23.11.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 202 / Tagesordnungspunkt I.12

Axel SchäferSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Haushaltsdebatten ist es selbstverständlich, dass die Regierungsfraktionen die Regierung und damit auch ihren Minister loben, und genauso selbstverständlich, dass die Oppositionsfraktionen selbige kritisch beurteilen. Es ist bei unserer Debatte, auch im Vergleich zu anderen in diesem Hause, nicht nur heute eigentlich sehr gut, dass wir auf der einen Seite auch von Oppositionsseite in einzelnen Punkten oder zu gelungenen Projekten Zustimmung bekommen, andererseits aber auch innerhalb der Regierungskoalition Kritisches und Selbstkritisches geäußert wird. Ich glaube, das bringt unsere gemeinsame Sache voran. Ich will mich genau auch in diese Richtung bewegen. Denn wir alle mussten in den letzten Jahren durch schlechte Erfahrungen in unserem Land, in Europa und weltweit erfahren, wie notwendig Intensivierung, Verbesserung und auch Veränderung von Entwicklungszusammenarbeit sind, was sich sowohl in Haltungen als auch in Entscheidungen und zum Schluss auch in Finanzen ausdrückt. Deshalb ist der Aufwuchs des Haushaltes auf 8,5 Milliarden Euro natürlich ein ganz großer Erfolg für die Bemühungen dieses Hauses über Jahre und Jahrzehnte hinweg.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Deshalb Gratulation, ein Stück weit auch an den Minister!

Das Ganze ist natürlich auch dem geschuldet, dass sich alle hier vertretenen Parteien in ihren Programmen und wichtigen Beschlüssen dazu verpflichtet haben, das mit der ODA-Quote festgelegte Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, zu erreichen, was wir aber immer noch nicht geschafft haben. Auch der heutige Beschluss des Haushalts bedeutet, dass wir uns verpflichten, in den nächsten Jahren auf diesem Weg weiterzugehen. Der Weg ist zwar immer auch das Ziel, aber das 0,7-Prozent-Ziel steht fest, und wir müssen uns hier offen ins Gesicht sagen: Jawohl, wir wollen dahin kommen, trotz unterschiedlicher Positionen en détail. Aber insgesamt ist das die Verpflichtung dieses Hauses, dieser Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Weil wir bei internationalen Fragen natürlich auch in internationalen Verflechtungen stecken – es ist angesprochen worden –, ist Europa ein ganz zentraler Akteur. Auch da wird es für uns darum gehen, dass nationale und europäische Politik – unsere Parteifamilien sind ja alle europäisch vernetzt – tatsächlich auch zusammenpassen. Deshalb ist es wichtig, dass wir auf europäischer Ebene den Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika haben, der über EU-Mittel in Höhe von 1,8 Milliarden Euro verfügt. Auf der anderen Seite ist es richtig und kritikwürdig, dass die Mitgliedstaaten bisher nur einen Beitrag von 100 Millionen Euro leisten. Auch hier gibt es ganz klare Defizite, die benannt werden müssen. Position der SPD-Fraktion ebenso wie der deutschen Gruppe im Europäischen Parlament und der S&D: Wir könnten uns die 90 Millionen Euro, die im EU-Haushalt für Rüstungsforschung vorgesehen sind, besser im Bereich Entwicklung vorstellen. Ich glaube, da wären sie gerade in der heutigen Situation sinnvoller eingesetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt aber zugleich: Wir müssen zueinander ehrlich sein. Wir können hier nicht sagen: „Jawohl, wir erhöhen die Haushaltsmittel“, und auf europäischer Ebene sagen: „Da muss an bestimmten Stellen gespart werden“, oder – noch schöner –: Die Europäische Union soll das insgesamt leisten. – Die Europäische Union sind eben in besonderer Weise auch die Mitgliedstaaten. Deshalb wird es wichtig sein, dass wir uns im Rat dafür einsetzen, dass es in diesem Bereich eben keine Kürzung gibt. Die Mid-Term Review steht ja an – das europäische Haushaltsrecht ist ein bisschen anders als das nationale –, und da wird es wichtig sein, dass wir in der EU nicht weniger Mittel fordern, während wir hier sagen: Wir brauchen da mehr Mittel. – Das muss schon stimmig sein. Dementsprechend zu handeln, das erwarten meine Fraktion und ich auch ganz persönlich von der Regierungspolitik dieser Koalition.

Für die internationale Zusammenarbeit ist es deshalb natürlich auch für uns wichtig, dass wir das im Dialog mit unseren Partnerinnen und Partnern, unseren Parteifreundinnen und Parteifreunden im EP möglichst eng gestalten. Deshalb bitte ich Sie alle noch einmal, egal welcher Fraktion Sie angehören: Nutzen Sie die Möglichkeit, dies in Brüssel tatsächlich zu diskutieren: mit dem zuständigen Ausschuss, mit dem zuständigen Kommissar, der schon öfter hier in Berlin gewesen ist. Versuchen Sie, deutlich zu machen: Bei der Entwicklungszusammenarbeit geht es tatsächlich nicht nur allgemein um eine globale Herausforderung, sondern auch um eine ganz konkrete Gestaltung, die wir im Alltag in unserer Arbeit zwischen Berlin und Brüssel, zwischen der nationalen und der europäischen Ebene Tag für Tag leisten. Wir müssen immer wieder aufs Neue ansetzen, uns immer wieder ein Stück bewegen.

Warum sind die internationale Zusammenarbeit und deren Organisation – das ist hier von einigen Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition angesprochen worden – so wichtig? Schauen wir ganz genau hin: Das heutige Hauptproblem, das der Lösung internationaler Schwierigkeiten und Konflikte im Wege steht, ist der wachsende Nationalismus in vielen Ländern. Nationalismus – das wissen wir –, das ist Fremdenfeindlichkeit. Nationalismus, das ist auch Bekämpfung, Ablehnung oder Schlechtreden von internationalen Institutionen. Es wird für uns wichtig sein, dass wir unsere Arbeit immer auch in dem Bewusstsein machen, dass wir international eingebettet sind, warum es nötig ist, dass wir Teil der Europäischen Union sind, warum es nötig ist, dass wir die UNO mit all ihren einzelnen Organisationen haben und stärken, und dass wir auch verbalisieren: Jawohl, es kann uns in Deutschland, es kann auch dem Kontinent Europa nur dann gut gehen, wenn es den anderen, speziell Afrika, nicht schlecht geht. – Das gehört untrennbar zusammen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb meine große Bitte: Führen wir diese Debatte so fort, wie wir sie im Haushaltsbereich geführt haben! Ändern wir auch Regierungsvorschläge, wie es ja gelungen ist! Denn ich glaube, wir sind auf einem richtigen Weg. Es gelingt aber nur, wenn wir kritisch und selbstkritisch, aber auch entschlossen bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Axel Schäfer. – Das Wort hat jetzt der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7035449
Wahlperiode 18
Sitzung 202
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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