Sonja SteffenSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Müller, Sie werden mir gestatten, dass ich heute, weil es die letzte Runde ist, in der wir uns als Haushaltspolitiker mit diesem Haushalt beschäftigen werden und ihn dann auch verabschieden werden, ein Resümee ziehe. Mein Resümee, Herr Movassat, sieht ein wenig anders aus als das Ihre. Ich sehe den Etat wesentlich positiver als Sie.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zum Aufwuchs des Etats ist schon einiges gesagt worden. Ich habe mir vor dieser Debatte noch einmal angeschaut, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Im Koalitionsvertrag heißt es: Wir wollen Deutschland weiter auf einem Finanzierungspfad zum „0,7‑Prozent-Ziel“ der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit am BNE, ODA-Quote, führen und stellen deshalb in der Legislaturperiode zwei 2 Euro bereit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr als 2 Milliarden Euro Aufwuchs: Ich denke, das kann sich sehen lassen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Gestatten Sie mir ein paar Worte zur ODA-Quote. Sie ist jetzt schon kritisiert worden. Ich habe mich gefreut, Herr Müller, dass Sie gesagt haben: Wir wollen weiter daran arbeiten, die ODA-Quote von 0,7 Prozent auch wirklich zu erreichen. Wir sind auf einem guten Weg. Wir haben in diesem Haushalt bereits eine Quote von circa 0,6 Prozent erreicht.
Wir wissen auch, dass es Kritik gibt hinsichtlich der Frage, wie man die ODA-Quote berechnet. Denn bei der Berechnung der ODA-Quote spielen auch die Inlandskosten der Flüchtlinge im ersten Jahr ihres Aufenthalts hier eine Rolle. Darüber kann man streiten. Aber letztendlich müssen wir zum einen dafür sorgen, dass die Berechnungen international die gleichen sind. Zum anderen ist es so: Wenn wir einmal die rote Linie erreicht haben, dann können wir davon nicht mehr abrücken. Das heißt also, wir – nicht nur wir Fachpolitiker und die Haushaltspolitiker, sondern alle, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind – fordern an dieser Stelle gemeinsam, dass wir die 0,7 Prozent erreichen und diese rote Linie in Zukunft nicht mehr unterschreiten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Die Kehrseite des Aufwuchses von mehr als 2 Milliarden Euro haben wir in den letzten Jahren, vor allem im letzten Jahr, erlebt. Natürlich hat der Aufwuchs auch mit der aktuellen Situation der Flüchtlinge zu tun. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob wir diesen Aufwuchs erreicht hätten, wenn wir nicht auch in Deutschland ein wirklich sehr schwieriges Jahr 2015 erlebt hätten, in dem wir letztendlich aber alles gut gemeistert haben.
Sei es drum: Ich finde, ein sehr positiver Effekt der Flüchtlingsbewegungen im letzten Jahr ist der, dass wir nicht nur einen Aufwuchs von 2 Milliarden Euro im Etat haben, sondern dass darüber hinaus, insbesondere dank der Fachpolitiker, der Blick für die Entwicklungszusammenarbeit geschärft worden ist. Dies gilt nicht nur für den Haushaltsausschuss – dort hat sie bisher aus meiner Sicht ein Schattendasein geführt –, vielmehr ist es auch bei den Menschen in den Wahlkreisen angekommen, dass wir unbedingt eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit brauchen. Denn nur so können wir den Menschen helfen, sodass sie sich nicht auf den schwierigen Weg der Flucht machen müssen. In der Tat ist es wohl so: Die meisten Menschen wollen dort leben, wo sie geboren sind, wo ihre Heimat ist.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
In meiner ersten Rede zum Haushalt 2014 habe ich gesagt: Meine Aufgabe als Haushälterin sehe ich darin, dafür zu sorgen, dass das Geld in diesem Etat nicht mit der Gießkanne ausgeschüttet wird. Vielmehr geht es darum, ein gesundes Verhältnis zwischen vernünftiger Haushaltspolitik auf der einen Seite und den finanziellen Verpflichtungen und Verantwortungen unseres Staates im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit auf der anderen Seite zu finden. Aufgrund der aktuellen Verhältnisse, vor allem aufgrund der Situation im letzten Jahr, hat sich das Verhältnis zwischen der vernünftigen Haushaltspolitik auf der einen Seite und der Verantwortung auf der anderen Seite natürlich in Richtung Verantwortung verschoben.
