Karin Evers-MeyerSPD - Verteidigung
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Verteidigungsetat stehen im kommenden Jahr rund 37 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind immerhin 2,7 Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr. Auch für die kommenden Jahre ist ein Aufwuchs vorgesehen. Nach NATO-Kriterien entsprechen diese 37 Milliarden Euro einem Anteil von gut 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, also etwas mehr als die Hälfte von dem, was aus Sicht der NATO wünschenswert wäre. Auf NATO-Ebene wurden nämlich 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Zielmarke festgeschrieben. Deutschland hätte es dann – unterstellt, dass sich das Bruttoinlandsprodukt nicht ändert – mit einem Wehretat von 64 Milliarden Euro zu tun. Ich denke, diese 64 Milliarden Euro sind heute nicht nur für Sozialdemokraten eine schwer vorstellbare Größenordnung.
Am Ende geht es in der Politik aber eben nicht darum, was wir uns vorstellen können. Der Kollege Kalb hat das ja eben auch erwähnt. Unsere heutigen Reden hätte ich mir vor drei, vier Jahren noch nicht vorstellen können. Damals haben wir immer noch die Friedensdividende einfordern müssen und eingefordert. Heute geht es, wie gesagt, nicht darum, sondern es muss darum gehen, was aus unserer Sicht für die nächsten Jahre und Jahrzehnte notwendig ist.
Die Frage ist also nicht, ob wir uns eine Verdoppelung des Wehretats vorstellen können, sondern ob ein solcher Anstieg notwendig ist. Über diese Frage – das müsste inzwischen wirklich auch der letzte Abschottungsfanatiker verstanden haben – entscheiden wir nicht allein in diesem Saal und auch nicht allein in Deutschland. Die Frage, was wir in die Instrumente der äußeren Sicherheit investieren müssen, wird zum einen anhand der sicherheitspolitischen Lage um uns herum und auf der gesamten Welt und zum anderen dadurch beantwortet, wer unsere Partner sind, mit denen wir die finanzielle Last für die gemeinsamen Sicherheitsinteressen teilen können, und vor allen Dingen, ob sie es auch weiterhin sind. Beide Entscheidungsgrundlagen – die internationale Sicherheitslage und die Partnerschaften – haben derzeit eine Tendenz, die natürlich Anlass zur Beunruhigung gibt. Das muss uns veranlassen, über die notwendigen Investitionen in die Bundeswehr zu diskutieren. Wohlgemerkt: Ich spreche hier von Diskussion, nicht von Aktionismus.
Europa und damit auch Deutschland sind von Amerika sicherheitspolitisch abhängig. Die USA übernehmen nicht nur den größten Anteil des NATO-Budgets, sondern sie stellen auch 50 Prozent der konventionellen Fähigkeiten dieses Bündnisses – 50 Prozent! Ungeachtet der Frage, ob wir all das, was die USA sicherheitspolitisch unternehmen, gut finden, ist eines doch wohl klar: Wenn die Vereinigten Staaten ihren Beitrag in der NATO tatsächlich senken sollten, wie angekündigt, wenn also Trumps Wahlkampfversprechen an dieser Stelle wahr werden sollten, dann hat das Auswirkungen auf unser sicherheitspolitisches Grundgerüst, und das können wir unter gar keinen Umständen ignorieren. Das gilt natürlich erst recht vor dem Hintergrund, dass sich die sicherheitspolitische Lage in den vergangenen Jahres alles andere als verbessert hat.
Deutschland und Europa werden in Zukunft also weiter mehr internationale Verantwortung übernehmen müssen, und das sollten wir auf unsere Weise tun.
(Michael Leutert [DIE LINKE]: Was heißt das denn?)
– Warten Sie es ab; ich erzähle das noch. – Mit „unsere Weise“ meine ich natürlich nicht nur Aufrüstung; denn echte Sicherheit lässt sich ganz bestimmt mit Geld allein nicht kaufen – nicht einmal mit 64 Milliarden Euro. Ich meine das geübte Zusammenspiel aus Diplomatie, Verantwortungsbewusstsein und Wehrhaftigkeit. Der leicht steigende Verteidigungsetat, den wir heute verabschieden,
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Leicht“?)
ist eine Säule dieses Dreiklangs und damit Ausdruck einer besonnenen, aber klaren Politik.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas dazu sagen, wo das Geld, das wir heute für 2017 und darüber hinaus bereitstellen, hinfließen wird. Ein wichtiger Kostenpunkt ist natürlich die schon viel diskutierte Verpflichtungsermächtigung zum Kauf von fünf Korvetten K130. Wir haben ja ausführlich darüber gesprochen, und auch in den Zeitungen ist darüber berichtet worden. Ich spreche hier die Korvetten noch einmal an, um dem in Teilen der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck entgegenzuwirken, dass die Beschaffung dieser Korvetten aus einer Laune heraus beschlossen wurde. Das ist nicht der Fall.
(Beifall des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU])
Grund für den Entschluss ist die wirklich extrem angespannte Situation bei der Marine;
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So ist es!)
der Wehrbeauftragte hat eindrücklich darauf hingewiesen. Ich glaube, ich weiß, wovon ich rede; Wilhelmshaven ist meine Heimatstadt. Und ich möchte auch noch einmal sagen: Mein Wahlkreis profitiert nicht davon.
Aufgrund der Vielzahl internationaler Einsätze steht den Soldatinnen und Soldaten der Marine das Wasser buchstäblich bis zum Hals. Es fehlt an Personal, und es fehlt eben auch an Schiffen. Als klar war, dass sich die Auftragsvergabe für das dringend benötigte neue Mehrkampfschiff 180 verzögern würde, boten die Korvetten die Möglichkeit, hier kurzfristig die dringend notwendige Abhilfe zu schaffen.
Als Frau von der Küste bin ich, wie gesagt, eng mit der Marine verbunden und stehe selbstverständlich hinter dieser Entscheidung. Die Korvetten K130 sind ein bereits funktionierendes System, das schnellstmöglich in den bisherigen Flottenverband integriert werden kann. Die mit jeder Kleinserie von neu- und weiterentwickelten Schiffen auftretenden Kinderkrankheiten entfallen, da sie meistens beseitigt sind. All das entfällt durch die jetzt beschlossene Ergänzungsbeschaffung. Es war daher in der Sache die richtige Entscheidung, auch wenn ich die Kritik an dem Entscheidungsprozess, was Transparenz und Nachvollziehbarkeit angeht, natürlich verstehe. Den weiteren Verlauf dieses Beschaffungsvorhabens sollten wir nun allerdings positiv begleiten und besonders darauf achten, dass wir keine Diskussion auf dem Rücken der Soldatinnen und Soldaten austragen.
Überhaupt darf man an dieser Stelle einen Dank an die Soldatinnen und Soldaten aller Streitkräfte unserer Bundeswehr weitergeben. Sie haben nach wie vor einen ganz herausragenden Job zu erledigen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben den Korvetten, die wir im Haushalt 2017 abbilden, wird es auch in anderen Aufgabenbereichen mehr Spielraum für Investitionen geben. Auch beim Personal – das ist gesagt worden – konnte der Trend umgekehrt werden. Mit den 12 Milliarden Euro für Personalausgaben wird nicht nur ein nummerisches Plus, zum Beispiel bei den zusätzlichen Reservisten, möglich, sondern wir können endlich auch im Tarifgefüge – gerade bei den unteren Tarifgruppen – etwas für die Soldatinnen und Soldaten tun. Beispielsweise werden allein 3 000 Planstellen der Gruppe A 7 durch rund 2 000 neue Stellen für Stabsfeldwebel A 9 ersetzt. Ich denke, darauf wartet man bei der Bundeswehr schon lange.
Bei den rüstungsintensiven Ausgaben verzeichnen wir mit rund 6 Milliarden Euro einen deutlichen Zuwachs, nämlich von 10 Prozent. Dieses zusätzliche Geld sollen die Ministerin und ihr Ministerium bei dem eingeschlagenen Weg der Trendwende Material unterstützen. Sie sehen, Frau Ministerin, wir, der Haushaltsausschuss, haben geliefert. Jetzt sind Sie natürlich dran. Mit dem jetzigen Haushalt haben wir auch einen Vertrauensvorschuss gegeben. Ich bleibe bei dem, was ich hier schon oft gesagt habe: Bevor wir über weitere Aufstockungen des Verteidigungsetats sprechen, muss in Sachen effizienter Beschaffung noch etwas mehr getan werden. Wir sehen und wir schätzen Ihr Engagement und das Ihres Teams in Sachen Beschaffungswesen. Ich schätze auch Ihren Einsatz für grenzübergreifende europäische Beschaffungsinitiativen sehr, aber wir beide wissen auch: Papier ist geduldig. Das Netzwerk aus Bundeswehr und Zulieferern kränkelt nach wie vor, und nationale Egoismen erleben in Teilen sogar eine Art Renaissance.
Es bleibt also noch viel Arbeit zu tun – auch 2017. Die Verspätungen beim MKS hatte ich erwähnt. Mit dem Luftverteidigungssystem MEADS verspätet sich ein weiteres großes Rüstungsprojekt; vom A400M will ich gar nicht reden. Und auch beim Vorhaben Mobile Taktische Kommunikation – wir nennen es MoTaKo – kommt es zu einer ungeplanten Verspätung. Wenn wir nicht wollen, dass unsere Soldatinnen und Soldaten ohne funktionierende Kommunikation – eventuell sogar mit ihren Privathandys – in den Einsatz gehen, muss diesem Beschaffungsvorhaben dringend eine höhere Priorität eingeräumt werden. Dazu gehört auch, dass das BAAINBw endlich die dafür notwendige Zahl von qualifizierten Mitarbeitern zur Verfügung stellt.
Meine Damen und Herren, mit diesem Haushalt zeigen wir, dass wir die Bemühungen des Ministeriums anerkennen und unterstützen. Wir sind bereit, mit Augenmaß Verantwortung zu übernehmen, und sind auch in der Lage, dem gerecht zu werden. Was wir jetzt und in Zukunft brauchen, sind Vertrauen und Kontinuität.
Wir jedenfalls, der Haushaltsausschuss hat seine Arbeit gemacht. Wir haben den Teil der Abmachung erfüllt, die benötigten Gelder bereitzustellen. Frau Ministerin, jetzt ist es an Ihnen, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Die Ministerin bekommt sofort die Gelegenheit, hier zu antworten. Für die Bundesregierung spricht jetzt Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7035383 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 202 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |