die Pflegeversicherung ist eine Teilkaskoversicherung. Deshalb verbleibt ein nicht unwesentlicher Anteil der Kosten bei den Versicherten und oftmals auch bei den Kindern. Wir alle wissen, dass wir diese oft in den Sprechstunden haben. So stellt sich schon die Frage, wie man zumindest schrittweise in Richtung einer Pflegevollversicherung kommen kann und was man politisch dafür machen kann. Zwar sind im Etat über 45 Millionen Euro zur Förderung der privaten Pflegeversicherung, der Pflege-Bahr, enthalten. Diese Versicherung schließen aber Gering- und Normalverdiener selten ab, obwohl die sie am dringendsten brauchten. Aus Sicht der SPD ist es deswegen sinnvoll, gerade die Pflegeversicherung – die eignet sich besonders dafür – in eine Bürgerversicherung umzuwandeln.

(Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dann können die Ausgaben einer älter werdenden Gesellschaft von allen Menschen solidarisch finanziert werden, indem alle in ein System einzahlen, auch und vor allem die gut Verdienenden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE] und Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die private und die gesetzliche Pflegeversicherung haben einen einheitlichen Leistungskatalog. Wenn es sich lohnt, über eine Bürgerversicherung nachzudenken, dann bietet sich die Pflegeversicherung an.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Einstiegsprozess!)

– Lieber Harald Weinberg, da sind wir einer Meinung.

Die zweite tiefgreifende Reform, die 2016 in Kraft getreten ist, war das Krankenhausstrukturgesetz, das in Zukunft noch viele Mehrausgaben, Herr Minister, bedingen wird. Es ist uns wichtig gewesen, dass gerade die Qualität der Behandlung in den Krankenhäusern ein Maßstab für finanzielle Anreize sein sollte. Wir alle wissen, dass sich die Krankenhauslandschaft in den letzten 20, 30 Jahren vollkommen geändert hat. Wir haben Spezialisten für alle Bereiche, für Onkologie, Kardiologie, für Bauch, für Rücken, für Orthopädie, für Gynäkologie und viele andere Bereiche mehr. Deshalb war es richtig, zu beschließen, dass wir in Zukunft Geld nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern zielgerichtet den Prozess der Qualitätsverbesserung in den Krankenhäusern steuern. Ich glaube, da gibt es keine andere Meinung hier im Haus.

Künftig sollen nur die Krankenhäuser bestimmte Leistungen abrechnen, die die Leistungsvoraussetzungen haben und die notwendige Erfahrung mitbringen. Wir konnten jetzt lesen – auch Herr Henke wird es gelesen haben –, dass 330 Krankenhäuser reichen sollten, dass wir die Anzahl unserer Krankenhäuser von 2 000 auf 330 verringern sollten. Ich glaube aber, dass das nicht der richtige Weg ist – das sage ich als Abgeordneter, der aus Nordhessen kommt –; auch Herr Heiderich hat das eben angedeutet. Wir brauchen nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land Krankenhäuser, die eine Grund- und Regelversorgung anbieten, vor allen Dingen deshalb, weil dort viele ambulant tätige Ärzte verschwinden. Es ist, glaube ich, wichtig, dass wir da etwas tun. Wichtig ist auch, dass die Krankenhäuser auf dem Land Sicherstellungszuschläge bekommen – der Gemeinsame Bundesausschuss soll ja bis zum Jahresende „bundeseinheitliche Vorgaben zur Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen“, wie es im Beamtendeutsch so schön heißt, beschließen –; denn diese sind für die Versorgung absolut notwendig. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, auch im Krankenhausstrukturgesetz.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt einen roten Faden in der Gesundheitspolitik. Es gibt schwarze Nullen. Es ist eine Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung zu verzeichnen. Mich freut besonders, dass dieser Gesundheitshaushalt und die Gesundheitspolitik nicht nur einen roten, sondern vor allen Dingen einen sozialdemokratischen Faden enthalten, mit dem gesponnen wurde.

(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Ein Fädchen!)

In dem Sinne ist es ein wunderbares Ergebnis und ein guter Haushalt, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Jetzt hat Dr. Katja Leikert, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7034752
Wahlperiode 18
Sitzung 201
Tagesordnungspunkt Gesundheit
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