Seit 2015 befinden sich 65 Millionen Menschen auf der Flucht. 65 Millionen! Besonders traurig ist, dass seit 2013 mehr als 10 000 Menschen ihren Tod auf dem Mittelmeer gefunden haben, weil sie es nicht geschafft haben, Europa zu erreichen. Deshalb ist jeder Cent, den wir in die Entwicklungszusammenarbeit investieren, nicht nur eine Investition in die Menschen vor Ort, sondern er hilft, die schlimmen Fluchtschicksale, die uns verfolgen, zu verhindern und zukünftig dafür zu sorgen, dass die Menschen weiterhin in ihrer Heimat leben können.
Vernünftige Haushaltspolitik in der Entwicklungszusammenarbeit heißt aber auch, vernünftige Schwerpunkte zu setzen. Gerade die SPD-Fraktion hat zwei wichtige Schwerpunkte, die man im Haushalt auch wiederfindet, gesetzt:
Der erste Schwerpunkt ist Gesundheit. Denn nur gesunde Menschen können vor Ort dafür sorgen, dass sie selber und auch ihre Familie leben können. Deshalb haben wir in diesem Etat insgesamt 650 Millionen Euro in Gesundheit investiert, davon übrigens 250 Millionen Euro bilateral, also über die GIZ und die KfW, und 330 Millionen Euro multilateral.
Es kam vorhin schon kurz zur Sprache: Wir werfen den Blick zu selten auf den multilateralen Bereich, also dorthin, wo wir in Fonds einzahlen. Ich habe mich heute Morgen sehr gefreut, als selbst die Kanzlerin in ihrer Rede gesagt hat, dass sie auf die multilaterale Hilfe setzt, und zwar insbesondere deshalb, um die gemeinsame Verantwortung der Industriestaaten zu stärken. Das ist auch mit diesem Haushalt ein Stück weit gelungen. Das freut vor allem mich und meine Kollegen von der SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Der zweite Schwerpunkt ist Bildung. Auch hier haben wir eine Menge erreicht. Herr Minister, Sie haben immer wieder gesagt: Wir wollen mindestens 400 Millionen Euro im Jahr in die Bildung investieren. – Auch das ist mit diesem Etat gelungen. 250 Millionen Euro werden bilateral investiert, der Rest teilweise multilateral. Ich freue mich, dass auch der GPE-Fund für die Zukunft einen Aufwuchs erhalten konnte.
Zu dem weiteren Schwerpunkt der humanitären Hilfe haben wir schon einiges gehört. Das Programm „Cash for Work“ ist gut. Das Rückkehrprogramm, das Sie vorhin erwähnten, finde ich hervorragend. Es ist ganz furchtbar, dass viele Flüchtlinge, die hier keine Bleibeperspektive haben, immer noch in Nacht-und-Nebel-Aktionen abgeholt und in die Ungewissheit zurückgeführt werden. Ich denke, wenn man mit ihnen zusammenarbeitet, kann man vernünftige Wege finden, um in ihren Heimatländern die Entwicklungszusammenarbeit zu fördern.
Jetzt bin ich leider schon fast am Ende meiner Redezeit angekommen.
Nein, Sie sind am Ende.
Ja. – Ein letzter Satz. Ich habe die Hoffnung – sie ist heute an verschiedenen Stellen bestätigt worden –, dass der Etat für die Entwicklungszusammenarbeit auch zukünftig die finanzielle, mediale, soziale und humanitäre Aufmerksamkeit erhält, die er verdient.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Sonja Steffen. – Nächste Rednerin: Anja Hajduk für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7035459 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 202 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |